Sie ist gerichtet – ist gerettet

11.02.2012
Gounods "Faust" hat mit Goethes Tragödie erstem Teil zwar viel zu tun, folgt aber im Wesentlichen dem Boulevardstück von Michel Florentin Carré, aus dem Jules Paul Barbier das Libretto verfasst hat. Nicht ohne Grund hieß dann die deutsche Version "Margarethe" und wollte damit von vornherein die Assoziation mit dem deutschesten aller Stücke eher vergessen machen.
Faust ist hier ein Lustgreis, der sich mit den Defiziten des Alters nicht abfinden kann. Eher will er sich umbringen. Philosophie, Juristerei und Medizin interessieren ihn kaum. Und mit Theologie hat er schon gar nichts im Sinn. Das macht sich Méphistophélès zu nutze und schließt mit ihm einen Pakt: seine Seele gegen erneute Jugend. Eine Vision von der schönen Marguerite macht ihm die Entscheidung leichter. Mit einem entsprechenden Trunk wird er zum jungen Burschen.

Mit Zwanzig lernte Charles Gounod den "Faust" in der französischen Übersetzung von Gérard de Nerval kennen und war fasziniert. Als Musikdramatiker interessierte ihn natürlich vor allem die Liebesgeschichte zwischen Faust und Margarethe in Konfrontation mit dem Inbegriff des Bösen, Mephisto, was er in Carrés Boulevardstück besonders bühnenwirksam herausgearbeitet vorfand. Aber Gounod holte sich auch Anregungen aus Nervals Übersetzung, wie zum Beispiel die Walpurgisnacht, deren ausgedehnte Balletteinlage zu einer einzigen Orgie ausufert.

Vier Jahre nach der erfolgreichen Premiere am 19. März 1859 im Théâtre Lyrique Paris wurde das Stück bereits im Londoner Covent Garden gespielt und avancierte schnell zu einer der beliebtesten Opern im Repertoire des Hauses. Die brillante, nicht unumstrittene Inszenierung von David McVicar 2004 verlegt die Handlung der Oper nach Paris in die Zeit ihrer Entstehung.


Euroradio-Opernsaison 2011/12
Royal Opera House, London
Aufzeichnung vom 24.9.11

Charles Gounod
"Faust"
Oper in fünf Akten
Libretto: Jules Barbier / Michel Carré

Faust – Vittorio Grigolo, Tenor
Méphistophélès – René Pape, Bass
Margarethe – Angela Gheorghiu, Sopran
Valentin – Dmitri Hvorostovsky, Bariton
Wagner – Daniel Grice, Bariton
Siebel – Michèle Losier, Mezzosopran
Marthe – Carole Wilson, Mezzosopran
Royal Opera Chorus
Orchestra of the Royal Opera House
Leitung: Evelino Pidò

nach dem 3. Akt ca. 20:50 Uhr Pause mit Nachrichten