Schriftsteller Dario Fo

Mit 90 hat er noch Wut im Bauch

Dario Fo in Rom.
Theaterautor, Regisseur, Satiriker und Schauspieler: Dario Fo in Rom. © picture alliance / dpa / Riccardo De Luca
Von Jan-Christoph Kitzler · 24.03.2016
Der Autor Dario Fo hatte noch nie Respekt vor den Mächtigen. Dafür wurde er lange hart attackiert. Nun wird Italiens unbequemer Nobelpreisträger 90 Jahre alt - und gibt sich noch immer wie ein wütender Jungspund.
Er kann es nicht lassen – auch mit seinen 90 Jahren muss Dario Fo sich immer noch einmischen. Gerade erst hat er scharf gegen Öl- und Gasbohrungen vor der italienischen Küste Stellung bezogen. Dem Kandidaten, den Silvio Berlusconi zum neuen Bürgermeister von Rom machen will, bescheinigte er vor ein paar Tagen: er habe ein Arschgesicht.
"Ich informiere mich, weiß was läuft. Ich lasse mir Romane vorlesen und Bücher über Wirtschaft und Politik. Das fehlt noch, dass ich nicht informiert bin. Jeden Tag lese ich die Artikel, die ich brauche und ich schreibe. Für Zeitungen, fast immer informiere ich über das, was passiert. Ich versuche den Menschen die Augen zu öffnen."
"Ich sehe schwarz, denn es fehlt die richtige und ehrliche Einbeziehung der Bürger"
Dario Fo war noch nie ein Mann des feinen Floretts, eher ein Freund der harten Schläge. Und auch mit 90 Jahren hat er noch immer eine ziemliche Wut im Bauch. Wenn man ihn trifft kommt diese Wut liebenswürdig und charmant daher. Aber dennoch wird zum Beispiel ziemlich schnell klar, wie schwarz der Nobelpreisträger für sein Land Italien sieht. Er unterstützt die Protestbewegung "Fünf Sterne". Von der Politik der Regierung von Matteo Renzi hält er nicht viel, daran ändert auch der Kulturminister nichts, der eigens gekommen ist, um zu gratulieren:
"Ich sehe schwarz, denn es fehlt die richtige und ehrliche Einbeziehung der Bürger. Versprechen werden nicht eingehalten. Es gibt keine Klarheit darüber, wer die Partei ist, die sich demokratisch nennen lässt. Und all das und dass man moralisch, zivil unehrlich ist sorgt dafür, dass die Leute die Politik nicht mehr ertragen können."
Dario Fo hat lange Kämpfe hinter sich. Zusammen mit Franca Rame, der Frau, mit er über Jahrzehnte symbiotisch zusammengelebt und gearbeitet hat. Ihre Theaterstücke waren echte Aufreger: um gerechte Preise ging es, offene Beziehungen, um biblische Geschichten und Heilige. Respekt hatten Fo und Rame, die vor fast drei Jahren gestorben ist, vor nichts und niemandem.
Schauspieler, Maler, Berserker und Narr
Und es gab die, die das gesellschaftszersetzend fanden. Es gab Gegenwind:
"Irgendwann haben sie uns mit mehr Härte blockiert. Sie haben versucht, uns Bomben vors Theater zu legen, sie wollten uns abfackeln, gegen mich gab es rund 40 Prozesse, einen nach dem anderen. Auch gegen Franca. Und dann gab es die Gewalt gegen sie. Wir haben schreckliche Gewalt ertragen. Aber wir haben uns immer wieder erholt."
16 Jahre war Dario Fo im italienischen Fernsehen ausgesperrt. Seit dem Nobelpreis 1997 aber hat sich das geändert. Seitdem ist Dario Fo eine nationale Angelegenheit in Italien. Den Preis haben sie beide, Franca Rame und er, gewonnen sagt er. Und: Er ist vielleicht nur eine schöne Erfindung. Denn es gab auch viel Kritik: Dass ausgerechnet dieser Schauspieler, Maler, dieser Berserker und Narr, der nebenbei auch manchmal schreibt, diesen Preis bekommt, haben viele nicht verstanden:
"Für sie gab es eine Art Kaste von Schriftstellern, die vorgaben das Recht zu haben, diesen Preis zu bekommen. Das Recht auf den Nobelpreis hatten nur die echten Literaten. Und dann kommt ein Schauspieler und gewinnt den größten Preis! Das hat gestört, viele haben sich sehr geärgert. So sehr, dass man sich hassen konnte."
"Ich habe nicht gelebt, damit man sich an mich erinnert"
In Verona wurde Dario Fo dieser Tage gefeiert. Er hat der Stadt sein privates Archiv übergeben. Auch da kann man sehen, wie vielseitig er ist: natürlich gibt es Texte, aber auch viele Bilder, Puppen, Bühnenbilder, Kostüme… Nicht ganz einfach ist es, sich ein Bild zu machen, von dieser Schaffenskraft. Aber was davon wird bleiben?
"Das wirkt vielleicht etwas seltsam, aber ich habe nicht gelebt, damit man sich an mich erinnert. Aber vielleicht könnte ich ja als der in Erinnerung bleiben, der seine Einfälle aus dem Morast gezogen hat, und auch das Naive das Unbedarfte."
So will er es weiter halten, so lange es noch geht. Mit seinen 90 Jahren wirkt er dabei erstaunlich stark, manchmal fast wie ein wütender Jungspund.
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