Sierra Leona

Angst vor dem "Ebola-Business"

Von Oliver Ramme · 05.07.2015
Die Zahl der Ebola-Fälle ist in Sierra Leone stark gesunken – doch die Angst vor der Seuche geht noch immer um. Weil die Menschen fürchten, sich anzustecken, meiden sie Krankenhäuser. Ihr Verdacht: Ärzte und Pfleger sind Teil eines zynischen "Ebola-Business".
So klingt es seit einem Jahr im Siaka-Stevens-Stadium, dem Nationalstadion in Sierra Leones Hauptstadt Freetown.
Kein Mensch ist zu sehen im weiten Rund. 30.000 Zuschauer fasst das alte Fußballstadion. Die Farben auf den Tribünen sind verwittert. Vier mächtige, stählerne Scheinwerfertürme ragen in den bedeckten Himmel. Raben und Geier springen auf dem verwilderten, hochgewachsenen Rasen. Das passt: Denn Fußball ist tot in Sierra Leone. Seit im Juli letzten Jahres die Regierung in Sierra Leone den Notstand ausgerufen hat. Wegen Ebola.
Benjamin Gordon: "Um ehrlich zu sein, wir haben keinen blassen Schimmer, wann sie den Notstand wieder aufheben. Wir hängen in der Luft und hoffen einfach, dass Ebola endlich verschwindet. Wenn das der Fall ist, machen wir weiter mit Fußball."
Benjamin Gordon ist Fußballmanager und Teilhaber am Sierra-Leonischen Erstligisten Mount Aureol, der – gäbe es Ebola nicht – hier im Nationalstadion spielen würde. Gordon ist ein massiger Mann in modernem Trainingsanzug. Manchmal kommt er hierher, setzt sich auf die Tribüne und träumt von besseren Zeiten.
"Wir sind echt sauer auf Ebola, es ist echt hart"
"Fußball ist die dritte Religion in Sierra Leone. Nach dem Islam und dem Christentum kommt der Fußball. Fußball bedeutet uns alles. Wir essen, wir schlafen – alles mit Fußball. Der Sport ist unser Leben, und es ist traurig, dass wir zurzeit nicht kicken. Wir sind echt sauer auf Ebola, es ist echt hart."

Benjamin Gordon versucht, den Kontakt zu seinen Spielern zu halten. Zum Trainieren kann er sie nicht verpflichten, er zahlt sie ja zurzeit nicht. Wenigstes ist niemand in seinem Team an Ebola erkrankt. Das ist die einzig gute Nachricht für den Fußballmanager. Gordon kann nur warten und hoffen, dass Sierra Leone Ebola endgültig überwindet.
Das Versammlungsverbot ist nicht die einzige Beschränkung in dem Ebola geplagten Land – obwohl es nur noch etwa zehn Neuinfektionen pro Woche gibt. Fast nichts im Vergleich zu der Hochzeit von Ebola, da waren es hunderte. Aber noch geht die Angst um in Sierra Leone und durchdringt alle Lebensbereiche. Sie lähmt und polarisiert.
Nur ein paar Kilometer entfernt vom verwaisten Nationalstadion liegt die Wilsonstreet. Dutzende von Menschen stehen dicht gedrängt in der Gasse, die steil den Hang hinaufführt. Freetown ist eine hügelige Stadt. Oben an den Bergen beginnt der Wald. Die Wilsonstreet unten zieht sich durch eines der vielen Armenviertel Freetowns. Die Häuser rechts und links sind Verschläge aus Brettern und Planen. In einem Rinnsal voller Plastiktüten, Stofffetzten und Essensresten fließt eine milchig weiße Flüssigkeit. Es stinkt. Sierra Leone gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die meisten hier leben von einem Euro oder weniger am Tag.
Empörung über den Verdacht, der Tote sei an Ebola gestorben
Fünf weiße Jeeps vom Roten Kreuz versperren die steile Wilsonstreet. Kein Notfall, kein Rettungseinsatz. Es ist der zweite Leichentransport heute von Lansana Sinnah und seinem Team.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Kein Notfall, kein Rettungseinsatz - ein Leichnam in der Wilsonstreet.© Oliver Ramme
Es ist heiß, die Sonne steht senkrecht am Himmel. Dazu die hohe Luftfeuchtigkeit. Sinnah steht vor der aufgebrachten Menge und erklärt einem Angehörigen des Toten was jetzt passiert: Drei Kollegen werden den Leichnam aus dem Haus Nummer zwei holen und ihn in einen Laster schieben. Eine Vorsichtsmaßnahme. Er könnte an Ebola verstorben sein. Die Menge ist empört.
Sinnah ist ein hagerer Mann in Gummistiefeln, Jeans und weißem Polohemd mit rotem Kreuz. In der Hand hält er eine schwarze Kladde.
"Ich mache das jetzt seit September 2014. Ich zähle die Fälle noch. Hier in meinem Notizbuch stehen mehr als 1000 Vorgänge. Wir sagen immer: Wir sind gekommen, die Leiche zu holen. Wir wissen nicht, was die Person umgebracht hat, also Ebola oder was anderes. Wir nehmen den Leichnam dann mit und bringen ihn zum Friedhof."
Die drei in Schutzanzügen gehüllten Kollegen von Sinnah gehen unterdessen in das Haus mit der Nummer zwei. Dort stecken sie den Leichnam eines 45-jährigen in einen reißfesten Sack. Auf einer Bahre wird die weiße Tasche nun auf die Wilsonstreet getragen und vor der Menschenmenge abgesetzt. Das Geschrei ist unerträglich laut.
Bestattungen durch Angehörige sind verboten
Die Leute auf der Straße, Angehörige des Toten, Freunde, Nachbarn, sind entsetzt ob des Schauspiels. Sie wollen ihre Toten würdig bestatten. Aber das dürfen sie nicht, so lange Ebola nicht endgültig besiegt ist. Die Männer in den gelben Overalls und Schutzbrille treten in den Hintergrund als ein Imam an den Leichnam tritt und ein Gebet spricht.
Die Menschenmenge beruhigt sich nur langsam. Nach der kurzen Andacht wird der Leichnam noch einmal angehoben und in den Laster geschoben. Dort liegt schon ein anderer weißer Sack. Die Tür wird geschlossen.

