Seelsorge auf dem Traumschiff

Von Susanne Mack · 11.06.2011
Begegnungen mit Globetrottern, Trauernden, Altersschwachen, Atheisten und Verliebten beschreibt Bernhard Vesper in dem Buch "Viel Meer ... als eine Kreuzfahrt". Der Dominikaner-Pater leistete Beistand in allen Lebenslagen - und eckte auch an.
"Ein Schiff hat relativ wenig Fluchtmöglichkeiten. Außer der eigenen Kabine. Oder das offene Meer! "

…sagt Pater Bernhard Venske, und fügt hinzu, dass er schon deshalb mit den meisten Passagieren ins Gespräch gekommen ist.

Von einem Mann, der einen unglücklichen Eindruck machte, erfuhr der Pater: Vor kurzem war die Ehefrau gestorben. Seine Kinder schenkten dem Vater die Reise, damit er auf andere Gedanken kommt:

"Ja, sowas gibt’s! Es gibt verschiedene Motive. Ganz stinknormale, dass man sagt: Ich will einfach die Welt sehen. Es gibt das Motiv der Flucht, es gibt natürlich auch das Motiv der Heilung, denn so eine Reise kann helfen, Wunden verheilen zu lassen. Und diese verschiedenen Motivationen herauszubekommen: das war schon so der Anfang meiner Arbeit."

Es gab auch Passagiere, deren ausdrücklicher Wunsch es war, auf See zu sterben: Als eine altersschwache Dame in einen lebensbedrohlichen Zustand gerät, will sie sich partout nicht von Bord bringen lassen. Pater Bernhard konnte das verstehen:

"Es gibt auf so einem Kreuzfahrtschiff quasi zwei Gruppen von Gästen. Die einen sind die Weltreise-Gäste. Diese Weltreise-Gäste, das ist eine Gruppe von 40 Leuten etwa, die schon seit Jahren Weltreisen machen. Und die kennen sich. Und die sind zusammen. Und da spielt das Kreuzfahrtschiff auch eine soziale Rolle, weil nämlich das Schiff für sie eine Art Zuhause ist. Und das war eben auch in diesem Fall, als die Frau an Bord sterben wollte, weil: Es war eigentlich ihr Zuhause."

Das sind nur zwei von vielen Geschichten aus dem "Tagebuch eines Traumschiff-Seelsorgers". Es ist das Zeugnis einer Reise um die Welt: 170 Tage lang kümmerte sich Pater Bernhard um die seelische Sorgen und Nöte seiner 900 Mitmenschen an Bord - und ist auch mit den eigenen beschäftigt. Zum Beispiel ärgert es ihn ziemlich, als man ihm auf halber Strecke erklärt, er dürfe sein weißes Dominikaner-Habit nur noch am Sonntag im Gottesdienst tragen, anderswo sei die Mönchskutte in Zukunft unerwünscht:

"Gäste haben sich beschwert! Viele hat’s nicht gestört, einige fanden’s auch gut. Aber die, die’s gestört hat, waren halt sehr lautstark. Tja, der Chef richtet sich nach den Gästen. Denn es ist ja ein Geschäft, und er will ja die Gäste behalten."

Ärger gab es nicht nur wegen der Kleidung des Dominikaners, sondern auch und vor allem wegen seiner Überzeugungen. Auf dem Schiff traf Pater Bernhard nicht wenige Leute, die aus ihrem Atheismus keinen Hehl machten. Manche haben ihn dennoch um Rat gefragt. Genau wie Christen beider Konfessionen, aber auch Muslime.

Als der Pater nicht zuletzt deshalb eine öffentliche Diskussion über Toleranz anberaumt, steht ein Mann auf, gibt sich als Katholik zu erkennen und fragt in scharfem Ton, wie denn ein Priester seiner Kirche überhaupt auf die Idee käme, sich mit Glaubensfeinden zu unterhalten:

"Dem wollte ich in dieser Diskussion über Toleranz nicht die Plattform bieten, seine rassistischen Äußerungen weiter loszuwerden. Deswegen habe ich die Gesprächsrunde abgebrochen. Das lernt man auch: Grenzen setzen. Und sagen: Nee, stopp! Sie können das gern beim Bier an der Bar erzählen, aber in meinen Gesprächsrunden bitte nicht!"

Pater Bernhard hat sich nicht nur Feindseligkeiten verbeten, er hat auch Menschen ermutigt. Einen Witwer und eine Witwe zum Beispiel, beide katholischen Glaubens. Die hatten sich auf dieser Reise als neues Paar gefunden und flanierten Händchen haltend übers Deck. Nur waren die beiden besorgt, man würde ihnen die sonntägliche Kommunion verweigern wegen einer nicht-ehelichen Beziehung. Aber da konnte sie der Pater beruhigen:

"Das sechste Gebot heißt ja nicht, dass ich mich ab dem sechsten Halswirbel nach unten nicht wahrnehmen soll, sondern dass ich der Ehe, dem ehelichen Versprechen, treu bin. Was natürlich bei einem Witwer und einer Witwe so jetzt nicht mehr gilt."

Geschichten, die das Leben auf einem Kreuzfahrt-Schiff schreibt. Ein schlichtes und glaubhaftes Buch, verfasst von einem Geistlichen, der sich redlich müht, Menschen in allen Lebenslagen Beistand zu leisten. Meist mit Einfühlungsvermögen, manchmal mit einer Zornesfalte auf der Stirn. Aber so oft wie möglich mit einer Prise Humor.

Bernhard Vesper: Viel Meer … als eine Kreuzfahrt. Das Tagebuch eines Traumschiff-Seelsorgers
St. Benno Verlag, Leipzig 2011
214 Seiten, 9,95 Euro
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