Schriftstellerin Marguerite Duras

Leidenschaftlich bis zum Tod

Von Maike Albath · 04.04.2014
Beinahe im Jahresrhythmus legte Marguerite Duras neue Romane vor, die sich einer Einordnung in die französischen Strömungen entzogen, nebenbei drehte sie Filme. Mit ihrem Roman 'Der Liebhaber' landete sie 1984 den bis dahin größten Verkaufserfolg der französischen Nachkriegsliteratur. Vor 100 Jahren wurde sie geboren.
Es gebe Leute, die glaubten zu schreiben und solche, die tatsächlich schrieben, sagt Marguerite Duras 1984 kurz nach der Auszeichnung mit dem Prix Goncourt für ihren Roman 'Der Liebhaber'; sich selbst zählt sie zu den letzteren. Stolz und schonungslos gibt Duras Auskunft über ihr Leben. Ihr Alkoholismus kommt ebenso zur Sprache wie die Vernachlässigung während der Kindheit in Französisch-Indochina, wo sie als Tochter des Lehrerehepaares Donnadieu am 4. April 1914 geboren wurde. Ihr Vater starb 1918, und die labile, gewalttätige Mutter brachte den Unterhalt für ihre Kinder kaum auf.
"Wir wuchsen komplett hemmungslos auf. Es hatte etwas Brutales. Meine Mutter kümmerte sich nicht. Auch meine Brüder erlebten das so. Wir waren höhere Tiere, schreckliche wilde Tiere."
In 'Der Liebhaber' kehrt Marguerite Duras nach Saigon zurück. In knappen, harschen Sätzen taucht sie ein in ihr Gefühlsleben als Fünfzehnjährige.
"Ich sage zu ihm, dass ich ihn begehre. Er sagt, ich solle noch warten. Er redet, er sagt, er habe sofort gewusst, dass ich so sein würde nach meinem ersten Liebhaber, dass ich die Liebe lieben würde, er sagt, er wisse bereits, dass ich ihn betrügen, dass ich alle Männer, mit denen ich zusammenkäme, betrügen würde."
Marguerite verließ ihren Freund tatsächlich und ging 1931 nach Frankreich, wo sie Mathematik und Jura studierte. Sie nannte sich jetzt Duras, nach dem Geburtsort ihres Vaters, wurde Sekretärin im Kolonialministerium und verfasste eine Lobeshymne auf den französischen Kolonialismus. Doch ihre politische Haltung wandelte sich. Sie heiratete den Widerstandskämpfer Robert Antelme, veröffentlichte ihr literarisches Debüt und wurde in der Résistance aktiv. Eine komplizierte ménage a trois mit dem Schriftsteller Dionys Mascolo begann, gleichzeitig musste sie auch in der Résistance den Kontakt zu den Kollaborateuren halten. Ihr Mann kam in ein Konzentrationslager. Antelmes unerwartete Rückkehr verarbeitete Duras in dem Buch 'Der Schmerz', ihrem eindrucksvollsten Text.
Beinahe jährlich ein neues Buch
"Der Arzt ist gekommen. Er ist abrupt stehengeblieben, die Hand auf der Türklinke, sehr blass. Er hat uns angesehen, dann hat er die Gestalt auf dem Sofa angesehen. Er verstand nicht. Und dann hat er verstanden: Diese Gestalt war noch nicht tot, sie schwebte zwischen Leben und Tod."
Von Duras über Monate gepflegt, erholte sich Antelme. Einen Sohn bekam sie dann mit Mascolo. Beide Beziehungen zerbrachen; der Haushalt zu dritt blieb bestehen. Duras wurde zu einer strikten Kommunistin, galt aber wegen ihrer nächtlichen Exzesse in den Lokalen von Saint-Germain-des-Prés bald als hoffnungslos bourgeois, weshalb man sie 1950 aus der Partei ausschloss. Ihren großen Durchbruch hatte Marguerite Duras mit einer Auftragsarbeit: Für Alain Renais verfasste sie 1959 das Drehbuch zu 'Hiroshima, mon amour', einer kühl und sprunghaft erzählten Liebesgeschichte, in der das Private mit dem Politischen in Widerspruch gerät.
"- Du hast nichts gesehen von Hiroshima. Nichts.
- Ich habe alles gesehen, alles."
Von nun an veröffentlichte Duras beinahe jährlich ein Buch, schrieb Theaterstücke und drehte experimentelle Filme. Ihr großes Thema blieb das Begehren in all seinen Ausprägungen. Der Vorwurf, Literatur in Serie zu produzieren, kümmerte die Erfolgsautorin nicht. Trotz dramatischer Schreibkrisen empfand sie das Alter als einen produktiven Zustand.
"Man glaubt, dass es etwas sehr Gewaltiges, Dramatisches sei, denn es bedeutet, auf den Tod, auf das Ende zuzugehen. Ich empfinde keine Resignation. Es ist eine Art von Fatalität."
Zwei Mal beförderte sie ihre Sucht in ein mehrtägiges Koma. Am 3. März 1996 starb Marguerite Duras. In ihrem Roman 'Der Liebhaber' dauert die Leidenschaft bis zum Lebensende.
"Er sagte ihr, dass er sie immer noch liebe, dass er nie aufhören werde sie zu lieben, dass er sie lieben werde bis zu seinem Tod."