Schwimmender Wissenschaftsroboter

Von Wolfgang Stuflesser · 23.10.2013
Für Wissenschaftler ist der Wave Glider ein wahr gewordener Traum: Der schwimmende Roboter gleitet durch die Weltmeere, sammelt dabei Daten ein und funkt sie nach Hause. Er kann so die Wanderungen des Weißen Hais aufzeichnen oder die Übersäuerung der Weltmeere kartografieren.
Der alte Mythos der Garagenfirmen im Silicon Valley: Bei Liquid Robotics ist er noch zu spüren. Hier wird gebohrt, geschraubt und gehämmert. Und zwar am Wave Glider – das Ding sieht aus wie ein kleines Raumschiff – doch die größte Gefahr für den Wave Glider sind keine Außerirdischen.

Haibisse, das ist es, was der Wave Glider aushalten muss, erklärt Graham Hine. Er und sein Bruder Roger haben die Firma Liquid Robotics vor sechs Jahren gegründet. Und sie bauen, wie der Name schon sagt, Roboter für den Einsatz im Wasser. Genauer gesagt: Unbemannte Forschungsdrohnen, die durch die Weltmeere schwimmen. Angefangen hat alles mit einem Auftrag aus Hawaii: Die Jupiter Foundation wollte den Gesang der Buckelwale erforschen.

Graham Hine: "Der Gesang ist unglaublich schön, aber ziemlich schwer aufzunehmen: Das Wasser-Mikrofon muss weit weg genug vom Lärm des Strands sein, und es muss mit Stürmen und Windstillen klarkommen – das war die Herausforderung, die wir als Techniker meistern mussten."

So entstand der erste Wave Glider, und er nahm diese Klänge auf.

Die zweite Generation entsteht
In der Werkstatt wird gerade ein Exemplar der zweiten Generation zusammengebaut: Das Gerät besteht aus zwei Teilen: Der eine ist so groß wie ein halbes Surfbrett und schwimmt flach auf der Wasseroberfläche. Über ein sieben Meter langes Kabel ist er mit dem Antrieb verbunden: einem Gestänge mit sieben parallelen Flügeln, die von oben aussehen wie große Jalousien.

Graham Hine: "Das Floß schwimmt auf der Meeresoberfläche und geht mit den Wellen hoch und runter. Dabei zieht es mit dem Kabel auch das Flügelgestell unter Wasser hoch und lässt es wieder runter. Weil die Flügel sich drehen können, setzen sie die Wellenenergie in Strom um – und dieser Flügelschlag unter Wasser treibt dann auch den Wave Glider voran."

Und wenn das Meer spiegelglatt ist, kommt umso mehr Sonnenenergie bei den Solarzellen auf dem Floß an. Über Jahre kann das Gerät so durchs Meer schwimmen – ferngesteuert über Funk. Denn oben auf dem Floß sind jede Menge Antennen angebracht, für Internetempfang über Mobilfunk oder Satellit. So werden auch die Daten übertragen, die die Sensoren auf dem Wave Glider sammeln: GPS Luftdruck, Windgeschwindigkeit, Wassertemperatur, Salzgehalt, oder eben auch Töne und Bilder.

Die Forscher können die Daten also sofort Auswerten und müssen nicht warten, bis der Wave Glider zurück kommt. Zumindest wenn die Datenmenge gering ist.

Graham Hine: "Satellitenbandbreite ist ein bisschen teuer und langsam, deshalb speichern wir manche Daten an Bord: Bilder zum Beispiel. Sie können sich ein kleines Vorschaubild über Funk schicken lassen, aber das hochaufgelöste Foto wird an Bord gespeichert."

Mit der Ausdauer eines Marathonschwimmers
Nur zwei Kilometer pro Stunde schafft so ein Wave Glider – aber dafür hat er die Ausdauer eines Marathonschwimmers. 200 Geräte hat die Firma inzwischen ausgeliefert – zu Preisen ab 150.000 Dollar. Braucht ein Wissenschaftler den Wave Glider nur kurz, kann er ihn auch mieten – für etwa 1.000 Dollar am Tag. Denn besondere Sensoren können den Kaufpreis schnell über die Millionengrenze treiben. Das erklärt auch den kleinen Aufkleber auf dem Gerät.

Graham Hine: "Bitte nicht stören, steht darauf – damit zum Beispiel Schiffskapitäne den Roboter am besten einfach in Ruhe lassen."

Es gibt aber auch Momente, da käme wohl kein Mensch auf die Idee, sich am Wave Glider zu vergreifen. Und da sieht Graham Hine auch das ideale Einsatzfeld:

"Wir haben sie so gebaut, dass sie einen Hurrican überstehen können. Einer unserer Glider, der von Kalifornien nach Australien unterwegs war, wurde vom Wirbelsturm Freda gekreuzt. 26 Meter hohe Wellen, und der Glider hat die ganze Zeit Daten gesendet. Die sind sehr wertvoll für die Wissenschaft, aber niemand wollte dafür auf einem Schiff durch einen Wirbelsturm fahren."

Die Daten der Ozeanüberquerung hat die Firma kostenlos ins Netz gestellt. Forscher aus aller Welt können sich bedienen. Und Liquid Robotics macht sich so einen Namen bei zukünftigen Kunden.

Über mangelnde Arbeit klagen die 110 Mitarbeiter in Sunnyvale schon jetzt nicht: Die Kommandozentrale, ein Raum voller Computer und Flachbildschirme, ist 24 Stunden besetzt. Von hier werden die Missionen gesteuert. John Appelgren und seine Kollegen überwachen zur Zeit etwa 20 Wave Glider.

Autonomie als Ziel
Als Nächstes soll der Wave Glider lernen, auch komplexere Befehle zu verstehen und umzusetzen – und dabei möglichst autonom zu handeln.

Graham Hine: "Statt zu sagen: Dreh dein Ruder nach links, würden wir sagen: Fahr in dieses Gebiet und erledige folgenden Auftrag. Und der Wave Glider wüsste, was zu tun ist. Das ist auch für andere Roboter-Ingenieure interessant – und am Ende für die Kunden, die ja ein großes Ziel erreichen wollen."

Auch bei der Bekämpfung der Ölpest im Golf von Mexiko waren Wave Glider im Einsatz, oder bei der Überwachung geschützter Fischbestände gegen illegale Fischerei.

Graham Hine: "Wenn Robotersysteme die gefährliche Arbeit machen, dann können wir vermeiden, dass Menschen sich in Gefahr begeben. Roboter sind gut bei langen, langeweiligen oder gefährlichen Aufgaben."

Die Arbeit des Wave Gliders mag langwierig und langweilig sein – die Arbeit am Wave Glider, das Weiter-Entwicklen des Konzepts, ist es ganz offensichtlich nicht.
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