Schwule Ampelmännchen

Toleranz und Pärchenterror

Zwei weibliche Ampelmännchen leuchteten zum CSD 2015 in München.
Zwei weibliche Ampelmännchen leuchteten zum CSD 2015 in München. © picture alliance / dpa / Sven Hoppe
Von Doris Anselm · 11.07.2015
Homo- und heterosexuelle Ampel-Paare und die Ehe für alle - viele denken dabei an Vielfalt, Toleranz und Regenbogen. Kolumnistin und Single Doris Anselm jedoch sieht sich verfolgt von Pärchenterror und Zwangsheirat.
In vielen Münchner Ampeln sind jetzt Pärchen zu sehen. Ja, die Ampelmännchen halten einander im Arm und über ihnen leuchtet ein Herz. Mal sind es zwei weibliche Figuren, mal zwei männliche, mal ist es ein Mann-Frau-Paar. Aber immer: mit Herzchen.
Aufgeklärte Bürger denken dabei sofort an Vielfalt, Toleranz und den Regenbogen. Ich dagegen denke zuerst: Ach du Schande – ist denn schon wieder Valentinstag? Dieses Nine-Eleven des weltweiten Pärchenterrors? Wenn die Achse der Rosen alles lahmlegt mit ihren Anschlägen, mit explodierenden Pralinenschachteln und martialischem Dauerknutschen auf dem Fußweg? Anscheinend haben die Kämpfer es jetzt endgültig geschafft und in Deutschland den "Romantischen Staat" ausgerufen, kurz: RS. Schon übermorgen werde ich mich weiß verschleiern müssen und in der Öffentlichkeit Brautkleid tragen, so wie alle Frauen.
Unterwerfung und so
Ach nee, Moment, das Datum stimmt ja gar nicht, Valentinstag ist erst wieder im Winter. Ich bin frei. – Vorerst jedenfalls. Mit großer Sorge beobachte ich nämlich die Diskussion um die so genannte "Ehe für Alle". Ein Tabubruch. Ich meine, jahrelang setzen sich Politiker aller Couleur gegen Zwangshochzeiten ein, und jetzt?! Ehe für Alle! Schon klar, dass die versuchen, mir das schmackhaft zu machen, nach dem Motto, kannst ja auch ’ne Frau heiraten, transgender oder sonstwie … Hauptsache, ihr macht dann in der Ehe auch "Ehegattensplitting". Pfui. Petting geht ja noch, aber Splitting, das ist pervers. Das ist diese total versaute Praktik, wo der Ehepartner, der weniger Geld verdient, am besten gar nichts mehr verdient und man dadurch ordentlich Steuern spart. Unterwerfung und so! Fifty Shades of Grey ist nichts dagegen.
Wahrscheinlich bin ich einfach nur verklemmt und bieder, aber ich denk’ halt immer, dieser Steuervorteil sollte Leuten zugutekommen, die Kinder großpäppeln, egal, ob sie dabei schwul sind, hetero, alleinerziehend oder Sternzeichen Apfelmus. Na ja. Das sind halt die typischen Ansichten einer erzkonservativen Singlefrau Anfang 30. Ist doch eigentlich schön, dass jetzt auch Ampelmännchen kuscheln dürfen!
Kuscheln müssen
Oder müssen. Tja. Und die Ehe für Alle wird wohl auch kommen. Denn das, was die anderen paar verbliebenen Gegner so als Argument ins Feld führen, ist leider total gaga. Berlins früherer Bürgermeister Eberhard Diepgen behauptete jüngst in einem offenen Brief: "die Bedeutung der Gemeinschaft von Mann und Frau" werde "Schaden nehmen", falls plötzlich auch massenhaft Schwule und Lesben richtig heiraten. Das ist ungefähr so, als ob man sagt, es sollten nicht alle Leute lesen können, weil sonst "die Bedeutung der Bildungsbürger" Schaden nimmt. Und wenn man Diepgen so zuhört, ist das anscheinend schon passiert. Fazit: Wer so einen Schaden hat, braucht für den Schrott nicht zu sorgen.
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