"Sehr teure Persönlichkeiten im geschlossenen Rahmen"

Oliver Kaiser im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 09.11.2012
Talkrunden mit bezahlten Rednern seien nicht per se verwerflich, meint Oliver Kaiser, Präsident des Fachverbandes für Sponsoring und Sonderwerbeformen. Die Frage sei nur, ob "Lerneffekte" auch bei den Bürgern "wirklich multipliziert" würden.
Jörg Degenhardt: Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will das Honorar von 25.000 Euro spenden, das er für seinen Vortrag bei den Stadtwerken Bochum bekommen hatte. Zur Begründung ließ Steinbrück mitteilen, es sei im Vorfeld der Vereinbarungen für seinen Rednerauftritt vor den Stadtwerken Bochum von einer Spende nie die Rede gewesen. Dies sei auch durch eine entsprechende Unterlassungserklärung klargestellt worden. Dennoch müsse er anerkennen, dass es in der Auseinandersetzung auch "eine andere Wahrnehmung als bei mir" gegeben habe. Er hoffe jetzt, durch die Spende ein Zeichen für ein gütliches Ende gesetzt zu haben.

Für uns ist die Sache noch nicht zu Ende. Wir wollen uns mit dem Sponsoring kommunaler Unternehmen beschäftigen, und wir wollen das tun mit dem Präsidenten des Fachverbandes für Sponsoring und Sonderwerbeformen e.V., kurz "FASPO", mit Oliver Kaiser. Guten Morgen, Herr Kaiser.

Oliver Kaiser: Guten Morgen, hallo.

Degenhardt: Sponsoring ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen mit dem Ziel der Absatzförderung. Gilt das auch für kommunale Unternehmen?

Kaiser: Ja, auf jeden Fall gilt das auch für kommunale Unternehmen, denn Sponsoring ist ja ein Wirkungsprozess, der auf Image-Transfer aufbaut. Das heißt, es muss für die Menschen, die das sehen oder die das spüren, als positiv empfunden werden, es muss sinnstiftend sein. Es muss sich etwas übertragen von dem Umfeld, das ich finanziere, auf mein eigenes Handeln. Deshalb finden Sie oft Unternehmen, die in öffentlicher Hand sind oder die öffentliche Stakeholder haben oder Interessensgruppen, ob das jetzt die Bahn ist oder ENBW, oder selbst auch die Telekom ist einer der größten Sponsoren dieses Landes.

Degenhardt: Das heißt, das was die Stadtwerke in Bochum da praktiziert haben, auch mit anderen bekannten Persönlichkeiten, das ist völlig okay?

Kaiser: Ich würde mal sagen, es ist zunächst mal nichts Verwerfliches daran, Talk-Runden zu machen und seine Redner zu bezahlen. Das mit Sponsoring in Zusammenhang zu bringen, ist vielleicht ein wenig weit hergeholt, denn Sponsoring hat ja den Zweck der Image-Wirkung, und im Fall der Stadtwerke Bochum ging es ja, glaube ich, auch sogar um eine geschlossene Veranstaltung, also nicht etwas, was dann wirklich nach außen dringt. Die Kommunikation darum herum hilft den Bürgern auch nicht wirklich viel, weil eventuelle Lerneffekte, die aus diesen Talk-Runden kommen könnten, auch nicht wirklich multipliziert werden. Also ist die Frage: Ist die Begrifflichkeit Sponsoring da überhaupt die richtige und ist das nicht eher wirklich eine Finanzierung von sehr teuren Persönlichkeiten im geschlossenen Rahmen.

Degenhardt: Es ist ja nicht nur Peer Steinbrück dort aufgetreten, auch mehr oder weniger bekannte Fußball-Trainer oder -Manager. Das heißt, in diesem konkreten Fall ist nicht eindeutig zu erkennen, wo die Gegenleistung wäre?

Kaiser: Na ja, es ist ein Honorar für einen Auftritt, das ist gang und gäbe. Da gibt es viele Politikeragenturen und Berater, die solche Sachen vermitteln. Das ist auch Praxis und Alltag. Die Frage, glaube ich, die da etwas offen ist, ist: Ist das ein Sponsoring-Konzept, das man legitim verargumentieren kann, oder ist es einfach nur eine Veranstaltungsreihe von einer hochverschuldeten Stadt, die sehr viel Geld für Menschen bezahlt, dort aufzutreten.

