Shatner/Fisher: "Spock und ich"

Mein Freund, der Vulkanier

Leonard Nimoy als Vulkanier "Mr. Spock"
Der amerikanische Schauspieler und Regisseur Leonard Nimoy in der Rolle des Vulkaniers "Mr. Spock". © picture alliance / dpa / Foto: B3322_dpa-film
Von Andreas Baum · 11.11.2016
Der kanadische Schauspieler William Shatner - bekannt als Captain Kirk vom "Raumschiff Enterprise" - hat mit Hilfe seines Co-Autors David Fisher eine Liebeserklärung an Leonard Nimoy geschrieben. Nimoy ist besser bekannt als Spock, der gefühllose Vulkanier.
Der Skandal war so groß, dass Fernsehsender im reaktionären Süden sich weigerten die Star Trek-Folge auszustrahlen: Zum ersten Mal küssten sich im US-amerikanischen Fernsehen ein Weißer und eine Schwarze. Dass dies überhaupt möglich war, lag am Geschick des Drehbuchautors Gene Roddenberry, der die Handlung in bester Tradition von Thomas Morus und seiner Insel Utopia möglichst weit weg legte: Auf einen fremden Planeten im 23. Jahrhundert.
Zudem war die Besatzung im Bann eines Aliens, der sie mit Telekinese zu dem Unaussprechlichen zwang, was am irren Herumtanzen Mr. Spocks für jedermann zu erkennen war.
In Shatners Buch gehört diese Geschichte zu den vergnüglichen Passagen: Wie es Roddenberry gelang, progressive Inhalte an den sittenstrengen Filmbossen Hollywoods vorbei zu schmuggeln. Rassentrennung, Vietnamkrieg, sexuelle Befreiung, Kalter Krieg, soziale Fragen, die Gleichberechtigung der Geschlechter: Die eigentlichen Themen der US-amerikanischen Gesellschaft der Sechziger-Jahre wurden nach und nach in der späteren Kultserie abgearbeitet.

Liebeserklärung an Nimoy

Der kanadische Schauspieler William Shatner hat mit Hilfe seines Co-Autors David Fisher eine Liebeserklärung an Leonard Nimoy geschrieben, die jetzt im 51. Jahr der Serie und ein knappes Jahr nach Nimoys Tod erschienen ist.
William Shatner, vielen besser bekannt in seiner Rolle als Captain Kirk, erzählt darin sensibel und offen von dieser Männerfreundschaft, die mit einer Krise begann: Eifersucht der beiden Schauspieler am Set führte zu einem handfestem Krach, dadurch entstand aber auch eine enge Bindung zwischen den Männern, die in ihren Filmrollen zwar Gegensätze verkörperten, sich im Leben aber ähnlich waren.
Beide stammten aus jüdisch-orthodoxen Familien, wuchsen in Immigrantenvierteln nordamerikanischer Großstädte auf und kannten die Rolle des Außenseiters nur zu gut. Später bewährte sich die Freundschaft, als sie zu zweit gegen eine Welt von Feinden unter ihren Produzenten kämpfen mussten, ihre gescheiterten Ehen wirken als Kitt, langsam lernen sie die hohe Kunst, füreinander da zu sein, ohne sich in die Leben des anderen einzumischen.
Am Ende trauert William Shatner offen um den toten Freund.

Im goldenen Zeitalter, ohne es zu merken

"Wir waren im goldenen Zeitalter des amerikanischen Fernsehen, ohne es zu merken" – das Buch ist auch dies: Ein Blick in die Film- und Fernsehgeschichte der Fünfziger- und Sechziger-Jahre, als sich Shatner und Nimoy anfangs als Nebendarsteller und Filmleichen durchschlagen mussten.
Lange bevor Trash Kult wurde, dienten die ausgedienten Kulissen von Western- und Ritterfilmen als Hintergrund für die Drehs der notorisch klammen Star Trek-Serie – sie wurden kurzerhand zu fremden Planeten erklärt.
"Boxen und Fallen wie ein Cowboy waren meine Stärken", schreibt Shatner, Nimoy dagegen war ein ernst zu nehmender Schauspieler, ein Intellektueller und politischer Aktivist.
"Spock und ich" ist auch das späte Eingeständnis William Shatners, dass er zwar auf der Brücke der Enterprise die Nummer eins war, im Leben aber im Schatten des großen Leonard Nimoy stand.

William Shatner/David Fisher: Spock und ich – mein Freund Leonard Nimoy
Übersetzt von Johanna Wais
Heyne Verlag, München 2016
304 Seiten, 19,99 Euro

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