Schubert: Der Anpassungsfonds braucht mehr Geld

Moderation: Marie Sagenschneider · 17.11.2006
Zum Abschluss des Weltklimagipfels in Nairobi hat die Vorsitzende im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung "Globale Umweltveränderungen", Renate Schubert, mehr Geld für den so genannten Anpassungsfonds gefordert. Die 300 Millionen Dollar, von denen bislang die Rede sei, seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagte Schubert. Mit dem Anpassungsfonds soll Entwicklungsländern geholfen werden, sich besser auf die veränderten klimatischen Bedingungen einzustellen.
Marie Sagenschneider: Der Klimawandel ist keine Science-Fiction, sondern die reale Zukunft. Der wissenschaftliche Sachstand ist eindeutig. Es gibt eine Bedrohung und es könnte rasch der Zeitpunkt kommen, an dem es kein Zurück mehr gibt. Ungewöhnlich deutliche Worte von einem Diplomaten. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte den Teilnehmern des UN-Klimagipfels in Nairobi schwer in das Gewissen geredet und auch von einem erschreckenden Mangel an Führungswillen gesprochen, was die Reduzierung der CO2-Emissionen anbelangt. Seit zehn Tagen verhandeln tausende Diplomaten, Experten und Politiker in Nairobi nun darüber, wie die Folgen des Klimawandels abgemildert werden können und wie das Kyoto-Protokoll, das nur bis 2012 reicht, fortgeschrieben werden soll. Heute geht der Gipfel zu Ende, Zeit also für eine Bilanz. Renate Schubert ist Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung, ein Beirat, der den Titel "Globale Umweltveränderungen" trägt, und sie ist nun am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Frau Schubert.

Renate Schubert: Guten Morgen, Frau Sagenschneider.

Sagenschneider: Es ging, wie immer, auch auf diesem Klimagipfel sehr, sehr mühsam zu. Aber kleine Erfolge gibt es ja offenbar, denn man hat sich ja nun doch auf den Anpassungsfond geeinigt, mit dem den Entwicklungsländern geholfen werden soll, sich besser auf die Folgen des Klimawandels einzustellen. Wie wichtig ist dieser Fond?

Schubert: Dieser Fond ist grundsätzlich natürlich sehr wichtig. Das Problem besteht allerdings darin, dass die Modalitäten noch relativ unklar sind, und dass vor allem auch die finanzielle Fütterung dieses Fonds noch sehr bescheiden ist. Also da ist von Zahlen in der Größenordnung von 300 Millionen die Rede. Und wenn man sich an die Zahlen erinnert, die im Stern-Report vor ein paar Wochen durch die Medien gegeistert sind, dann ist das natürlich allen Falls ein Tropfen auf den heißen Stein und nicht mehr. Aber es ist trotzdem wichtig, dass dieser Schritt jetzt mal gemacht wurde.

Sagenschneider: Wie müsste er denn finanziell bestückt werden? Wie viel Geld wäre nötig für den Fond?

Schubert: Man kann sagen, wenn man bei diesen 300 Millionen bleibt, wenn man da jährlich 300 Millionen hinein stecken würde, dann wäre das schon ein viel besserer Aufschlag.

Sagenschneider: Also nach dem bisherigen Stand kommt man nicht weit damit.

Schubert: Man kommt nicht sehr weit damit, nein. Zumal dann auch noch auf der Frage, wie vergebe ich jetzt die Gelder, wahnsinnig herum gestritten wird. Das macht das Ganze auch noch schwierig dazu.

Sagenschneider: Das stimmt. Die Länder, die davon profitieren würden, die streiten sich jetzt noch um die Verteilung auch.

Schubert: Genau.

Sagenschneider: Nun geht es ja bei dieser Konferenz auch darum, jene Länder mit in das Boot zu holen, die bislang vom Kyoto-Protokoll nichts wissen wollten und die bisher gar keine Veranlassung gesehen haben, überhaupt über eine Reduzierung der Treibhausgase nachzudenken. Nun heißt es, China habe signalisiert, genau das tun zu wollen. Auch die US-Regierung denkt offenbar darüber nach und sicherlich auch auf Druck der Demokraten, die jetzt die Mehrheit im Kongress stellen. Glauben Sie, dass das insgesamt doch Zeichen dafür sind, dass der Ernst der Lage mittlerweile immerhin erkannt ist?

