Selbstironische Lokalpatrioten

Wenn Kanadier ihr Land besingen

Der kanadische Rockmusiker Neil Young bei einem Konzert im Juli 2014 in London
Den kanadischen Rockmusiker Neil Young stören Verschwörungstheorien bei Spotify. © dpa / Will Oliver
Von Jutta Petermann · 01.07.2016
Die Kanadier sind nicht so offenherzig patriotisch wie ihre südlichen Nachbarn aus den USA. Trotzdem: Im hohen Norden des amerikanischen Kontinents wird heute der Kanada-Tag begangen. Anlass zu schauen, wie Musiker dort ihr Land besingen.
Um es gleich vorweg zu nehmen, die kanadischen Musiker und Musikerinnen tun sich etwas schwer mit lupenreinem Patriotismus. Und die Provinzhauptstadt Manitobas trifft es besonders hart. Nicht nur die sehr populäre Rockband The Weakerthans pflegt eine verschiedentlich besungene Hassliebe zu Winnipeg. In einem Song wollen sie sogar das Rathaus Winnipegs in die Luft sprengen. Auch der Elektromusiker Venetian Snare nutzt jede Gelegenheit für Songtitel, in denen seine Geburtsstadt in Zusammenhang gebracht wird mit Kraftausdrücken. Winnipeg is a frozen shithole ist nur einer davon.
Und dennoch die Kanadier sind ähnlich wie die Deutschen, man denke an die vielen Berlin- und Hamburgsongs oder den Überhit "Bochum" von Grönemeyer, leidenschaftliche musikalische Lokalpatrioten. Die Montrealer Band Malajube besingt hier gerade den Winter in der ostkanadischen Metropole, dort sei es sogar so kalt, dass Eisbären im Bus mitfahren. Unzählige Titel gibt es für jede etwas größere Stadt, in denen Straßen, Lokale, natürlich die jeweilige Eishockeymannschaften oder einfach das Überwältigende der Natur und die Freundlichkeit der dort lebenden Menschen gepriesen werden. Allein Rapper Drake erwähnt seine Heimatstadt Toronto in mindestens elf Titeln, wobei er meistens den von ihm erfundenen Spitznamen für Toronto verwendet
Aber Kanada als Nation, für die man glüht oder an der man verzweifelt, wird selten erwähnt. Ausgerechnet die bekanntesten Exil-Kanadier beziehen sich auf das große Land als Ganzes.
Joni Mitchell singt in ihrem Song "A case of you" davon, wie sie das Gesicht ihres verflossenen Geliebten zweimal in die Landkarte Kanadas zeichnet - eine doppelte, sich überlagernde Sehnsuchts- und Liebeserklärung. Neil Young träumt sich zurück an einen Ort seiner Kindheit, an den er immer noch gerne reist in seiner Fantasie – Kanada ist für Young ein gedanklicher Rückzugsort.

Kluft zwischen Francophonen und Anglophonen

Vielleicht wirkt die englisch-französische Zweisprachigkeit als Patriotismusbremse? Zwischen den Anglophonen und den Francophonen herrscht eine kulturelle Kluft, die ein allumfassendes Wir-Gefühl für Kanadier fast unmöglich macht. Sie verstehen die Chansons oder Songs der anderen ja meist gar nicht. Wie zum Beispiel diese Liebeserklärung an die Region l’ile d‘Orleans in Quebec, die der Autor Felix Leclerc berühmt gemacht hat, hier als Hommage besungen von der Montrealer Band, Karkwa.
Nur Singer Songwriter Gordon Lightfood hat eine Geburtssaga der kanadischen Nation vertont mit seiner Canadien Railroad Trilogy, in der er erinnert an die Zeit, als aus aller Welt die Menschen in das schöne und anständige Land zwischen den Ozeanen strömten und hoffnungsvoll zu den Werkzeugen griffen die Eisenbahn und nebenbei die Nation aufbauten.
Auffallend ist, dass es immer wieder Songs gibt, in denen Kanada und kanadisches Lebensgefühl regelrecht karikiert wird. Die Band The Arrogant Worms aus Kingston in Ontario, also die arroganten Würmer ist spezialisiert darauf, Kanada durch den Kakao zu ziehen. Im Song "Kanada is really big" wiegen sie sehr ironisch das marginale Gewicht Kanadas in der Weltpolitik mit der enormen geografischen Größe auf und sie fragen was eigentlich wäre, wenn Kanada die Weltherrschaft hätte – ganz einfach in Afrika würde Curling gespielt und in Australien gäbe es Winter.
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