"Es gibt schönere Jobs. Aber ich bin jetzt Freiwilliger beim Roten Kreuz seit über 25 Jahren. Und wir haben schon im Bürgerkrieg Tote eingesammelt. Damals wie heute mussten wir die Leute schnell begraben. Heute wegen Ebola. Es ist hart, aber so kann ich meinem Land helfen."
Ein Job im "Ebola-Business"
Die Rotkreuzhelfer ziehen ihre gelben Anzüge behutsam aus. Die Männer sind verschwitzt. Die Kleider, die sie unter den Schutzanzügen tragen, sind zum Auswringen nass. Eine harte, eine aufwühlende Arbeit, aber eine bezahlte Arbeit. Mit internationalen Hilfsgeldern werden Jobs finanziert, die weitere Ansteckungen verhindern sollen. In Sierra Leone spricht man vom Ebola-Business. Das klingt nach Geldmachen, weniger nach Hilfe.
Alles wird nun eingepackt. Weiter geht es zum nächsten Routineeinsatz – zum nächsten Leichnam. Der Verkehr in Freetown ist chaotisch. Besonders am Morgen sind die Straßen verstopft.

Bismarck sitzt in einem roten Nissan mit gelben Türen. Bismarck ist Taxifahrer. Sein Vater war einmal in Deutschland auf Besuch und fand den Namen schön. Deshalb heißt Bismarck "Bismarck". Es geht nur langsam vorwärts. Der 50-Jährige nimmt es mit Geduld, seine Hände liegen ruhig auf dem Steuer.
Er, seine Frau und die drei Töchter haben Ebola überstanden. Kollegen von ihm ist es schlechter ergangen: weil sie Ebola-Kranke transportiert haben.
Im Taxi infiziert
"Wegen Geld haben einige Fahrer dieses Risiko auf sich genommen. Sie haben diese Leute einfach mitgenommen. Und daran sind viele Kollegen gestorben. Die wurden zuvor krank und sind dann zu Behandlungszentren gebracht worden. Einige haben überlebt, ein paar. Einige haben es für Geld gemacht, andere weil sie ihre Nächsten retten wollten oder ihre Verwandten. Du hast dieses Auto und wirst gebeten zu helfen, damit die Patienten nicht sterben. Einige sind dieses Risiko eingegangen."

