Seltsam laue Prosa

Rezensiert von Michael Opitz · 13.07.2005
Silke Scheuermann ist bislang vor allem als Lyrikerin aufgefallen. Jetzt legt sie ihr Prosadebüt vor, das bei weitem nicht so überzeugend ist wie ihre Gedichtbände. Ihr Ausflug in die Prosa ist seltsam lau und geradzu unerheblich. Auch die Protagonisten in ihren Geschichten erwarten nichts Besonderes.
Silke Scheuermann hat bisher mit zwei Lyrikbänden auf sich aufmerksam gemacht und mit ihrem Debüt Der Tag an dem die Möwen zweistimmig singen (2001) für Aufsehen gesorgt, denn da meldete sich aus der Generation der um 1970 Geborenen ganz unverkennbar ein Talent zu Wort. Mit Der zärtlichste Punkt im All (2004) bestätigte sie die hohen Erwartungen, mit denen ihrem zweiten Buch entgegengesehen wurde.

Während in dem ersten Band auffallend häufig auf das Kältemotiv zurückgegriffen wird, gilt im zweiten Band die Aufmerksamkeit den Händen, die sich in die Welt vortasten und Fühlung aufnehmen, aber auch dem Körper, den man bei gelegentlichen Abenteuern verlieren kann und überrascht ist, wenn man ihn relativ unvermutet bei einer nächsten Begegnung zurückbekommt.

Während es der Autorin in ihren Gedichten beeindruckend gelingt, eine Spannung zwischen den ungeschützten Körpern und der Sehnsucht nach dem unbegrenzten All aufzubauen, das sich als großes Versprechen darbietet, aber den Eroberungsdrang ob der ungewohnten Endlosigkeit auch wieder bremst, bleiben die Ausflüge in die Prosa seltsam lau und geradezu unerheblich.

Das könnte Programm sein, denn in den sieben Geschichten von Reiche Mädchen ereignen sich die immergleichen Kammerspiele. Ob Franziska in "Krieg und Frieden" oder Lisa in "Lisa und der himmlische Körper", die Autorin öffnet die von ihren Figuren bewohnten Wohnhöhlen nur für einen Spalt, damit ausreichend Licht hineinfallen kann, um die eigentümlich in ihren Zimmern Festsitzenden genau ausleuchten zu können.

Ansonsten ist was draußen passiert kaum wichtig, weshalb die meisten Gespräche um Beziehungen kreisen, solche, die vergangen oder im Begriff sind, zu vergehen. Trotz körperlicher Fitness hängen die um die Dreißigjährigen in ihrem Leben fest – ohne dass sich noch Entscheidendes bewegen würde. Stolz wird in "Vampire" eine Kiste von Fotos hervorgeholt – alles klingt nach: Das war mein Leben, Bemerkenswertes ist zukünftig nicht zu erwarten.

Selbst die mit ein wenig Sex drapierten Szenerien sind von der gleichen Überraschungsintensität wie das Fernsehprogramm – man lässt über sich ergehen, was geboten wird, ist in Gedanken aber ganz woanders.

Während in dem letzten Gedichtband von Silke Scheuermann noch die "blaue Murmel" als zärtlichster Punkt im All mit einer unerfüllten Sehnsucht ausgestattet wird, reduziert sich in Geschichten wie "Die Übergabe" oder "Vampire" das Sehnsuchtsverlangen auf einen Mantel, in den man sich hüllen kann, und der befindet sich, zum Glück, in sicherer Reichweite.

Silke Scheuermann: Reiche Mädchen
Schöffling & Co. Frankfurt am Main 2005.
163 Seiten. 17,50 Euro.