Schriftsteller Frank O'Connor

Proletarisch, trinkfest, lebenslustig

Die Cliffs of Moher an der Westküste der Grafschaft Clare sind an ihrem höchsten Punkt 214 Meter hoch und erheben sich acht Kilometer lang über dem Atlantischen Ozean
Bekannt wurde der irische Schriftsteller Frank O'Connor durch seine melancholischen und lebenshungrigen Kurzgeschichten. © picture alliance / dpa / Frank Baumgart
Von Ruth Fühner · 10.03.2016
Maler wollte er werden, doch Farben waren teuer. So entschied sich Frank O'Connor, Schriftsteller zu werden, denn dafür reichten ihm Stift und Heft. Seine Kurzgeschichten prägten das Bild des unabhängigen Irlands. Vor 50 Jahren starb er.
"Die McCarthys veranstalteten beim kleinsten Anlass ein Fest. Ihre Leichenwachen und Begräbnisse endeten alle mit einem Fest, und ihre Taufen wurden schließlich auch zu einem Fest.
Eine Prozession McCarthyscher Kinder, alle rothaarig, zog – einem ägyptischen Wandgemälde gleich – ins Haus, und ein jedes brachte etwas angeschleppt, eins den Trichter eines Grammophons, ein anderes das Grammophon selbst, ein drittes trug ein paar Platten, ... das siebente hielt in jeder Hand einen Becher und hatte sich einen Korkenzieher hinter den Bindfaden-Hosenträger geklemmt. So ging es weiter, bis alles im Haus war, und am nächsten Tag gegen Mittag war es dann wieder ratzekahl und leer."
Das katholische Arbeitermilieu und die IRA prägten ihn
Typisches Frank-O'Connor-Personal: proletarisch, trinkfest, lebenslustig und, natürlich katholisch. Ein Milieu, in dem sich O'Connor auskannte. Geboren wurde er 1903 als Michael Francis O'Donovan. Die angebetete Mutter war zeitlebens krank, für den Arzt kein Geld da und der Vater entweder abwesend oder betrunken. Die Schule musste der Sohn mit zwölf beenden.
Damals durchlebte Irland bewegte Jahre. 1919 erkämpfte sich ein Teil der Insel die Unabhängigkeit von England – und stürzte direkt in einen Bürgerkrieg. O'Connor schloss sich der IRA an, die die Unabhängigkeit auch für Nordirland forderte. Ihre Niederlage bezahlte er mit einer zweijährigen Gefängnisstrafe. Auf seine Erfahrungen als Soldat war er später nicht besonders stolz, wie seine Autobiografie "Einziges Kind" ("An Only Child") zeigt.
"Das war alles, wohin uns unsere Romantik geführt hatte: ein elender Versuch, das Haus einer Witwe niederzubrennen, die Gewehrkolben und Bajonettstiche wahnwitziger Soldaten, eine arme Frau aus dem Elendsviertel, die in einer Kirche kniete und einen Gott anflehte, der sie nicht erhören konnte, und dann eine Kasernenmauer mit einem selbstgefälligen Schaumschläger von Priester, der seine Gebete murmelte."
In Haft bildete er sich weiter
Die Haftzeit nutzte O'Connor zum Lesen und Sprachenlernen – und für eine preisgekrönte Studie über den russischen Schriftsteller Turgenjew. Von da an schien der Weg nach der Entlassung fast vorgezeichnet. O'Connor fand eine Anstellung als Bibliothekar, seine ersten eigenen Erzählungen erschienen 1931 – und sie gerieten prompt auf den Index. Der kritische Blick der Figuren auf die politischen Auseinandersetzungen der jüngsten Zeit, passten nicht ins Selbstverständnis des neuen Staates. Aber O'Connor lökte auch gegen die katholische Sexualmoral, z. B. in der Erzählung "Mein Ödipuskomplex".
"Vater und ich verkehrten kühl und höflich miteinander. Ich konnte immer noch nicht verstehen, weshalb Mutter ihn so gern hatte. Eines Abends, als er besonders abscheulich war, unterbrach ich ihn ganz ruhig:
'Mami, wenn ich groß bin, heirate ich dich!'
'Ja, mein Herzchen', antwortete sie freundlich.
Aber Vater legte die Zeitung hin und lachte laut heraus.
'Ja', sagte ich voll Verachtung, 'und Kinder werden wir auch haben.'"
Kurzgeschichten machten ihn bekannt
Schnell schaffte O'Connor den Anschluss an die lebendige Dubliner Literatenszene. 1937 wurde er in die Leitung des Irischen Nationaltheaters, des Abbey Theatre, berufen, schied aber nach zwei Jahren im Unfrieden.
O'Connor schrieb Stücke, Romane, zwei Autobiografien, Gedichte und Essays. Heute ist er vor allem für seine short stories berühmt. Oft sind sie erzählt aus der Perspektive von Kindern, die in ihrer Naivität die rätselhafte Welt der Erwachsenen nicht recht durchschauen. Nicht, dass die Erwachsenen viel mehr von der Welt verstünden – dazu stecken sie meist zu fest in der Unbildung, zu der ihre Armut sie verurteilt hat, und die Kluft zwischen ihren Ansichten und der Wirklichkeit ist oft abgrundtief komisch. Kein Wunder, dass sich ihre Wunschträume immer wieder zerschlagen.
Frauen - das starke Geschlecht Irlands
Die Stärkeren sind bei O'Connor im Übrigen meist die Frauen:
"In all diesen Familien herrschte das Matriarchat. Es war ein Irland, das zur Bequemlichkeit eines bestimmten Mannes so eingerichtet wurde und wo die Frauen – von denen einige begabter als jeder Mann der Familie waren und ihr Leben genauso in die Schanze schlugen – schwerer als Dienstmädchen arbeiteten und wahrscheinlich nie einsehen werden, weshalb ich, wenn ich auf jene Zeit zurückblicke, eher an sie als an ihre Brüder denke."
Frank O'Connors melancholische und zugleich lebenshungrige short stories prägten die Identität des unabhängigen Irland – aber auch das Bild Irlands in der Welt.
In den 50er-Jahren siedelte O'Connor in die Vereinigten Staaten über und lehrte an verschiedenen Universitäten. Gestorben aber ist er am 10. März 1966 in seiner Heimat, in Dublin.