"Sie können sich vorstellen, wie entsetzt wir waren"

Michael Buback im Gespräch mit Christopher Ricke · 03.09.2009
Im Mordfall Siegfried Buback von 1977 hat die Bundesanwaltschaft die Freigabe gesperrter Verfassungsschutzakten beantragt, um eine Tatbeteiligung der erneut festgenommenen Ex-RAF-Terroristin Verena Becker zu prüfen. Buback-Sohn Michael fühlt sich bestätigt.
Christopher Ricke: Herr Buback, kommen wir jetzt nach 32 Jahren der Aufklärung des Mordes an Ihrem Vater und seinen Begleitern ein Stückchen näher?

Michael Buback: Ich hoffe das. In jedem Fall bin ich sehr erleichtert, dass die Behörde – ich sage jetzt mal so – meines Vaters, dass sie nun jetzt, die auch zuständig ist für die Ermittlungen, dass sie nun jetzt auch eine Ansicht bezüglich der möglichen Täterschaft von Frau Becker hat, die ich nun schon seit über zwei Jahren habe und ich … das ist eine sehr wohlbegründete und auch in meinem Buch erläuterte, sehr starke Vermutung, dass sie tatbeteiligt war. Bislang bin ich da eigentlich mehr oder weniger auf taube Ohren gestoßen und insofern ist es für mich sehr beruhigend, dass es jetzt dort auch in der Bundesanwaltschaft Ansätze gibt, das so zu sehen, und ich würde es mir wünschen, dass es zu einem Prozess kommt, in dem zunächst der Tatbeitrag von Frau Becker geklärt wird und dann auch die volle Wahrheit herauskommt, nicht?. Denn dieser Albtraum, dass wir nun eine immer grö… sich vergrößernde Zahl von Tätern haben, wie das in den letzten zwei Jahren war, das ist einfach nicht mehr hinzunehmen, und ich denke, mein Vater und seine Begleiter verdienen es auch, dass ihr Mord aufgeklärt wird.

Ricke: Journalisten haben mit ehemaligen Verfassungsschützern gesprochen, es gibt die Vermutung, Becker habe Hinweise zur Festnahme von Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar gegeben, mit dem Verfassungsschutz kooperiert. Zudem habe sie Stefan Wisniewski als den Todesschützen beim Attentat auf Ihren Vater benannt. Wem kann man denn, aus Ihrer Sicht, glauben und vertrauen? Wem kann man wirklich zuschreiben, letztlich die Wahrheit zu sagen und herausfinden zu können?

Buback: Also es ist leider alles sehr verwirrend. Erst im Rahmen dieser Erkundungen, die meine Frau und ich durchgeführt haben, ist ja überhaupt herausgekommen, dass es von Frau Becker eine Aussage vor dem Verfassungsschutz gegeben hat, und Sie können sich vorstellen, wie entsetzt wir waren, dass eine dringend selbst Tatverdächtige gleichzeitig Informantin des Verfassungsschutzes war. Das ist ungeheuerlich. Es geht ja jetzt um diese Verfassungsschutzakte, in der Wisniewski, Stefan Wisniewski als Schütze bezeichnet wird, angeblich von Frau Becker. Es sind zwei wichtige Dinge mit dieser Aussage, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat ja in einem Behördenzeugnis vor etwa zwei Jahren das noch mal bestätigt, dass es also diese Angaben gibt: Sonnenberg sei Lenker gewesen, Wisniewski Schütze und Klar habe gewartet. Die Dinge, die hier besonders sind: 1982 erfuhr der Generalbundesanwalt Rebmann dies und zwar wurde ihm das vollständig, schriftlich und zeitnah übergeben. Unter diesen drei Namen, die mitgeteilt wurden – Sonnenberg, Wisniewski und Klar –, fehlte der von Folkerts. Dazu muss man wissen, dass zuvor, etwa zwei Jahre zuvor, Folkerts aber als Schütze angeklagt und als Mittäter, also einer von drei Männern – von denen zwei auf dem Motorrad saßen und einer in dem Fluchtauto wartete – auch verurteilt worden ist. Also: Dieser Name Folkerts, der einzige, der zu diesem Zeitpunkt verurteilt worden war, ist gar nicht mehr unter diesen dreien. Der zweite Punkt ist: Nachdem der Generalbundesanwalt diese Information bekommen hatte mit dem Namen Wisniewski, wurde gegen Wisniewski kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Fast noch schlimmer, zwei Jahre später wiederum, war das Verfahren gegen Klar und Mohnhaupt. Und meines Wissens wurde dort der Name Wisniewski gar nicht erwähnt, ich habe das auch in den Akten nicht gefunden, also man muss sich mal vorstellen: Es wird unter anderem wegen des Karlsruher Attentats ermittelt, es heißt dann, wenn man dem Urteilstext folgt, es waren drei Männer, aber eben nicht Wisniewski dabei, und die gleiche Behörde, die Anklage erhebt oder die Spitze dieser Behörde zumindest weiß, dass der Name Wisniewski genannt wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz, das sich das ja sicher genau überlegt hat und auch sehr sorgfältig diese Vernehmung durchgeführt hat. Also das ist eigentlich ungeheuerlich.

