Sepp Blatter

Ikone prä-geriatrischer Unbescholtenheit

FIFA-Präsident Sepp Blatter am 29. Mai 2015 in Zürich
Die Welt ist ihm nicht genug: FIFA-Präsident Sepp Blatter am 29. Mai 2015 in Zürich © dpa / picture alliance / Walter Bieri
Von Arno Orzessek · 31.05.2015
Ein Lobgesang auf den großen FIFA-Präsidenten Sepp Blatter am Beginn seiner fünften Amtszeit: Der Schweizer ist ein prophetisches Genie, spiritueller Führer und planeta­ri­scher Heils­bringer.
Am schönsten auf den Begriff gebracht hat es mal wieder der Beckenbauer Franz, unsere steuerflüchtige Take-it-easy-Koryphäe aus Kitzbühl.
Franz nannte die waltenden Zustände bei der Fifa "Unebenheiten"...
Und das trifft exakt in dem Sinne zu, indem auch das Matterhorn, in dessen Nähe Sepp Blatter einst zur Welt kam, eine alpine Unebenheit ist.
Nur nölige Kleingeister legen ja an Blatter, diese Ikone prä-geriatrischer Unbescholtenheit, rein menschliche Maßstäbe an.
Der linientreue Ziehsohn des sauberen Vorgängers João Havelange hält die Fifa für "einflussreicher als jedes Land der Erde und jede Religion"...
Und insofern das stimmt, spielen weder der Papst noch popelige Staatenlenker in der Blatter-Liga. Der FIFA-Präsident ist eins drüber.
Und deshalb muss man Blatters dreisten Kritikern eines vorwerfen:
Dass sie mit ihm umspringen wie mit irgendeinem machtbesessen-irrlichternden Mafiosi in Funktionärs-Anzug, obwohl er doch als spiritueller Führer und planetarischer Heilsbringer anzusprechen wäre.
Wobei, was heißt hier 'planetarisch'?
Zwar ist Blatter der Liebling aller almosenbedürftigen Komoren-haften Klein- und Kleinstverbände im Weltfußball, doch für ihn gilt: Die Welt ist nicht genug.
Ein Hirn wie seines erwägt, dass künftig auch auf anderen Planeten gekickt werden könnte. Merke mit Blatter: "Wir hätten dann nicht nur eine Weltmeisterschaft, sondern interplanetare Wettbewerbe."
Superstar Neymar schießt die Erdlinge in der Galaxy-Arena auf dem Mars zum Endspiel-Sieg gegen Neptun und Blatter vergibt die folgende Universum-Meisterschaft direkt an die Sonne... Katar ging damals ja auch:
Bitte schön! Das sind die Dimensionen, die das prophetische Genie Blatter dem gemeinen irdischen Sportsfreund erschließt.
Aber Blatter denkt nicht nur weiter ins All hinaus als der Weltgeist-Philosoph Hegel nach vier Flaschen Rotwein. Nein, er hat auch überragende diesseitige Vorzüge:
Sein Geschäfts-Ethos hat die Fifa reicher gemacht als viele Weltkonzerne. Seine Standfestigkeit bei verleumderischen Nachfragen stellt selbst den tapferen Radler Lance Armstrong in den Schatten. Im Gegensatz zum grummelnden Formel-1-Impressario Bernie Ecclestone zeigt Blatter, dass man als Egomane auch in der Ü-78-Klasse das Stilmittel schmelzender Leutseligkeit einsetzen kann.
Und wie er den piefigen Verwaltern der politischen Korrektheit, die immer noch faseln, Fußball sei ein Sport und kein durch und durch schmieriges Geschäft, unentwegt den Götz von Berlichingen macht − wow!
Dazu diese guruhaft sonore Stimme, dieser Augenaufschlag der Unschuld, diese kecke Alters-Sinnlichkeit...
... die ihn dazu bewegte, den Fußballfrauen auf dem Spielfeld kürzere und engere − falls überhaupt noch − Hosen anzuempfehlen. Warum eigentlich wurde diese mannhafte Idee so leichtfertig verworfen?
Sogar gynäkologisch-anthroposophisch weiß sich Blatter auszuzeichnen. Sein Hinweis, dass Ungeborene im Mutterleib nicht mit den Händen, sondern mit den Füße strampeln − ach was, strampeln, Blatter sagte: "kicken" −, sollte unser Menschenbild endlich korrigieren: Wir werden nicht erst zum Fußball geboren, wir werden bereits zum Fußball gezeugt.
Es stimmt einfach nicht, dass der Weltfußball die Blattern hat. Blatter hat den Weltfußball... noch für eine ganze Amtszeit. Amen.
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