Bismarck selber hat nie Ebola-Kranke mitgenommen, sagt er. Dabei hätte der kleine Mann mit dem freundlichen Gesicht sicherlich mit der Not der anderen Geld verdienen können. Denn in der Hochzeit von Ebola zwischen August und Oktober, als hier alles zum Erliegen kam, lag auch das Transportwesen am Boden und Taxifahrer konnten gute Geschäfte machen.
Seit dem Ebola-Ausbruch Anfang 2014 bleiben die Kunden aus, klagt Bismarck. Dabei lief es so gut die letzten Jahre. Jetzt findet Bismarck kaum noch ausländische Geschäftsleute. Die befördert er am liebsten.
Schikanen durch korrupte Polizisten
"Ich fahre nicht einfach herum, wegen der Schikanen durch die Polizei. Die stoppen dich, checken alles, auch deine Lizenz. Und die finden halt irgendwas und sagen: Wir müssen mit dir auf die Wache. Und um das zu vermeiden musst du zahlen. Umgerechnet vier, fünf Euro. Dann lassen sie dich ziehen. Geben dir die Lizenz zurück. Die Polizei jagt uns wirklich. Und deswegen fahre ich nicht rum, sondern warte vor den Hotels."
Bismarck parkt seinen rot-gelben Wagen unter einem Baum. Hier im Schatten vor einem Hotel wartet er lange auf den nächsten Kunden.
"Wenn ich Kunden habe, dann stoppen die mich nicht. Die denken, da sitzt ein Diplomat oder Ausländer drin. Da gibt es dann keine Probleme. Im Grunde ist es so: Wir machen weniger Geld und die Polizei ist noch gieriger geworden."
Etwa 200 Kilometer östlich von Freetown liegt das Örtchen Serabu – mitten im Busch. Der Weg dorthin ist beschwerlich. Eine schier unendliche Fahrt auf einer durchlöcherten roten Lehmpiste, vorbei an einem Meer aus Bäumen und Palmen. Lehmhütten ducken sich unter grünen Mangobäumen, Hühner picken auf den Wegen. Frauen tragen Körbe auf dem Kopf. Das Leben hier ist einfach. Es gibt nicht einmal Strom – wie in weiten Teilen Sierra Leones.
Die Menschen glauben, dass sie sich in den Krankenhäusern anstecken
Am Rande von Serabu liegt das Krankenhaus. Ein paar längliche Baracken, dazwischen weitläufige Wiesen und hohe Bäume, viel Grün. Nur wenige Menschen trauen sich in der heißen Mittagssonne nach draußen. Das Krankenhaus ist schon seit Monaten unterbelegt. Niemand kommt, auch nicht die Schwerkranken. Die Menschen glauben noch immer, dass es die Krankenhäuser sind, die Ebola bringen.
"Es war schon beängstigend als wir hierhergekommen sind. Die Straßen waren gesperrt, kein Mensch unterwegs. Alle paar Kilometer gab es Checkpoints, Polizei, Militär, Bewaffnete auch. Wir hatten hier im Einzugsgebiet des Krankenhauses drei Dörfer, die schwer betroffen waren von Ebola und das hat die Arbeit hier extrem gefährlich gemacht."
Dorian Jungmann, 31 Jahre, arbeitet seit Dezember vergangenen Jahres für die Organisation German Doctors im Krankenhaus von Serabu. Er ist - neben seiner Partnerin Theresa de la Torre - der einzige Arzt im Umkreis von mehreren dutzend Kilometern. German Doctors unterstützt das Krankenhaus seit vielen Jahren. Aus dem Entwicklungshelfereinsatz wurde unvermutet ein Kampf gegen Ebola.
Dorian Jungmann ist auf der morgendlichen Visite. Viele Betten in den Sälen sind leer. Die Klinik ist sauber, durch die dunklen Gänge weht ein frischer Wind. Es riecht nach Putzmitteln.
Das Krankenhaus ist mit einfachen medizinischen Techniken ausgestattet. Hier werden Malaria- und Cholerafälle behandelt. Einfache Operationen bis hin zum Kaiserschnitt können durchgeführt werden. Aber keine Ebola-Behandlung, trotzdem haben die Menschen Angst vor Ansteckung.
"Wir haben in der Zeit entschieden, dass wir aus den Dörfern, die bekannte Hotspots sind, keine Patienten aufnehmen – überhaupt nicht. Was zu extrem schwierigen Entscheidungen geführt hat."
Hier im Krankenhaus in Serabu gab es über die Monate immerhin acht Ebola-Verdachtsfälle.
Ein Kranker wird vor der Klinik abgeladen – alle machen sich aus dem Staub
"Ich erinnere mich an einen Mann, der ist vor unserem Krankenhaus abgeladen worden. Alle haben sich aus dem Staub gemacht. Der lag da auf dem Boden. Konnte nicht mehr antworten, war schwer krank, wir wussten nichts über ihn. Und dann mussten wir uns entscheiden. Ebola-Schutzanzüge an und ihn in das Holdingcenter nach Bo gefahren. Und dort angekommen war er tot. Post mortem wurde ein Test gemacht und der war negativ. Ich weiß nicht, ob er eine Chance gehabt hätte, wenn wir gleich was gemacht hätten. Sicherlich eine minimale."
Ebola hat überall zu Angst, Panik und Hysterie geführt – deshalb ist die Aufklärung über die Krankheit nach wie vor Teil des sogenannten Ebola-Business.

