Schwarz malen

Von Walter Kittel · 14.09.2006
Die Augen müssen sich in dieser Schau im Münchner Haus der Kunst erst langsam an das viele Schwarz gewöhnen. Der Blick soll sich schärfen. Die ausgewählten Bilder ermöglichen die Konzentration. Zu sehen sind unter anderem Bilder der New Yorker Schule aus den 50er und 60er Jahren.
"A day in New York", "Ein Tag in New York", heißt der Film, mit dem diese Ausstellung beginnt. Fragmente aus dem Leben einer Großstadt reihen sich aneinander, in perspektivischen Brechungen.

Der Film ist in Schwarz-Weiß gedreht, entstanden ist er in 50er Jahren unter der Regie von Francis Thompson. In dieser Ausstellung hat er nur die Funktion einzustimmen auf ein nicht ganz leichtes Thema. Auch im zweiten Saal sind noch keine Bilder zu sehen, man schreitet zunächst einfach nur durch einen schwarzen Raum.

Im dritten Saal endlich hängen die ersten so genannten "Black Paintings". Der Raum ist ganz Robert Rauschenberg gewidmet, einem Künstler, der neben Ad Reinhardt, Mark Rothko und Frank Stella diese Ausstellung zum Thema "Schwarz in der Malerei" bestreitet. Vor den Bildern seines Kollegen Robert Rauschenberg sitzt an diesem Vormittag Frank Stella. Er wirkt nachdenklich. Denn seine Bilder und die seiner New Yorker Künstlerfreunde stehen plötzlich in einem ganz neuen Kontext:

"Die Ausstellung gefällt mir. Nun gut, Schwarz ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Die Ausstellung hätte auch über jede andere Farbe sein können. Aber das hier ist ein gutes Beispiel für die New Yorker Malerei der späten 50er Jahre. Es wurde mit den verschiedensten Farben gemalt. Das hier ist nur eine Auswahl jener Bilder, die in Schwarz entstanden sind."

Vier Künstler der so genannten New Yorker Schule, die in den 50er und 60er Jahren in einigen Bildserien ausschließlich oder hauptsächlich Schwarz als Farbe verwendet haben, sollen den Besuchern zunächst vor allem ein Gespür für die Möglichkeiten dieser Farbe vermitteln. Keine kunstgeschichtlichen Fragen stehen im Vordergrund. Es geht nicht darum, etwa eine verzweigte Verbindung zu Malewitschs Schwarzem Quadrat herzuleiten. Es geht auch nicht in erster Linie um symbolische Lesarten des Schwarzen, sondern um das reine Farberlebnis.

"Es ist sehr schwierig, in diese Bilder eine Bedeutung zu legen, " sagt Frank Stella. " Man muss sie einfach sehen. Es ist der visuelle Eindruck, der zählt. In dem visuellen Erlebnis der Bilder liegt zugleich ihre Bedeutung."

Von schwarzen Bildern in dieser Ausstellung zu sprechen, ist leicht übertrieben. Stets gibt es relativierende Momente. Helle, unbemalte Leinwandflächen etwa. In manchen Bildern wird zudem bewusst mit der Rätselhaftigkeit von Schwarz gespielt, dann geht es etwa um die Frage: Ist das nicht doch eher ein sehr, sehr dunkles Blau oder Rot?

Die Augen müssen sich in dieser Ausstellung erst langsam an das viele Schwarz gewöhnen. Der Blick soll sich schärfen. Die ausgewählten Bilder ermöglichen die Konzentration. Sie entstammen einem zeitlich eng begrenzten Schaffenshorizont der Künstler und können auch Dank formaler Ähnlichkeiten als Serien aufgefasst werden. Kunstgeschichtlich hätte ein weit größeres Feld beackert werden können, so die Kuratorin Stephanie Rosenthal:

"Wir sind – glaube ich – auf über 50 Künstler gekommen, die in irgendeiner Form vielleicht in Frage gekommen wären und meine Entscheidung war dann eben, mir geht es um den Prozess des Sehens und um die Konzentration und um die Reduzierung und deswegen habe ich es nicht als konsequent empfunden, so viele Künstler auszuwählen und eine enzyklopädische Ausstellung zu machen über die Farbe Schwarz."

Während Mark Rothko in der Ausstellung wie ein Meister der Täuschungen wirkt, weil seine Leinwände neben Schwarz immer auch einige andere Farbtöne zu enthalten scheinen, wirkt Ad Reinhard wie ein Experte auf dem Gebiet von Licht und Schatten. "Für das glänzende Schwarz muss Leim zugesetzt werden", hat er einmal gesagt oder: "Schwarz im Sonnenlicht muss graue Spiegelungen aufweisen".

Manchmal wirken Ad Reinhards Bilder auch so, als ob die Richtung des Pinselstrichs entscheidend sei für die jeweiligen Farbnuancen in Schwarz. Die meisten Maler verwenden Schwarz als eine Farbe, die das Malen von Motiven erst ermöglicht. In dieser Ausstellung aber hat Schwarz eine völlig andere Funktion und Bedeutung, sagt der heute 70-jährige und seit den späten 50er Jahren in New York malende Frank Stella:

"Eine Sache, die ich an Schwarz nie mochte, ist, dass mit Schwarz fast immer Umrisse gezeichnet werden. Das ist eine Methode, die mich stets gelangweilt hat, weil sie so effektiv ist und tatsächlich gut funktioniert. Wenn sie beispielsweise das Portrait ihrer Mutter malen, entsteht meistens zunächst eine schwarze Umrisszeichnung, die Farben kommen erst später hinzu. Oder man malt das Bild auf eine andere Art und benutzt Schwarz, um anschließend die Akzente zu setzen."

Drückt sich in den schwarzen Bildern vielleicht eine Protesthaltung aus? Handelt es sich womöglich um eine weitere Variante in der Diskussion über "das Ende der Malerei"? Sind schwarze Bilder etwa als ein Endpunkt oder Stillstand aufzufassen? In dieser Ausstellung scheint es, als seien die "black Paintings", wie Robert Rauschenberg sie als Erster nannte, vor allem eine große Bereicherung und ein faszinierendes Erlebnis. Und manchmal sind oder waren sie wohl auch nur ein Ausweg:

"Nun, ich machte zu dieser Zeit eine Menge Bilder, die Schwarz und Grün oder Schwarz und Gelb enthielten, " sagt Frank Stella. " Und manchmal waren diese Bilder nicht gut. Ich habe sie dann einfach ganz in Schwarz ausgemalt. Und wenn du am nächsten Tag wiederkommst, schimmert die Farbe durch die Übermalung. Dann fingen die Bilder an, interessant auszusehen."

Service:

Die Ausstellung "Black Paintings" ist im Haus der Kunst in München vom 15. September 2006 bis 14. Januar 2007 zu sehen.