Schwerin

DDR-Schwimmhalle zwischen Abriss und Denkmalschutz

Ein Junge steht frierend in der Schwimmhalle Schwerin-Lankow vor einer gekachelten Wand, auf der "Wassertiefe 1,80" steht.
Eine Halle vom "Typ Bitterfeld" - das Schwimmbad in Schwerin-Lankow, aufgenommen 2011 © picture alliance / dpa / Jens Büttner
Von Silke Hasselmann · 20.07.2015
Schwerin verdankt den Denkmalschützern einiges. Dass die nicht nur Barock-Gebäude, sondern auch DDR-Architektur im Blick haben, kommt gut an. Doch im Dauerstreit um den Abriss einer DDR-Schwimmhalle will ausgerechnet die linke Oberbürgermeisterin standhaft bleiben.
Es ging zwar am 1. April bei der Stadt Schwerin ein, war aber beileibe kein Scherz, war es keineswegs, das Schreiben von Landeskonservator Dr. Kirchner. Laut Prüfung weise die 1976 fertig gestellte und nun zum Abriss freigegebene Schwimmhalle im Stadtteil Lankow die Eigenschaften eines Baudenkmals auf. Zitat:
"Das Bauwerk dokumentiert die serielle Planung und Umsetzung von gesellschaftlichen Bauvorhaben in der Ära Honecker. Auf der Grundlage von Wiederverwendungsprojekten in Bezirks- und Kreisstädten sollte das Niveau der Versorgung mit Sportanlagen beträchtlich erweitert werden. Eines dieser Wiederverwendungsprojekte stellte der auf Grundlage des Typs Anklam modifizierte Typ Bitterfeld vor, der in Schwerin realisiert wurde. Zudem besitzt das Bauwerk nach dem Verlust anderer Schwimmhallen und gesellschaftlicher Bauten mit seiner erhaltenen HP-Schale ein Alleinstellungsmerkmal in Mecklenburg-Vorpommern."
Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow von der Linkspartei musste den Abriss stoppen – und schäumt noch immer. Denn erstens:
"Da sind die Architektinnen und Architekten sehr spät drauf aufmerksam geworden."
Die hatten den Denkmalschutz aufgerüttelt, als die Abrissbagger warmliefen. Kein Wort von dem Potenzial der Schwimmhalle im Stadtteil Lankow als Baudenkmal in all den sieben Jahren zuvor, als Stadtversammlung und Bürger leidenschaftlich darüber stritten, ob Schwerin seine beiden alten Schwimmhallen weiterbetreiben sollte – übrigens beide vom Typ Bitterfeld –, oder ob die Stadt die beiden ziemlich heruntergekommenen Hallen abreißen und dafür eine moderne Halle für knapp 12 Millionen Euro bauen will.
Verschlepptes Gutachten
Letzteres – entschied die Stadtversammlung schon 2010. Vor zwei Jahren dann wurde die erste der beiden alten DDR-Schwimmhallen abgerissen. Kein Piep von den Architekten, kein Mucks von den Denkmalschutzbehörde, HP-Schale hin, Wellendach her. Diesen Februar, das neue Bad wurde gerade eröffnet, zog die Stadt auch die Stöpsel aus den alten Wasserbecken in Lankow und orderte die Abrissbagger. Zeit für den Landeskonservator, die Sache mit einem Gutachten weiter zu verschleppen. Jedenfalls wundern sich viele Schweriner, ob der Denkmalschutz der letzte Trumpf jener ist, denen die Fahrt zur neuen Halle in der DDR-Plattensiedlung Dreesch zu unbequem ist. Oder soll damit eigentlich verhindert werden, dass die Stadt die freiwerdende Lücke mit Wohnungen zubaut?
Wie auch immer. Die Denkmalschützer sagten der Stadt: Hättet ihr uns mal eher gefragt, dann hätten wir euch gleich sagen können, dass diese Schwimmhalle auf die Denkmalliste muss. Die Stadt hat aber nicht gefragt, und Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow, eine studierte Ökonomin, meint angesichts von 207 Millionen städtischen Schulden:
"Ich kann mir nicht vorstellen, eine Halle vom Typ Bitterfeld, die in den 70er-Jahren zu DDR-Zeiten gebaut worden ist, wovon es – das stimmt – noch wenige gibt, unter Denkmalschutz zu stellen und als Denkmal auszuweisen, wenn ich keine Nutzung habe, wenn sie als Schwimmhalle nicht effizient betrieben werden kann und wenn die Gefahr besteht, dass sie dem Vandalismus preisgegeben wird."
Pragmatik der Oberbürgermeisterin
Dabei weiß gerade die frühere Mitarbeiterin der FDJ-Kreisleitung Schwerin und heutige Linkspolitikerin durchaus zu würdigen, dass sich die Denkmalschützer nicht nur um architektonische Zeugnisse von Renaissance, Barock und Bauhaus kümmern, sondern auch um Sozialistischen Klassizismus und die Plattenbauweise.
"Also es ist eigentlich kein Widerspruch. Ich bin ja auch dafür bekannt, dass ich das Lenin-Denkmal bei uns in der Landeshauptstadt Schwerin verteidige, weil ich nichts davon halte, weil ich es nicht leiden kann, dass wir meinen, Geschichtsaufarbeitung, -bewältigung, -auseinandersetzung damit zu beantworten, indem wir Kunstwerke schleifen. Und genauso bin ich jemand, die sagt, rationell und pragmatisch zu entscheiden."
Immerhin – vorige Woche bestätigten die Untere Denkmalschutzbehörde und der Baudezernent der Schweriner Oberbürgermeisterin, dass die Stadt ihre wirtschaftlichen Bedenken über die denkmalschützerischen Forderungen stellen darf. Der Abrissauftrag für die Schwimmhalle im Ortsteil Lankow kann – fünf Jahre nach dem ersten Bescheid – wiederbelebt werden. Es sei denn, jemand zieht vor das Verwaltungsgericht.
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