Schwieriges Verhältnis USA-Türkei

Angespannte Partnerschaft

US-Vizepräsident Joe Biden hält eine Rede in der Nationalbibliothek in Riga, Lettland. Von dort aus reist er weiter in die Türkei.
US-Vizepräsident Joe Biden hält eine Rede in der Nationalbibliothek in Riga, Lettland. Von dort aus reist er weiter in die Türkei. © EPA
Von Thilo Kößler · 24.08.2016
Die Türkei bombardiert kurdische Truppen in Syrien, die von den USA im Kampf gegen den IS unterstützt werden. Die Türkei verlangt zudem von den USA die Auslieferung des Predigers Fetullah Gülen. Schwierige Umstände für den Besuch von US-Vize Joe Biden in Ankara.
Seinen Vizepräsidenten Joe Biden schickt Präsident Obama in die Türkei, um die Wogen im gestörten bilateralen Verhältnis zu glätten. Doch Recep Tayyip Erdogan scheint diesen prestigeträchtigen Besuch im Vorfeld zu nutzen, um den Druck im Kessel noch zu erhöhen: Erst bombardierte er im syrisch-türkischen Grenzgebiet kurdische Einheiten, die von den USA im Kampf gegen den IS unterstützt werden. Dann ging im US-Außenministerium auch noch ein formales Gesuch ein, den türkischen Geistlichen Fetullah Gülen auszuliefern, den Erdogan für den Drahtzieher des gescheiterten Putschversuchs am 15. Juli hält.
Für Gönül Tol, die Direktorin für Türkeistudien im Middle East Institute in Washington steht dieser Besuch deshalb unter dem Vorzeichen der Schadensbegrenzung: Die Spannungen zwischen der Supermacht USA und dem strategisch wichtigen Nato-Partner Türkei sind mit Händen zu greifen.
Im Kampf gegen die IS-Milizen im syrischen Bürgerkrieg kommt der Türkei als unmittelbarem Nachbarn eine Schlüsselrolle zu. Deshalb bleibe den USA gar nichts anderes übrig, als in dieser Situation zu versuchen, die Spannungen abzubauen und den Türken zu versichern: Unsere Beziehungen sind stabil.

Gülen-Auslieferung wird Thema sein

Durch den formellen Antrag der Regierung Erdogans, den türkischen Prediger Gülen auszuliefern, hat sich dieses Thema unversehens in den Vordergrund dieses Besuchs geschoben. Weil Erdogan in ihm den Drahtzieher des Juli-Putsches sieht, hatte er schon unmittelbar danach die Ausweisung Gülens gefordert. Der fast 80-Jährige lebt seit vielen Jahren zurückgezogen im Exil in Pennsylvania.
Die US-Regierung besteht auf konkreten Beweisen für die Beteiligung Gülens – Präsident Obama wies bereits eine Woche nach den Ereignissen in der Türkei darauf hin, dass nicht er über eine Ausweisung zu entscheiden habe, sondern die Gerichte.
Selbst wenn der oberste Gerichtshof einer Ausweisung Gülens zustimmen würde, müsste das Verfahren noch politische Hürden nehmen. Erstens habe die türkische Regierung Schwierigkeiten, Gülen eine konkrete Beteiligung nachzuweisen, sagt Gönül Tol. Zweitens würde in den USA sofort die Frage gestellt, ob Gülen unter diesen Umständen einen fairen Prozess zu erwarten hätte.
Mit einem schnellen Ausweisungsbeschluss, wie ihn Erdogan fordert, ist vor diesem Hintergrund also kaum zu rechnen.

Türkische Rolle im syrischen Bürgerkrieg

Viel wichtiger ist den Vereinigten Staaten bei diesem Besuch die türkische Rolle im syrischen Bürgerkrieg und bei der Bekämpfung der IS-Milizen. Ohne die Türkei kann die internationale Allianz gegen den Islamischen Staat nicht erfolgreich operieren – tatsächlich bekämpfen die türkischen Truppen jedoch die sogenannten kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG, die von den USA unterstützt werden.
Gönül Tol vom Middle East Institute in Washington meint: Die Türkei fällt den USA offen in den Rücken. In dieser schwierigen Lage hätten die Amerikaner gar keine andere Wahl, als der Türkei ins Gewissen zu reden und auf eine politische Lösung des Kurdenkonflikts zu drängen - um freie Hand im Kampf gegen den IS zu bekommen.
Die Amerikaner glauben nicht an die Zuverlässigkeit der Türkei, sagt Gönül Tol, aber sie wissen, dass es besser ist, mit Ankara zusammenzuarbeiten.
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