Schubert: Ich denke schon. Also die Zeichen sind sicherlich positiv. Wir haben auch ein Arbeitspapier von einer Arbeitsgruppe, in der darauf hingewiesen wird, dass die globalen Emissionen von CO2 um die Hälfte gegenüber dem Jahr 2000 gesenkt werden müssten, um eben zu verhindern, dass die Temperatur um mehr als zwei Grad ansteigt. Und das ist zwar im Grunde nicht viel, aber es ist doch die Basis dafür, dass man dann künftig sagen kann, das impliziert, dass auch künftig Entwicklungsländer und die USA und die großen Schwellenländer eben auch ihre Emissionen reduzieren müssen.

Sagenschneider: Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass diesen ganzen Bekenntnissen auch Taten folgen, zum Beispiel eben auch mit Blick auf ein Abkommen Kyoto-Zwei für die Zeit nach 2012?

Schubert: Gut, was Kyoto-Zwei angeht ist es so, dass auch in Nairobi beschlossen wurde, oder heute im Laufe des Tages vermutlich beschlossen wird, dass die Industrieländer ab dem Jahr 2007 an einem Arbeitsprogramm arbeiten, um dann ab 2009 wirklich festgelegt zu haben, wie dann nach 2012 die Treibhausgase weiter reduziert werden sollen. Also das ist auf jeden Fall ein wichtiger Schritt. Natürlich ist das überhaupt alles noch nicht konkret. Aber wenn es diesen Schritt nicht gäbe, dann gäbe es auch den nächsten konkreteren Schritt nicht.

Sagenschneider: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will ja die EU auf eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 30 Prozent einschwören. Und er sagt, wenn das gelingt, dann wird sich Deutschland sogar auf 40 Prozent verpflichten. Halten Sie das eigentlich für realistisch? Denn es stellt sich ja immer die Frage, wie macht man das dann konkret.

Schubert: Ob das realistisch ist oder nicht, das hängt jetzt vom politischen Willen letzen Endes auch ab und von dem, was da uns vorgegeben wird. Ich denke grundsätzlich wird man sicherlich nicht im Jahr 2008 um 40 Prozent reduzieren können, aber das als Zielmarke für eine doch relativ nahe Zukunft zu setzen, mach sehr viel Sinn. Aber das erfordert natürlich auch, dass wir jetzt wirklich ernsthaftere Maßnahmen auch in Deutschland ergreifen müssen. Maßnahmen, die uns alle wirklich was kosten werden. Davon müssen wir ausgehen.

Sagenschneider: Was meinen Sie denn mit ernsteren Maßnahmen? Nenne Sie doch mal Beispiele.

Schubert: Also damit meine ich, dass zum Beispiel künftig Autos nicht mehr nach ihrem Hubraum besteuert werden, sondern nach den CO2-Emissionen. Damit meine ich auch, dass künftig der Flugverkehr besteuert wird in dem Sinne, dass das Flugbenzin nicht mehr steuerfrei ist, sondern dass auch die Flüge gemäß der CO2-Emissionen beispielsweise einen Aufschlag bekommen.

Sagenschneider: Das heißt, der Bürger wird es jetzt richtig merken müssen dann.

Schubert: Der wird es allmählich doch merken müssen.

Sagenschneider: Man fragt sich ja, ob das wirklich erreicht werden kann, wenn man sich jetzt die Zahlen anschaut, also das, was in Kyoto vereinbart worden war. In Europa hinken quasi alle hinterher, auch Deutschland. Und Deutschland ist eigentlich auch nur so weit gekommen, das spielt ja schon eine große Rolle, weil so viel Industrie im Osten der Republik abgebaut worden ist.

Schubert: Genau, das muss man ganz klar sagen. Also auf der politischen Ebene ist da noch vergleichsweise viel zu wenig im Hinblick auf die Klimaproblematik umgesetzt worden. Sie müssen aber auch sehen, das Ganze hat ja eine Geschichte. Mittlerweile sind wir doch so weit, dass eigentlich alle anerkennen, dass wir tatsächlich diesen Klimawandel haben und dass wir was tun müssen. Jetzt ist sozusagen die nächste Etappe, die wir gehen müssen, dass wir sagen, das ist auch irgendwie finanzierbar. Weil zurzeit sehen wir irgendwie so ein bisschen die Gefahr, dass alle sagen, das kostet so schrecklich viel, da machen wir am besten mal gar nichts. Und das ist natürlich der falsche Schritt. Wir müssen jetzt anfangen und wenn wir früh anfangen, dann kostet es uns eben auch nicht so viel, wie wenn wir das ganze jetzt noch 20, 30 Jahre hinaus schieben.

Sagenschneider: Das hat uns ja auch dieser Stern-Bericht deutlich gemacht, dass die Folgekosten eben weitaus größer sind, als die Prävention.

Schubert: Richtig.

Sagenschneider: Frau Schuber, ich danke Ihnen. Renate Schubert war das, sie ist die Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats "Globale Umweltveränderungen" der Bundesregierung.