Schwul-lesbische EM in Hamburg

Fußball gegen Diskriminierung

FC St. Pauli - SV Sandhausen am 25.10.2013 im Millerntorstadion in Hamburg. Die Paulifans setzten mit Transparenten ein Zeichen gegen Homophobie und Sexismus.
Die EM ist in Hamburg nicht die einzige Aktion gegen Homophobie, auch bei Spielen des FC St. Pauli bekannten sich Fußballfans immer wieder mit Transparenten. © dpa / Angelika Warmuth
Von Dietrich Mohaupt · 14.06.2015
An der schwul-lesbischen Fußball-Europameisterschaft in Hamburg nahmen 30 Vereinsmannschaften aus ganz Europa mit rund 400 Spielerinnen und Spielern teil. Sie kämpften um Titel - und um mehr Akzeptanz.
Es war eigentlich ein ganz normales Fußballturnier – so schien es jedenfalls auf den ersten Blick, und so würde auch Alexander von Beyme vom ausrichtenden Hamburger Verein Startschuss die Veranstaltung am liebsten sehen, aber:
"Ich weiß, dass wir uns irgendwie auch in so einem komischen Spagat bewegen – so mit gefühlter Normalität und was ist Normalität eigentlich überhaupt."
Na ja ... ein dezidiert schwul-lesbisches Fußballturnier offenbar nicht, auch wenn es immerhin schon zum dritten Mal ausgetragen wird. Und ganz ehrlich – Alexander von Beyme ist sich auch nicht völlig sicher, ob es überhaupt einfach nur ein ganz normales Fußballturnier sein sollte.
"Das sieht so aus, aber dieses Turnier erzählt halt ganz viele Geschichten. Hier sind tatsächlich viele dabei, die festgestellt haben, für sie ist im Fußball da draußen kein Platz, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, aus der Kabine gemobbt wurden – und hier weht jetzt die Regenbogenflagge über dem Platz, und es ist schon wichtig, eine gewisse Sichtbarkeit herzustellen und zu sagen: Es gibt sie, die schwulen Fußballer und wir sind viele!"
Die Zahl homophober Vorfälle im Fußball geht zurück
Natürlich gibt es sie – das ist ja nun spätestens seit dem Coming-out des ehemaligen Nationalspielers Thomas Hitzlsberger vor gut einem Jahr wirklich kein Geheimnis mehr. Aber braucht es heutzutage wirklich noch eine schwul-lesbische Fußball-EM? Schließlich haben zum Beispiel die katholischen Iren gerade per Volksentscheid für die Gleichstellung von Homo-Ehen gestimmt, in Deutschland wird das Thema derzeit heiß diskutiert – sogar in der CDU: Der Chef des Bundesverbands der Lesben und Schwulen in der Union, Alexander Vogt, hat die Entscheidung in Irland als klares Signal für ganz Deutschland und vor allem für seine eigne Partei bezeichnet. Es stimmt schon, berichtet auch Dominique Straub von den Streetboys München – die Zahl homophober Vorfälle im Fußball geht zurück, aber Beleidigungen wie „Schwuchtel, schwule Sau, warmer Bruder, Hinterlader" haben auf dem Platz und in der Kabine immer noch Konjunktur.
"Wir haben immer noch mit vielen Vorurteilen in der Gesellschaft zu kämpfen. Es sagt zwar jeder: Ja, in der Gesellschaft ist es anerkannt – aber das ist viel Pseudotoleranz und unter der Oberfläche ist da noch einiges im Argen."
Die schwulen Fußballer vom Team München sind übrigens bundesweit noch immer die einzigen, die im offiziellen Ligabetrieb des DFB mitmischen – in der bayerischen C-Klasse. Der Verband tut sich erkennbar schwer mit uns, das ist derzeit die „Normalität", meint dazu der Betreuer der Münchner, Rainer Schweyer.
"Wenn ich den DFB teilweise dann höre – ja, wir tun ja was! Sie tun sicherlich was, vielleicht viel im Hintergrund, aber nicht so, dass es medienwirksam auch nach außen getragen wird. Darum brauchen wir diese Turniere: Um dann wirklich auch die Message nach außen zu tragen."
Toleranz reicht nicht
Immerhin, die Münchner Streetboys werden also inzwischen als Mitspieler im offiziellen Spielbetrieb toleriert – aber Toleranz reicht nicht, betont Sarah Feist. Sie ist bei den Kicking Deerns aktiv, dem Frauen-Fußballteam des schwul-lesbischen Vereins Startschuss aus Hamburg, und sie findet:
"Die Gesellschaft ist toleranter geworden – aber ich möchte nicht toleriert werden, sondern akzeptiert als „normaler" Mensch, denn ich bin ein normaler Mensch und ich finde ... wer bestimmt denn immer was ist normal und was ist unnormal, ja?"
Der Kampf um Normalität – so hatte Spiegel Online einen Artikel im Vorfeld der schwul/lesbischen Fußball-EM überschrieben. Diese Normalität versucht auch der DFB zumindest ein Stück weit zu vermitteln – zur Eröffnung des Turniers war eigens Vize-Präsident Eugen Gehlenborg angereist. Aus den eigenen Reihen hat dafür Organisationsleiter Alexander von Beyme schon Kritik geerntet.
"Ihr lasst euch vom DFB doch nur als Feigenblatt missbrauchen und da kommt der Vize-Präsident einmal vorbei zu einer Häppchen-Veranstaltung ... nein, ich finde das ist ein wichtiges Signal, ein DFB-Vize-Präsident, der sich zwischen Schwule und Lesben stellt – das wäre ja vor 15 Jahren undenkbar gewesen."
Sportlich ist die schwul/lesbische Fußball-EM mit dem Titelgewinn von „Vorspiel Berlin" bei den Männern und dem FC Krylya aus Moskau bei den Frauen zu Ende gegangen –der Kampf gegen Homophobie im Fußball allerdings ist noch nicht vorbei, und er kann wohl auch nicht mit noch so tollen schwul-lesbischen Turnieren gewonnen werden, betont Alexander von Beyme.
"Ich bin ganz stolz, dass wir es geschafft haben, nicht nur hier geilen Fußball zu spielen, sondern auch diese Botschaft so unter das Volk zu bringen, dass es eben ganz viele Leute gibt, die für sich noch den Platz im Fußball suchen irgendwie – das muss bloß in den Alltag rüber!"
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