Etwa eine Fahrstunde von Serabu liegt das Dorf Kania. 20, 30 Lehmhütten mit Wellblech weit verteilt unter hohen Bäumen. Mitten hindurch führt eine rote Sandpiste. Ein malerisches Fleckchen Afrika.
Sylvester, ein medizinischer Angestellter des Serabu-Krankenhauses, steht unter einem majestätischen Mangobaum. Im Schatten haben sich einige Dorfbewohner versammelt. Sylvester, ein hochgewachsener Mann in weißem T-Shirt und Jeans, unterhält sich mit den Menschen. Es geht um Ebola.
Das Dorf Kania war in der Region am härtesten von Ebola getroffen. Jeder Zehnte ist hier an dem Fieber gestorben. Sylvester ermahnt die Leute Körperkontakt zu meiden, Hände zu waschen, Temperatur zu messen.
Panik beim Anblick eines Krankenwagens
"Sie haben uns nie gemocht. Als das alles anfing und wir die Aufklärungsarbeit starteten war es so, dass die Leute in die Büsche gerannt sind, als sie einen Krankenwagen sahen. Wir mussten ihnen hinterherrennen, ins Dorf zurückbringen und mit ihnen reden, um sie zu informieren. Nicht nur über Ebola. Sondern wir mussten ihnen auch sagen, dass sie in spezielle Einrichtungen gehen sollen wenn sie Ebola haben. Oder in normale Krankenhäuser, wenn sie andere, heilbare Krankheiten haben. Die Leute hatten Angst vor uns."
Heute hören die Bewohner Sylvester aufmerksam zu. Stützen ihren Kopf in die Hände. Einige wirken ernst, aber nicht mehr angsterfüllt. Das hat auch damit zu tun, dass es im Dorf schon seit Monaten keine neuen Ebola-Fälle mehr gegeben hat. Trotzdem hören Sylvester und seine Kollegen immer noch ab und zu die alten, absurden Vorwürfe.

"Nein, wir wollen euch nicht zuhören. Ihr Mediziner habt Ebola über uns gebracht. Ihr macht doch nur Geld damit."
Sylvester ist ratlos. Der Dorfälteste von Kania, ein alter Mann mit grauen Haaren, hält diese Vorwürfe für unsinnig. Trotzdem, auch bei ihm ist über ein Jahr nach dem Ausbruch von Ebola Verunsicherung zu spüren.
"Ich habe nicht verstanden, warum es ausgerechnet Kania getroffen hat. Andere Dörfer hier hat Ebola nicht heimgesucht. Ich habe auch nicht verstanden, woher Ebola kam, von Fremden, oder wie die Übertragung stattgefunden hat. Für mich ist das ein Rätsel."
Dass Fledermäuse und Flughunde mögliche Überträger des Virus sind, dass es von Mensch zu Mensch weitergegeben wird – darüber klärt Sylvester auf. Aber die Ebola-Forschung ist noch längst nicht am Ende – auch deshalb haben Gerüchte und Halbwahrheiten Konjunktur.
Allmählich lässt die Vorsicht nach
Im Krankenhaus von Serabu wird gleich am Eingangstor bei jedem Besucher die Temperatur gemessen, mit einer Kunststoffpistole, die an die Stirn gesetzt wird. Dann muss man sich die Hände mit Chlorwasser waschen. Wie überall im Land. Jetzt, da die Infektionszahlen niedrig sind, lässt auch die Vorsicht nach, findet die Spanierin Theresa de la Torre, die zweite Ärztin hier in Serabu.
"Man denkt nicht jeden Tag an Ebola. Es ist präsent, ich weiß, dass es Ebola gibt. Und ich weiß, dass wenn ich arbeite, ich mich schützen muss. Ich weiß, dass ich jeden Patienten mit Handschuhen anfassen muss."

