Schriftsteller Benedikt Dyrlich

"Jeder kann Sorbe werden!"

Der sorbische Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer Benedikt Dyrlich sitzt im Studio von Deutschlandradio Kultur hinter einem Mikrofon.
Der sorbische Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer Benedikt Dyrlich im Studio von Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio / Annette Bräunlein
Moderation: Matthias Hanselmann · 31.08.2016
Benedikt Dyrlich ist Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer. Und Sorbe. Die Liebe zur Sprache hat ihn früh erwischt. Wir sprechen mit ihm über das Leben der Sorben in der DDR und heute, über Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt.
Die Geschichte von "Krabat" und der schwarzen Mühle ist wohl die bekannteste aus der Lausitz. Doch der Schatz an Märchen und Legenden der Sorben ist noch viel größer. Der sorbische Schriftsteller Benedikt Dyrlich schöpft daraus und ihm ist es ein Anliegen, dass die sorbische Kultur nicht auf die Folklore reduziert wird.
Benedikt Dyrlich ist in einem kleinen Dorf bei Bautzen geboren, seine Muttersprache ist sorbisch. Erst in der Schule lernte er deutsch. Schon als Kind genoss Dyrlich seine Zweisprachigkeit und Sprache im Allgemeinen.
"Ich persönlich habe diese Zweisprachigkeit, das Sorbische und später auch das Deutsche, als eine Lust empfunden immer, als eine Ursprünglichkeit, etwas Schöpferisches. Also für mich ist die sorbische Sprache nie eine Last gewesen und die deutsche Sprache später dann auch nicht. Aber ich wusste ganz genau, wenn ich schreiben will, Gedichte schreiben will oder auch kurze Prosa – was ich immer gemacht habe – dann brauche ich auch die unmittelbare Erfahrung, die Wahrnehmung dieser Sprache in der Öffentlichkeit, im familiären Umfeld usw."

Krabat wurde zu einer weltberühmten Figur

Er wuchs mit Geschichten von der Mittagsfrau, dem Zauberer Krabat und dem Schlangenkönig auf.
"Die 'Mittagsfrau' ist für mich etwas, was absolut als Kind erfahrbar war. Die bedrohliche, weise Frau, die mit einer Sichel die Bäuerinnen mittags auf dem Feld drangsaliert, weil sie dort die Pause nicht eingelegt haben, sondern einfach weiter arbeiten. Die kam in einem weißen Kleid daher. Das ist eine wichtige Figur gewesen. Natürlich auch dann 'Krabat', dieser Zauberer, der sorbische. Das ist eine heute ja fast weltberühmte Figur geworden, wie der 'Faust'. Das alles hatte eine große Rolle schon in meiner Kindheit gehabt."

Mitten im sozialistischen Realismus der DDR entwickelte er seinen dichterischen Ton. Seine Themen und Bilder findet er auch im Reichtum der sorbischen Kultur, die selbst dem kollektivistischen Geist des Sozialismus und dem Atheismus widerstand.
"Ich würde sagen, das typisch Sorbische ist, dass man viele Feste feiert. Das man im Rhythmus des Jahres nach dem katholischen oder lutherischen Kalender und nach heidnischen Bräuchen das Leben gestaltet in einer Rhythmik die Plus und Minus immer hat. Also Freude und dann wieder Askese usw. Das ist etwas typisch Sorbisches. Und dazu gehört natürlich auch gut Essen und Trinken, Tanzen, Singen vor allem. Und auch die religiösen Traditionen spielen eine sehr große Rolle im Sorbischen."

Übersetzung der Bibel ins Sorbische

Benedikt Dyrlich arbeitet auch an einer Übersetzung der Bibel ins Sorbische mit, ist seit 38 Jahren einer der Organisatoren des sorbischen Poesie-Festivals und war viele Jahre Chefredakteur der Sorben-Zeitung "Serbske Nowiny" . Als SPD-Politiker saß er im sächsischen Landtag und schrieb an der sächsischen Landesverfassung mit.
"Gott hat die Lausitz erschaffen, aber der Teufel die Kohle darunter", heißt es über seine sorbische Heimat. Dass es selbst nach der Wende noch, Dörfer und Landschaften dem Braunkohletagebau zum Opfer fielen, ist für ihn schwer zu verschmerzen.
"Das Bedauerliche war, dass diese extensive Kohlepolitik der DDR faktisch die ganzen Landschaften kaputt gemacht hat, den ganzen ländlichen kulturellen Raum der evangelischen Sorben. Es ist aber ein Kultur- und Sprachraum, der kaputt gemacht worden ist. Und auch nach der Wende haben wir weder in Brandenburg noch in Sachsen mit der CDU, mit der SPD, mit den Linken, mit der FDP nicht erreicht, dass endlich mal – wenn es um die Zukunft dieser ländlichen sorbisch-deutschen Region geht – auch darüber nachgedacht werden sollte, wie dort die Industriepolitik gestaltet werden soll."
Wie man Sorbe werden kann und außerdem den österreichischen Schriftsteller Peter Handke zum Vortragen eines Gedichts überreden, darüber hat sich Benedikt Dyrlich mit Matthias Hanselmann unterhalten.
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