Silvana Mangano

Sexbombe des Schwarz-Weiß-Kinos

Die italienische Filmschauspielerin Silvana Mangano (1930-1989) – hier 1956 in einer Szene des Film "Diga sul Pacifico
Die italienische Filmschauspielerin Silvana Mangano (1930-1989) – hier 1956 in einer Szene des Film "Diga sul Pacifico © AFP
Von Marli Feldvoß · 16.12.2014
Wespentaille, üppige Oberweite, knappe Shorts: Mit ihren Reizen half Silvana Mangano dem politisch gestimmten italienischen Nachkriegskino auf die Sprünge. Die Rolle als Sexbombe ließ sie hinter sich, doch ihr Schauspiel blieb anbetungswürdig.
In den Reisfeldern der Poebene ist die schöne Silvana Unruhestifterin Nummer eins. Silvana singt, was sie zu sagen hat, weil das Sprechen während der Arbeit den Saisonarbeiterinnen verboten ist. Trotz schwieriger Bedingungen kämpfen die Frauen unter sengender Sonne um ihr täglich Brot und mehr. Es geht – nach Faschismus und Krieg – auch um ganz neue Freiheiten: um Sexappeal und Boogie Woogie.
Mit aufreizenden Posen, knappen Shorts und schwarzen hochgerollten Wollstrümpfen wird Silvana Mangano in "Bitterer Reis" über Nacht zum Star. Fortan gilt "die Mangano" als die italienische Antwort auf Rita Hayworth. Hin- und hergerissen schreibt der junge Italo Calvino im Sommer 1948:
Italo Calvino: "Silvana Mangano ist einer der großen Glücksfälle der Filmgeschichte. Sie ist Römerin, 18 Jahre alt, sie hat das Antlitz von Botticellis Venus, doch von stolzerem Ausdruck, schön und stolz zugleich. Ihre Körperlinien verschmelzen zu einer einzigen Sinfonie."
Mit ihrer Rolle in "Riso amaro" war Silvana Mangano die erste der neorealistischen Diven, deren Weg zum Film über einen Schönheitswettbewerb führte. Aber der Star wehrte sich mit allen Mitteln gegen die Festschreibung als Sex Symbol, zuletzt mit erheblicher Gewichtszunahme.
Aus dem kurvenreichen Sexstar wurde eine zartgliedrige Tragödin
Der Werdegang der am 21. April 1930 in Rom geborenen Schauspielerin, die schon als Siebenjährige an der Ballettstange stand, verlief dann auch ganz anders als erwartet. Sie heiratete den Prozenten Dino De Laurentiis, der ihre Karriere lenkte, verweigerte jedoch den geplanten Sprung nach Hollywood und zog sich nach ihren Erfolgen als Model und Filmstar mit den vier Kindern ins Privatleben zurück. Die pressescheue Schauspielerin kehrte erst in den Sechzigern völlig verwandelt auf die Leinwand zurück. Aus dem kurvenreichen Sexstar war eine zartgliedrige Tragödin geworden mit scharf geschnittenem Profil und aristokratischer Ausstrahlung. Erste Glanzrollen unter der Regie von Pier Paolo Pasolini wie die heilige Maria in "Decamerone" und die verblendete Industriellengattin Lucia in "Teorema" bewiesen ihr neues Format.
O-Ton aus "Teorema": "Jetzt wird mir klar, dass ich nie irgendwelche Interessen hatte. Ich meine gar nichts Besonderes. Auch das Interesse für das Alltägliche hat mir gefehlt. Wie mein Mann es für die Fabrik, mein Sohn für die Schule oder Odetta es für ihren Familienkult hat. Bei mir Fehlanzeige. Ich verstehe nicht, wie ich in einer solchen Leere haben leben können. Und doch habe ich gelebt."
Paolo Pasolini verehrt sie, Luchino Visconti auch
Nicht nur Pasolini, auch der große Luchino Visconti verehrte Silvana Mangano mit ihrer makellosen, fast transparenten Schönheit wie ein Idol und setzte sie in tragenden Rollen ein: als Tadzios Mutter in "Der Tod in Venedig", die sie ohne Gage spielte, als Cosima von Bülow in "Ludwig II." und als resolute Marchesa Bianca Brumonti in "Gewalt und Leidenschaft", seinem biografischstem Film. Mangano kam die Schlüsselrolle zu, die alle Widersprüche des neureichen und dekadenten Italiens auf den Punkt bringt. Mit souveräner Dreistigkeit versteht sie es, gegenüber einem "profesore" als Vertreter der alten Welt ihre Interessen durchzusetzen.

Sie: Ihr Portier und ihre Hausangestellten haben gesagt, die Wohnung oben stehe leer. Ich möchte sie mieten.
Er: Mieten? Ich vermiete nicht. Ich bringe dort meine Bücher unter.
Sie: Professor, ich habe mich umgesehen. Der Gang da draußen, die Nebenräume. Erzählen Sie mir nicht, Sie hätten keinen Platz. Wenn Sie Ihre Regale durch moderne ersetzten, gäbe es kein Problem.

In ihrer zweiten Lebenshälfte hat sich Silvana Mangano den Platz der Grande Dame des italienischen Kinos erobert. An der Seite von Maria Callas. Ob ihre kohlschwarzen Augen vor Zorn funkelten oder sich wie abwesend verschleierten, ihr hohes Spiel verlangte und verdiente nur eines: Anbetung. Ihre einmalige Ausstrahlung ist bis heute unvergessen. Silvana Mangano ist viel zu früh - am 16. Dezember 1989 - mit 59 Jahren in Madrid an Lungenkrebs gestorben.
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