Theresa und ihr Freund Dorian haben Feierabend und sitzen auf ihrer Terrasse. Auch heute gab es keine neuen Ebolafälle. Theresa del Torre sorgt sich deshalb weniger um das Virus, als um die Angst der Menschen vor den Krankenhäusern. Diese Angst hat Ebola verursacht.
Eine Urkunde für den Ebola-Überlebenden
"Das Hauptproblem ist, dass die Leute nicht ins Krankenhaus kommen. Im ganzen Land. Wenn ich mir vorstelle, eine Frau braucht einen Kaiserschnitt und nicht ins Krankenhaus kommt und keiner den Kaiserschnitt machen kann, dann stirbt diese Frau. Die Leute kommen nicht!"
Brima Bockarie, 27 Jahre, ist ein gesunder, kräftiger Typ mit Turnerstatur. Kaum zu glauben, dass er noch vor einigen Monaten restlos geschwächt und todkrank in einem Ebolazentrum lag und mit dem Tod kämpfte.
Brima hat Ebola überlebt. Er zeigt eine Urkunde, die ihn als "Survivor" auszeichnet. Brima gehört zu rund 4000 Überlebenden in Sierra Leone. Als er glücklich entlassen wurde, musste er in seinem Viertel eine traurige Erfahrung machen.
"Ich wurde von den Nachbarn stigmatisiert. Sogar von den meisten Freunden. Wir haben da so einen Platz wo wir gerne am Abend hingehen. Aber sie haben es mir verboten sie zu begleiten. Ich habe versucht, die Leute zu sensibilisieren, dass es mir besser geht als anderen. Ich habe Ebola überlebt, ich werde es nie wieder bekommen."
Auch wenn Brima heute immun gegen Ebola ist – es hilft nicht gegen die Angst der anderen. Brima musste sein Zuhause verlassen und zu einem Freund ziehen. Dort lebt er noch heute. Das verbittert ihn. Brima hat außerdem seinen Platz als Student an der Uni verloren. Aber er will einen Neustart wagen und sein BWL-Studium fortsetzen.
Der ideale Ebola-Pfleger
Kurzfristig hat er eine ganz andere Anstellung gefunden – im Ebola-Business: Als Überlebender ist er immun gegen die Krankheit und damit der ideale Pfleger. Im Beobachtungszentrum für Kinder steht Brima auf einer Veranda und trägt ein zweijähriges Mädchen auf dem Arm. Es könnte Ebola haben. Denn ihre Eltern sind infiziert und ringen mit dem Tod. Das Kind muss 21 Tage in Quarantäne bleiben, isoliert von der Außenwelt. In der Zeit betreuen, pflegen und spielen Ebola-Überlebende mit der Kleinen. Gut für Brima, dass er helfen kann und gebraucht wird. Aber sein neuer Job isoliert ihn.
"Sogar einige aus meiner Familie meiden mich, seit ich diesen Job habe. Sie denken: Das ist so ein Ebola-Job, aber sie verstehen das nicht und sagen nur: Komm ja nicht zu uns nach Hause!"

In diesen Tagen soll das Beobachtungszentrum für Kinder geschlossen werden. Zu wenige Verdachtsfälle.
Überall in Sierra Leone trifft man auf Warnhinweise: Wascht eure Hände, vermeidet Berührungen, führt keine traditionellen Begräbnisse durch. Außerdem beschäftigen sich zahllose Songs mit Ebola.
Um die Gefahr der Ansteckung bei Beerdigungen zu verringern, wurden eigens neue Friedhöfe angelegt.
Etwa 20 Kilometer vor den Toren Freetowns, an einem Ort, der vor einem Jahr noch Buschland war, heben Lansana Sinnah und sein Rotkreuzteam das Grab mit der Nummer 3896 aus.
Es ist später Nachmittag. Drei Leichen müssen begraben werden, beim Abholen kam es jedes Mal zu dramatischen Szenen.
"Im Grunde ein normaler Tag für mich. Was da passiert ist, das kommt jeden Tag vor."

