Selbstironischer Blick auf Brasilien

Von Elisabeth Nehring · 13.09.2008
So viel schöne Widersprüchlichkeit wie im Titel gibt es bei der neuen Tanzproduktion der Choreographin Constanza Macras auf der Bühne nicht zu entdecken. In "Trostloses Paradies" geht es um die alltäglichen Probleme der Mittelklasse in der brasilianischen Stadt Sao Paulo: Schönheitswahn, den richtigen Job, die steigenden Spritpreise. Dass Macras diesmal mit Darstellern aus Brasilien arbeitet, bekommt der Authentizität der Produktion gut.
"Trostloses Paradies" - so viel schöne Widersprüchlichkeit wie im Titel gibt es auf der Bühne nicht zu entdecken. Die jüngste Tanzproduktion der argentinischen Choreographin Constanza Macras bietet - im gewohnten Stilmix aus Tanz, Live-Music, Video sowie kurzen Spiel- und Showeinlagen - weder Trostloses noch Paradiesisches, sondern einen (selbst-)ironischen Blick auf das alltägliche Leben in der brasilianischen Stadt Sao Paulo.

Die brasilianischen Tänzer und Schauspieler arbeiten sich an den Problemen der Mittelklasse ihres Landes ab: Schönheitswahn und Körperfixierung, Stau und steigende Spritpreise, den falschen Job und die Angst, ihn zu verlieren. Kein Klischee-Brasilien wird hier gezeigt, weder karnevalistische Touristen-Bilder noch die Armut der Slums und Favelas, stattdessen verschiedene Aspekte des Alltags der Durchschnittsbrasilianer: Imitationen von TV-Werbeshows, Lamenti über die Unterdrückung der Frau - nicht durch männliche Gewalt, sondern durch Cellulitis, sexuelle Verführungen und liebeskranke Einsamkeiten.

Dass Constanza Macras hier einmal nicht mit ihrer eigenen Kompanie "Dorky Park" gearbeitet hat, sondern mit Tänzern und Schauspielern aus Brasilien, bekommt der Produktion gut - deutlich ist die Identifikation der Darsteller mit ihren Themen zu spüren.

Doch das, was die ersten Produktionen der argentinischen Choreographin ausgemacht hat und man inzwischen schon länger vermisst, fehlt auch hier wieder: die unmerklichen, fast eleganten Übergänge von einer Szene in die nächste, die Unangestrengtheit, mit der sie Trash und Ironie sowie eine gewisse Ernsthaftigkeit miteinander verband und vor allem jene Dynamik, die keine Längen aufkommen ließ und sowohl Darsteller als auch Zuschauern keine Atempause gönnte.