Ricke: Nährt das Zweifel am Rechtsstaat oder muss man so etwas verstehen, weil in besonders schwierigen Zeiten einfach auch besondere Wege gegangen werden müssen?

Buback: Na ja, es ging ja nun über viele Jahre und das, also, man versteht manchen Fehler in der unmittelbaren Hektik nach einer Tat, nicht nur ich, dass … Der Prozess Klar, Mohnhaupt, von dem ich gerade sprach, der war immerhin acht Jahre später zu Ende. Und da bin ich natürlich enttäuscht, wenn solche Fehler geschehen sind. Also, ich will mich jetzt hier nicht zu irgendeinem Richter aufspielen. Ich weiß, wie schwierig es war. Ich denke, ein Grund könnte sein, weil, dass sehr, sehr wenige Menschen etwas nicht Korrektes und nicht Nachvollziehbares gemacht haben, und dass wir alle ein Grundvertrauen haben, dass die Dinge doch von den zuständigen Stellen bestmöglich erledigt werden. Auch wir Bubacks, wir sind natürlich davon ausgegangen, die drei Männer, die uns genannt wurden, dass … das waren die Täter, genauer konnte man es nicht wissen. Wir haben dieses Urvertrauen gehabt und hätten uns nichts anderes vorstellen können, und ich denke, viele andere auch, in den Behörden sogar, in der Bundesanwaltschaft, im Bundeskriminalamt. Ich denke, dass da die weit überwiegende Zahl der Personen dort völlig korrekt und vorbildlich ihre Arbeit machen. Aber es deutet sich jetzt ein bisschen an, dass unter Umständen eben sehr, sehr Wenige dort einen Einfluss ausüben können, der ungünstig ist, sagen wir es mal so.

Ricke: Nun ist das Thema wieder in der Diskussion, die Bundesanwaltschaft hat die gesperrten Akten des Verfassungsschutzes beantragt, will noch einmal untersuchen. Ist das für Sie ein Zeitpunkt der Genugtuung?

Buback: Ach, Genugtuung, wissen Sie, ich bin so unter Druck, ich möchte einfach, dass diese Albtraumphase endlich abgeschlossen wird, nicht? Wir bitten ja eigentlich nur darum, dass die zuständigen Stellen endlich dieses Attentat und die Täter aufklären, dass diese unglaublichen Dinge, dass zum Beispiel Augenzeugen, vier unabhängige Augenzeugen, die eine Frau meinen auf dem Motorrad gesehen zu haben, dass die nun auch in einem Prozess zu Wort kommen können und dass sie diese Aussage vortragen können, und dass dann ein Ende und eine Klarheit ist. Ich bin der Meinung, das war kein sehr komplizierter, kein sehr komplizierter Mordfall, nicht? Der ist nur schwierig geworden durch Eingriffe, die unnötig waren.

Ricke: Werden Sie, Herr Buback, weiter recherchieren, weiter sozusagen auf eigene Faust ermitteln, oder ist alles jetzt bei der Bundesanwaltschaft gut aufgehoben?

Buback: Ich kann ja nicht ermitteln, also ich bin in diese Sache hineingekommen, weil Menschen mir Mitteilungen gemacht haben, die sie den Behörden nicht gemacht haben aus Gründen, die ich nicht kenne. Sie müssen sich so vorstellen, seit zwei, über zwei Jahren ist die gesamte, frei verfügbare Zeit, die ich habe und die meine Frau hat, also praktisch die gesamte Zeit, wird hier aufgeschluckt, aufgefressen von dieser Sache, nicht?. Wir haben auch noch andere Pläne im Leben, als uns mit dieser Sache zu befassen, das haben andere für uns zu tun. Und es wäre vermessen, wenn ich hier als Einzelner etwas tue, was über Jahrzehnte Sonderkommissionen mit Hunderten hochqualifizierter Beamter nicht geschafft haben. Das möchte ich nicht. Ich hoffe, dass die Zuständigen es jetzt schnell lösen.

Ricke: Vielen Dank, Michael Buback.

Buback: Bitte schön!