Sein und Schein

Von Hannelore Heider · 12.10.2011
Kunstexpertin trifft Autor auf Lesereise - die beiden verlieben sich. Doch so einfach ist das nicht in Abbas Kiarostamis Film "Liebesfälscher". Während im Buch des Autors die Frage nach Kunst und Fälschung erörtert wird, verwischt die Grenze in der aufkeimenden Beziehung.
Eine wie immer leidenschaftliche Juliette Binoche, die Schönheit der Toskana, und ein Mann an ihrer Seite, den man noch nie im Kino gesehen hat: Der mit elegantem Understatement spielende William Shimell ist einer der bekanntesten Opernbaritone Großbritanniens.

In seinem neuen Film erzählt der iranische Regiealtmeister in langen ruhigen Einstellungen und doch mit einem Paar in ständiger Bewegung über die Liebe. Weil nichts so wandelbar ist und nirgendwo Gewissheiten so rar sind wie in der Liebe, schickt Abbas Kiarostami sein Paar nach der ersten Begegnung auf einer Lesung, wo der James Miller (William Shimell) sein Buch über Original und Kopie in der Kunst vorstellt, auf einen Ausflug in die mit Kunst getränkte Umgebung von Luciagno.

Ein langer Tag mit langen Gesprächen, die im philosophischen Diskurs für den Zuschauer ebenso reizvoll sind wie zwei reife Menschen zu beobachten, die sich anschicken ein Liebespaar zu werden. Dabei fordert die schöne Kunstexpertin Elle (Juliette Binoche) den ein bisschen ironisch und cool agierenden Mann immer wieder heraus. Bis ein Ereignis den Flirt der beiden in ein ganz neues Licht rückt. Die Wirtin eines Restaurants hält sie für ein Ehepaar und ist sich ihrer Sache sicher. Elle nimmt den Faden auf und zieht den Mann in ein Spiel, auf das er sich, für den Zuschauer überraschend, einlässt.

Die Gespräche über den Wert von Original und Fälschung in der Kunst und viel schwieriger noch über die Kriterien der Bewertung, für die es dem Autor nach weder Fixpunkte noch feststehende Wahrheiten gibt, wird zur Frage an den Zuschauer - sehen wir hier das Original oder die Fälschung, ein werdendes Paar, das im folgenden die Schwierigkeiten einer langen Ehe klug und spielerisch imaginiert oder ein vergehendes, das mit vorsätzlich neuem Fremdsein Mauern einreißen will, hinter denen es sich längst verschanzt hat?

Listig füttert Abbas Kiarostami die Verunsicherung des Zuschauers an mit Erinnerungen, Begegnungen und am Ende sogar einem Besuch in dem Hotel, in dem der Frau nach die beiden vor Jahren geheiratet haben. Die Vertracktheit und Hintergründigkeit der Handlungskonstruktion aber wird in raffinierter Einfachheit präsentiert, die Konflikte der erlebten oder nur vorgestellten Ehejahre sind dabei ganz handfest und letztlich wird dem Zuschauer sogar eine Gewissheit mit auf den Weg gegeben, dass in Liebesdingen die einfachste Geste mehr bewirken kann als jede Diskussion.
Frankreich, Italien, Belgien 2010. Originaltitel: Copie conforme. Regie: Abbas Kiarostami. Darsteller: Juliette Binoche, William Shimell, Jean-Claude Carrière, Agathe Natanson. Ohne Altersbeschränkung. 106 Minuten.

Filmhomepage "Die Liebesfälscher"