Sebastian Edathy

Der Vorverurteilte

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy äußerte sich auf einer Pressekonferenz.
Nicht verurteilt, aber politisch erledigt: Sebastian Edathy © imago/CommonLens
Von Stephan Detjen · 02.03.2015
Der Prozess gegen Sebastian Edathy wurde eingestellt, juristisch darf er als unschuldig gelten. Am Ende bleibt eine vernichtende Vorverurteilung - gesprochen von Journalisten, Staatsanwaltschaft und der eigenen Partei. Ein Kommentar.
Der Prozess gegen Sebastian Edathy ist ohne gerichtliches Urteil zu Ende gegangen. Nach juristischem Verständnis darf er als unschuldig und nicht vorbestraft gelten. Die Erinnerung daran zeigt aber zugleich, wie weit rechtliche Prinzipien und die Wirklichkeit von Recht, Politik und öffentlicher Wahrnehmung auch in diesem Fall auseinanderklaffen. Edathy ist mit einer Härte bestraft worden, die kein Gerichtsurteil hätte bewirken können. Das Strafgesetzbuch kennt die Strafe der sozialen Ächtung und der Verbannung aus dem öffentlichen Leben nicht, die Sebastian Edathy getroffen hat. Selbst die längste gesetzlich geregelte Haftstrafe ist mit einer vom Bundesverfassungsgericht verlangten Chance auf Resozialisierung verbunden, die für Edathy auch heute nicht in Sicht ist.
Das Verfahren vor dem Landgericht Verden lief nach strengen und nachprüfbaren Regeln ab. Der kurze Prozess aber, der ihm in seiner Partei und in der Öffentlichkeit gemacht wurde, folgte ungeschriebenen, dafür aber umso wirkmächtigeren Gesetzmäßigkeiten. Am Ende bleibt ein vernichtendes Vorurteil. Es wurde gesprochen von Edathys eigener Partei, den Medien und einer Staatsanwaltschaft, die mittlerweile selbst zum Objekt eines Ermittlungsverfahrens wurde.
Die Unschuldsvermutung galt nichts mehr
Von seiner eigenen Partei wurde Edathy nach einem dubiosen Krisenmanagement hinter den Kulissen wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen, als die Vorwürfe gegen ihn öffentlich wurden. Heute fordert die SPD Spitze einen Mann ausgerechnet an dem Tag zum Parteiaustritt auf, an dem das Strafverfahren gegen ihn eingestellt wurde.
Als übermächtige Scharfrichter fungieren auch in diesem Fall nicht zuletzt Journalisten, für die Unschuldsvermutung und das Verbot der Verdachtsberichterstattung nicht mehr gelten, wenn das Wort Kinderpornographie im Raum steht. Noch vor wenigen Tagen waren in der morgendlichen Presseschau des Deutschlandfunks Stimmen zu hören, in denen selbst mögliche Gesetzesbrüche der niedersächsischen Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis gerechtfertigt, ja sogar gepriesen wurden, es sei schließlich um Kinderschänderei gegangen.
Jetzt steht die Staatsanwaltschaft selbst unter Verdacht
Gerade die niedersächsische Staatsanwaltschaft aber steht inzwischen selbst unter Verdacht, Wiederholungstäter zu sein, wenn es um die Durchstecherei von Informationen an die Presse geht. Das Ermittlungsverfahren, das vor wenigen Tagen gegen den Generalstaatsanwalt in Celle eingeleitet wurde, führt nun den Fall Edathy mit dem des ehemaligen Bundespräsidenten Wulff zusammen. In beiden Fällen wird ein Tatmuster erkennbar, in dem die Strafverfolgungsbehörden Medien gezielt instrumentalisieren, um mit Hilfe öffentlichen Drucks Wirkungen zu erzielen, wo Ermittlungsergebnisse und rechtliche Argumente nicht mehr weiterhelfen.
Es ist in diesem Fall viel über Sebastian Edathy geredet und geurteilt worden. Jetzt wird in einem neuen Ermittlungsverfahren das Verhalten der niedersächsischen Staatsanwaltschaft im Blickpunkt stehen. In Berlin ist die SPD-Spitze zum Hauptgegenstand des parlamentarischen Untersuchungsausschusses geworden. Anlass zur kritischen Selbstreflektion aber haben einmal mehr auch Medien, die sich an diesem Vorverurteilungsverfahren beteiligt haben.

Und so kommentierte Edathy die Einstellung des Verfahrens auf seiner Facebook-Seite:
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