Sehnsuchtsvolle Erinnerung an die alte Bundesrepublik

Von Ludger Fittkau · 20.03.2011
Im beschaulichen Unkel am Rhein, vor den Toren Bonns, hatte Willy Brandt einst seinen Wohnsitz. Nun widmet die Stadt dem früheren Kanzler und SPD-Politiker eine professionell gemachte Dauerausstellung.
Inmitten von Touch-Screens, Hörstationen und Vitrinen mit der Friedensnobelpreis-Urkunde sowie anderen Reliquien aus der politischen Geschichte Willy Brandts steht ein abgeschabter, grünlichen Klappsessel. Es ist mehr als ein Möbelstück: Es ist ein Alltagsgruß aus der politischen Frühgeschichte Westdeutschlands, ein Fundstück aus der Bonner Republik, die an vielen Punkten deutlich bescheidener und karger daherkam als die Szenerie im Berliner Regierungsviertel heute. Bei seinem Fototermin mit dem ehemaligen spanischen Regierungschef Felipè Gonzalez und dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck bleibt der heutige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel vor dem alten Bundestagsmöbel stehen, der einst seinem Vorgänger Willy Brandt gehörte:

"Ich habe auf einem solchen Stuhl noch gesessen, auf der letzten Sitzung des Bundesrates in Bonn. Das war nämlich im Raum des parlamentarischen Rates, wo die Bundesrepublik gegründet wurde. Da hatten wir noch diese Sitze hier. Aber das ist ja Willys eigener…"

Ein bisschen Polit-Nostalgie darf es also schon sein, im heute eingeweihten Willy Brandt-Forum in Unkel am Rhein bei Bonn. Ein bisschen sehnsuchtsvolle Erinnerung an die Zeit, als im nahegelegenen Bonn noch das politische Herz der Republik schlug und Willy Brandt deswegen im beschaulichen Unkel wohnte. Die neue Ausstellung, in deren Zentrum das Original-Arbeitszimmer Willy Brandts platziert ist, ist super-professionell gemacht. Tondokumente spielen eine große Rolle.

Ausschnitt Brandt-Rede:

Es sind ja nicht nur junge Sozialdemokraten, die Fragen stellen. Auch nicht nur Junge, auch nicht nur Sozialdemokraten, die bohrende Fragen stellen…

Von Brandts vom Geist der '68er geprägten Slogan "Mehr Demokratie wagen" über den Friedensnobelpreis und die Deutsche Einheit bis zu Brandts führender Rolle in der heute ziemlich heruntergekommenen "Sozialistischen Internationale" reichen die multimedial aufbereiteten Stationen der kleinen Dauer-Ausstellung.

Die Qualität der Gestaltung darf nicht verwundern: Kurator ist Jürgen Reiche, der Direktor des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland im nahegelegenen Bonn. Das gut besuchte Museum soll mit dem in einem Nachbarort gelegenen Adenauer-Wohnhaus und mit der neuen Willy Brandt-Ausstellung in Unkel eine Art "magisches Dreieck" der Erinnerungsorte zur Bonner Republik bilden. Damit werde man nicht nur Geschichtstouristen aus SPD-Ortsvereinen an diesen Rheinabschnitt locken, hofft Unkels sozialdemokratischer Bürgermeister Gerhard Hausen:

"Im Rathaus der Stadt Unkel hatten wir schon das Willy Brandt-Zimmer und ich kann nicht sagen, dass da nur Sozialdemokraten hinkommen. Aus allen Bevölkerungsschichten kommen die Gäste zu uns, wir haben sogar eine gute Zusammenarbeit mit der Konrad Adenauer-Stiftung, also wir bekommen nachher den Dreiklang Haus der Geschichte, Konrad Adenauer-Haus und Willy-Brandt-Forum."

Gerhard Hausen betont, dass auch die örtlichen Christdemokraten in dem Verein mitarbeiten, der das neue Willy-Brandt-Forum ehrenamtlich betreut. 300.000 Euro Spenden seien für den Umbau gesammelt worden, aber auch das Land Rheinland-Pfalz steuerte einen großen Batzen Geld bei. Doch die Kosten für den laufenden Betrieb stemmen die Unkeler selbst, so der Bürgermeister:

"Die laufenden Kosten tragen sich durch die Einnahmen, dann haben wir unser Tourismusbüro hier rein verlagert, also unser Personal stellen wir und wir haben auch noch einige Mietswohnungen im Gebäude, dadurch ist die Finanzierung der laufenden Kosten gesichert."

Konditorin:

"Heute gibt es eine extra zu Ehren von Willy Brandt kreierte 'Birnen-Brandt-Torte', also Birne und Brandt. Passend auch zum Namen. Herr Brandt hat sehr gerne Sahnetorte gegessen. Wir haben mit seiner Frau vorher gesprochen, dass das auch alles in Ordnung geht und deshalb wird die heute das erste Mal draußen präsentiert."

…sagt Andrea Rolfke, der Chefin des Unkeler "Café am Markt" – direkt gegenüber des neuen Willy-Brandt-Forums. Mit 12.000 Besuchern pro Jahr kalkulieren die Unkeler bescheiden –doch der eine oder andere Tortenesser wird schon dabei sein, hofft auch Bürgermeister Gerhard Hausen, der mit dem Museum die ständig hochwasser-gefährdete Fachwerk-Altstadt des Rheinortes wiederbeleben will:

"Wir haben die Probleme, wie andere Städte auch, wir haben Einkaufszentren vor der Stadt, dadurch ist der Einzelhandel etwas nach außen gegangen und wir können jetzt nur durch unseren Tourismus leben. Wir leben ja im Hochwasser und haben dadurch Strukturprobleme. Und durch dieses Forum in der Mitte der Stadt Unkel, im Herzen der Stadt, im Einkaufszentrum jetzt, erhoffen wir uns eine Belebung durch den Tourismus."

Für Stärkung beim Ausstellungsbesuch ist jedenfalls gesorgt: Die Willy-Brandt-Torte gibt es nicht nur am heutigen Tag der Einweihung des Forums, verspricht Andrea Rolfke:

"Die bleibt immer im Angebot, extra in der Auslage, auch mit dem Gesicht von Willy Brandt drauf."

Das heute eröffnete Unkeler Willy-Brandt-Forum ist aber nicht nur der Torte wegen ein empfehlenswerter Ort der Erinnerung an eine prägende und schillernde Persönlichkeit der alten Bundesrepublik. Wo der Gabriel recht hat, hat er recht:

"Also, es ist wirklich ein tolles Gebäude, es ist wirklich schön gemacht, hat er auch verdient."