Sicherheitsrisiko private Wachdienste

Wenn Polizeiarbeit nicht mehr in staatlicher Hand ist

Mitarbeiter des privaten Wachschutzes Germania vor der Rütli-Schule in Berlin.
Mitarbeiter des privaten Wachschutzes Germania vor der Rütli-Schule in Berlin. © imago/Christian Schroth
Von Philipp Schnee · 18.07.2016
Die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum verwischen zunehmend: Die Sicherheit an Bahnhöfen, in Einkaufszentren oder Parks wird immer häufiger privaten Dienstleistern anvertraut. Deren Befugnisse stehen juristisch auf wackligen Füßen. Noch heikler ist es etwa an Flughäfen.
Sicherheitsdienstleister haben, abgesehen von wenigen Ausnahmen, keine Sonderrechte. Sie bewachen und kontrollieren auf Grundlage des Hausrechts und des sogenannten Jedermannsrechts. Beides nicht unproblematisch. Um den Zugang zu bestimmten Orten kontrollieren zu können, verwischen die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum immer mehr. Bahnhöfe, Einkaufszentren, Parks – rechtlich häufig inzwischen Privatgelände mit Hausrecht.
"Es kann nicht sein, dass Städte ganze Straßenzüge an Private verpachten, und die sich dann auf ihr Hausrecht berufen können und Polizei außen vor ist. So kann es nicht sein. Hat aber auch damit zu tun, dass Polizei an anderer Stelle immer weiter Aufgaben bekommen hat und deswegen in der Fläche oder in bestimmten Bereichen nicht mehr ansprechbar ist. Aus diesem Vakuum ist das Interesse entstanden, Sicherheit durch andere zu organisieren",
sagt Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Und verweisen Wachleute jemanden aus dem Bahnhof, dem Einkaufszentrum, halten sie einen Ladendieb fest, so tun sie das auf der Grundlage der Jedermannsrechte …
… "die eigentlich vorgesehen sind für den normalen überraschten Bürger, der in eine solche Situation hinein kommt. Das Sicherheitsgewerbe hat keine eigenen Befugnisse, hat genau die gleichen Rechte und Befugnisse wie Sie und ich auch und operiert dann auf Grundlage der Jedermannsrechte - nicht ganz umstritten, weil das Ausnahmerechte sind. Die Ausnahme wird hier zur Regel."
Ludger Stienen, ehemaliger Polizist, ehemaliger Leiter eines Sicherheitsdienstes einer kerntechnischen Anlage, heute Professor für Security and Safty Engeneering. Das Eingreifen von Security-Mitarbeitern steht also immer auf rechtlich wackeligen Füßen. Doch andrerseits: Was würde es bedeuten, wenn die Sicherheitsbranche eigene Rechte, spezielle Befugnisse bekommen würde:
"Ich glaube, dass private Sicherheitsdienstleister eben keine speziellen Befugnisse bekommen sollten, eben weil dann die Abgrenzung zu hoheitlichen Aufgaben und staatlichen Sicherheitsbehörden nur noch schwieriger wird. Und es wird dann auch zunehmend intransparenter für die Bürgerinnen und Bürger. Und jeder Bereich, wo das Jedermannrecht nicht mehr ausreicht, der sollte dann sowieso von staatlichen Sicherheitsbehörden und auch von Polizeivollzugsbeamten wahrgenommen werden",
sagt die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic, die selbst jahrelang im Polizeidienst tätig war.

