Seznam

Tschechische Suchmaschine schlägt Google

Ein Blick auf die tschechische Webseite Seznam
Ein Blick auf die tschechische Webseite Seznam © imago / CTK Photo / Josef Horazny
Von Stefan Heinlein, Prag · 16.04.2015
In ganz Europa hat Google beim Markt der Suchmaschinen die Nase vorn, außer in Tschechien: Dort bietet der lokale Anbieter Seznam dem Internetriesen Paroli – und will seine Dienste jetzt auf die Nachbarländer Deutschland und Österreich ausweiten.
Was ist der schönste Weg zum Badesee, wo gibt es das beste Schnitzel und das billigste Bier? Mapy.cz – der Kartendienst von Seznam kennt die Antworten auf alle Fragen. Die lokale Suchmaschine weiß, was den Tschechen wirklich am Herzen liegt und wird deshalb auch von der Studentin Petra geliebt:
"Dort suche ich alle Informationen – egal ob beruflich oder privat. Seznam kommt aus Tschechien und ist deshalb einfach besser als zum Beispiel Google."
Mindestens jeder zweite Tscheche teilt diese Meinung. Für sie ist Seznam die Nummer Eins der Suchmaschinen. Damit ist das kleine EU-Land die einzige Nation mit lateinischen Buchstaben, in dem Google nicht die Nase vorn hat. Seznam-Direktor Pavel Zima ist stolz auf sein Erfolgsrezept:
"Wir konzentrieren uns vollkommen auf den tschechischen Markt. Google denkt global, wir arbeiten lokal. Jedes Angebot ist vollkommen auf die heimischen Nutzer zugeschnitten. Wir kennen seine Vorlieben und Wünsche und sind in der Lage sie zu erfüllen."
Heimat der Tschechen im Internet
Als Mitte der 90er-Jahre Google in den USA seine Suchmaschine entwickelt, sind die Tschechen ebenfalls schon am Start. Im Schlafzimmer seiner Eltern tüftelt der IT-Student Ivo Lukacovic gemeinsam mit einigen Freunden an seinen Ideen. Rasch nach der Firmengründung 1996 kommt der Erfolg. Seznam wird für die Tschechen zur Heimat im Internet. Darin hat sich bis heute kaum etwas geändert, so Direktor Pavel Zima:
"Wir Tschechen sind nicht unbedingt Patrioten, aber sehr konservativ. Wenn etwas funktioniert, brauchen wir keine Alternative. Wer uns benutzt hat meist keine Lust etwas anderes zu testen. Das ist ein Grund für unseren dauerhaften Erfolg."
Eingang zum Büro des Suchmaschinenportals Seznam.
Eingang zum Büro des Suchmaschinenportals Seznam.© Deutschlandradio / Kilian Kirchgessner
Über 1000 Mitarbeiter beschäftigt Seznam in seiner Prager Zentrale und den zahlreichen Regionalbüros. Mit einem Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro ist das Unternehmen im Vergleich zu Google zwar ein Zwerg, doch Branchenexperten wie der IT-Journalist David Cizek malen die Zukunft von Seznam in leuchtenden Farben:
"Seznam schafft es immer wieder Verluste durch kreative Ideen und neue Dienste auszugleichen. Dort sind sie einfach besser als die Konkurrenz, Wenn dies weiter gelingt, braucht man um sich um die Zukunft keine Sorgen machen."
Streaming-Portal mit eigenen Serien
Nachrichten in Echtzeit, ein Marktplatz für Autos und Wohnungen und neuerdings ein Streaming-Portal mit eigenen Serien lassen Seznam in Tschechien weiter wachsen. Sorgen bereitet Direktor Pavel Zima allerdings die steigende Dominanz von Google bei den Smartphones. Dort sei das Angebot des US-Rivalen meist voreingestellt und der Gebrauch der Seznam-App kaum möglich. Doch von der Konkurrenz mit Google profitiere letztendlich der Verbraucher. Jeder verdopple seine Anstrengungen um immer besser zu werden.
"Der tschechische Markt ist weitgehend besetzt. Jede Firma muss aber wachsen oder sie stirbt einen langsamen Tod. Wir planen deshalb die Expansion ins Ausland."
Im Blick hat Seznam vor allem den deutschsprachigen Raum. Die beiden Nachbarländer Deutschland und Österreich sollen als Nächstes von der Google-Herrschaft befreit werden.
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