Durchschnittlich finden auf diesem Friedhof 50 Begräbnisse pro Tag statt. Ohne großes Zeremoniell. Die Leichen in dem weißen Sack werden von Spezialteams in Schutzanzügen in die Gruben gehoben und mit Erde bedeckt. Ein paar Angehörige dürfen zuschauen, aus sicherem Abstand. Dann wird ein Holzstück mit Name und Alter des Toten aufgestellt. Der 45-jährige aus Freetown, den Lansana Sinnah heute Morgen abgeholt hat, liegt nun im Grab 3896. Ob er Ebola hatte, ergibt eine Laboruntersuchung. Sie wird mit Sicherheit negativ ausfallen.
Selbst von Angehörigen werden die Rotkreuz-Helfer ausgegrenzt
Abubakar Cisse aus dem Rotkreuzteam streift sich für heute zum letzten Mal den gelben Schutzanzug ab. Feierabend. Ende eines physisch und psychisch anstrengenden Tages. Cisse ist von Beruf Lehrer. Jetzt arbeitet er im Ebola-Business.

"Nur meine Frau und meine Kinder sind bei mir. Der Rest der Familie diskriminiert mich. Sie kommen mir nicht nahe, weil ich mit Ebola zu tun habe. Aber wenn das hier alles vorbei ist, kommen sie zu mir zurück. Ich bin ein Held. Ich fühle mich als Held, weil ich kämpfe."
Für seinen gefährlichen Job beim Roten Kreuz verdient er etwas über 100 Euro im Monat. Das ist mehr als das Lehrergehalt. Wenn Ebola vorbei ist, kehrt er in seinen alten Beruf zurück, sagt er.
Viele, die bei den internationalen Organisationen im Moment ihr Geld verdienen, betonen - so wie Cisse - diese Arbeit auch für ihr Vaterland zu tun. Weil sie das Gefühl haben zusammenstehen zu müssen. Sie vergleichen Ebola mit dem Bürgerkrieg, der zehn Jahre dauerte, und sagen: Die Seuche ist schlimmer.
Es wird Fußball gespielt. Ohne Publikum, aber immerhin: In Kenema, der drittgrößte Stadt in Sierra Leone, kicken am Sonntag zwei Mannschaften auf einem weitläufigen Schotterfeld. Am Spielfeldrand steht ein kleiner Mann im Trainingsanzug. Alhaji Foray hat einen Bauch und ein rundes Gesicht. Er ist der Trainer des Erstligisten Kamboi Eagles, 2014 Pokalsieger.
"In den letzten zölf Monaten war Fußball quasi auf Null"
Damals war noch alles in Ordnung, es gab kein Ebola. Ein paar von denen, die sich einen Schlagabtausch auf dem roten Schotter liefern, gehören zu Alhaji Forays Team.
Foray: "Es ist verdammt schwer für mich. Wie kannst du ein Team trainieren ohne Wettbewerb, ohne Ligabetrieb?"
Und so steht Alhaji Foray etwas ratlos am Spielfeldrand. Die Pfeife baumelt um seinen Hals. Er wird sie auch heute nicht brauchen.
Immerhin, seine Mannschaft war in diesem Jahr schon in Algerien. Wegen Ebola musste der sierra-leonische Pokalsieger sowohl hin als auch Rückspiel in Algerien austragen. Die Jungs sind nicht weitergekommen. Und seitdem verliert sich die Mannschaft.
"Wir hoffen und beten, dass Ebola endlich zu einem Ende kommt. Dann werden wir unsere Jungs klarmachen für 2015 oder 2016 in der Ersten Liga."
Lamin Janneh spielt auf dem Feld. Er ist 21 Jahre jung. Ein echter Athlet, seine Körperform erinnert an ein langes V. Er steht in der Blüte seiner Karriere.

"Das ist überhaupt nicht gut für uns. Wir wollen es zu was bringen im Fußball. Und in den letzten zwölf Monaten war Fußball quasi auf Null. Echt schwierig – und überhaupt nicht gut für unsere Karriere."
Lamin hält sich fit mit Laufen, im Fitnessclub und hier bei den Sonntagspielen mit den älteren Spielern. Aber das reicht nicht. Das weiß auch Lamin. Obwohl er und seine Familie von Ebola verschont geblieben sind, hat ihm die Seuche doch einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Lamin: "Ein Jahr zu verlieren in meinem Alter ist echt nicht einfach. Ich muss mich eben fokussieren und cool bleiben mit der Karriere. Ich werde da schon hinkommen. Das ist mein Ziel."
Vielleicht beginnt die Saison doch bald wieder. Immerhin haben schon vor ein paar Wochen die Schulen und Universitäten ihre Pforten geöffnet. Als nächstes die Stadien? Wenn endlich wieder Fußball gespielt wird in Sierra Leone, dann ist das ein untrügliches Zeichen für Normalität. Und darauf hoffen alle, nicht nur die Fußballer.
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