Fehler, die nicht passieren dürfen

In einigen Sonderfällen gibt es aber eine besondere Gesetzgebung und weitreichendere Befugnisse für die Sicherheitsdienste: An den meisten Flughäfen etwa haben private Anbieter die Kontrolle von Passagieren und Gepäck übernommen. Die privaten Anbieter bekommen für dies Aufgabe Hoheitsrechte "beliehen". Sie führen hoheitliche Aufgaben wie die Durchsuchungen nach Waffen, nach Sprengstoff, Terrorabwehr letztlich, im Auftrag der Bundespolizei durch.
Die Beleihung aber ist ein heikles Thema: Die EU hat zuletzt immer wieder an deutschen Flughäfen Sicherheitsmängel festgestellt. Am Flughafen Köln/Bonn bemängelt die Gewerkschaft Verdi seit einem Jahr fehlendes Personal und dadurch fehlende Pausen bei den Fluggast-Kontrolleuren.
"Die Sicherheitskräfte sind ja dafür abgestellt, Terrorabwehr zu machen. Wenn man dann sich die Arbeitsbedingungen ansieht - wir reden hier von einem Bereich, da muss ich höchst konzentriert sein. Und wenn ich dann, wie am Flughafen Köln/Bonn jetzt, teilweise fünf bis sechs Stunden Fluggäste kontrollieren muss, ohne Pause zu haben, dann ist das schon ein Konzentrationsproblem. Und dann passieren auch Fehler, die nicht passieren dürfen in diesem Bereich."
Letztendlich ein Sicherheitsrisiko, so Özay Tarim von Verdi NRW. Die Bundespolizei räumt auf Nachfrage Personalengpässe beim privaten Dienstleister ein, verweist auf gestiegene Fluggastzahlen, die Pausenzeiten würden dennoch eingehalten. Die Sicherheitsbedenken werden zurückgewiesen. Die Verantwortung für festgestellte Mängel, so beschreibt es Özay Tarim aus seinen Gesprächen mit den Beteiligten, werde zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Dienstleistern hin und her geschoben. Die Qualifizierung der Sicherheitsdienstleister, sie ist die zweite Grundfrage.
"Wenn wir europaweit gucken, stellen wir fest, in Deutschland sind die Vorgaben mit am geringsten, was die Ausbildung angeht, aber auch, was ihre Sicherheitsüberprüfung angeht."

Nur 40 Stunden Unterricht

CDU-Wirtschaftspolitikerin Kristina Schröder. Was auf den ersten Blick überrascht: Der Zugang zur privaten Sicherheitsbranche ist in der Gewerbeordnung geregelt, wird im Bereich der Wirtschaftspolitik, nicht der Innenpolitik verantwortet. 80 Stunden Unterricht ohne Prüfung reichen derzeit um sich als Unternehmer selbständig zu machen, einfache Mitarbeiter müssen nur 40 Stunden bei der IHK "absitzen", so Kritiker.
"Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass wir sehr viele Unternehmen haben, die sehr niedrigpreisig anbieten, schlechte Leistung entsprechend anbieten, die wenige Anforderungen an die Mitarbeiter stellen, die wenig Fortbildung und Weiterqualifizierung ihren Mitarbeitern anbieten und daher viele schwarze Schafe im Laufe der Zeit eingestellt haben. Wir haben das im Rahmen der Entwicklung der Asylbewerberheime gesehen."
Mehrmals kam es zu Misshandlungen und Demütigungen durch mutmaßlich rechtsextreme Sicherheitsdienstmitarbeiter. Ein neuer Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass alle Mitarbeiter durch Polizei und Verfassungsschutz überprüft werden. Bemerkenswert dabei ist: Dem Branchenverband geht der Entwurf nicht weit genug. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft BDSW, Harald Olschok:
"Was der Staat macht, ist, dass er zu kurz greift. Er setzt an einem Element nur an, an der Frage der Zuverlässigkeit. Aber die Missstände sind nicht nur auf die Zuverlässigkeit zurückzuführen, häufig auch die Billigvergabe der öffentlichen Auftraggeber, und auch die Qualifizierung."
Die Anforderungen wurden im Gesetzentwurf nur minimal angehoben: Wer ein Unternehmen gründen will, muss eine sogenannte Sachkundeprüfung bei der Handelskammer ablegen, auch leitendes Personal bei Großveranstaltungen und in Flüchtlingsheimen soll sich prüfen lassen. Einfache Mitarbeiter müssen weiterhin nur 40 Stunden ohne abschließende Prüfung "absitzen", so die Kritik. Viel zu wenig, sagt die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic:
"Da muss mehr Sachkunde her, damit wir gute Ausbildungsstandards in diesem wichtigen Gewerbe gewährleisten können."
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