Degenhardt: Sie sagen, sehr viel Geld. Gibt es eigentlich grundsätzlich Grenzen, was die Mittel angeht, die man für Sponsoring einsetzt? Vermutlich eher nicht.

Kaiser: Nein. Das hat was mit dem ganz konkreten Fall zu tun. Wenn Sie einen tollen Sportler haben wollen, kostet der mehr als jeder andere. Da gibt es keine Richtlinien. Wobei: es gibt innerhalb der einzelnen Vorgänge schon Richtlinien. Wenn Sie sich die Sponsoring-Struktur von einem Fußball-Profi anschauen in Deutschland, und einer ist plötzlich bereit, dafür das Dreifache zu bezahlen, was normal sonst für einen Werbespot oder für ein Sponsoring vertragsüblich wäre, dann fragt man sich schon: Ist das ein Ausnahmefall oder warum passiert das so?

Sie müssen sich ja vorstellen, dass hinter diesen Sponsoring-Prozessen natürlich auch Agenturen sind, und oft liegt es an Provisionszahlungen. Je mehr ich herausholen kann, desto mehr Provision bekomme ich. Ich kenne diesen konkreten Fall nicht, aber die Sponsoring-Praxis oder die Ökonomie unserer Industrie liegt auch daran getrieben, dass Vermittler davon profitieren, dass viel mehr bezahlt wird, als vielleicht der Alltag notwendig macht.

Degenhardt: Jetzt mal weg vom konkreten Fall in Bochum. Wie vermeidet man beim Sponsoring in der Kommunalwirtschaft, wenn noch Geld für den örtlichen Fußballverein fließt, zum Beispiel den Eindruck von Filz? Da gibt es ja immer sehr schnell Vorwürfe gegen eine Sache, die an sich vom Ansatz her doch gar nicht schlecht ist.

Kaiser: Die ist sehr gut. Auch die öffentliche Hand hat ja gerade mit dem Thema Sport ein sehr wichtiges Betätigungs- und Aktivierungsfeld, das zwangsläufig natürlich auch aus Verantwortung der öffentlichen Hand oder der Politik für die Gesellschaft arbeitet. Der DOSB oder jede Art von Organisation bis hin zur Lottofinanzierung spielen da eine Rolle und der Sport und die Umfelder brauchen auch diese Fördergelder. Die Politik mit ihrem System ist auch der größte Förderer des Sports selbst, also mit ihren Bezuschussungen. Da kommen normale lokale Sponsoren nicht mit oder Eintrittspreise. Insofern ist das ein wichtiger Bestandteil.

Aber Stichwort Compliance und Corporate Governance: Gerade Unternehmen, die in der öffentlichen Hand sind oder nahe der öffentlichen Hand agieren, teilweise auch über Monopole sehr hohe Gewinne erwirtschaften, haben einen sehr hohen Kodex eigentlich zu verfolgen und sollten das und tun das eigentlich auch häufig in der Regel. Dass es da immer wieder Ausrutscher gibt, ist zu sehen.

Degenhardt: Ich vermisse das Wort Transparenz jetzt noch bei Ihnen.

Kaiser: Ja klar. Transparenz heißt in dem Fall, dass die Werte, die sich eine Organisation auferlegt, oft im Alltag nicht eingehalten werden, weil gesagt wird, das wird schon, das passt schon irgendwie. Und genau da ist ein ganz interessantes Umdenken im Sponsoring selbst, denn die Verbraucher auf der Straße, die nicht nachvollziehen können, wie ihre Stadt Schulden macht und dann so hohe Honorare bezahlt, ohne dass der Bürger davon wirklich was hat, fragen sich genauso wie bei Sponsoren: Warum sponserst du das? Das geht so weit, dass es eine Diskussion gibt bei nehmen Sie Daimler-Benz oder Mercedes-Benz, ob sie und wie sie in der Formel Eins bleiben, wenn Herr Ecclestone einen Bribery Act hat, also einen Bestechungsvorgang hat.

Degenhardt: Das geht jetzt sehr ins Detail.

Kaiser: Das geht sehr weit, weil Sponsoring auf Leistung und Gegenleistung beruht, aber der Wirkungsprozess soll ja glaubwürdig sein, sympathisch sein. Und wenn dahinter Filz oder Korruption oder Bestechung ist, kippt das ganz, ganz schnell ins Negative.

Degenhardt: Das war Oliver Kaiser, er ist der Präsident des Fachverbandes für Sponsoring und Sonderwerbeformen. Vielen Dank für das Gespräch.

Kaiser: Danke.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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