Schriftsteller Alain Mabanckou

Der Kinderblick auf politische Widersprüche

Der Schriftsteller Alain Mabanckou
Für sein Debüt erhielt der Schriftsteller Alain Mabanckou 1998 den "Grand prix littéraire d’Afrique noir". © Imago/Leemage
Von Birgit Koß · 24.02.2015
In seinem neuen Roman "Morgen werde ich zwanzig" nimmt der preisgekrönte afrikanische Autor Alain Mabanckou den Leser mit in seine Heimatstadt Pointe-Noire. Ein Heranwachsender deckt darin gnadenlos ehrlich die politischen Ungereimtheiten in der Republik Kongo auf.
Alain Mabanckou gilt als große, mehrfach ausgezeichnete Stimme der frankofonen afrikanischen Literatur. 1966 geboren und aufgewachsen in der Republik Kongo, begann er dort sein Jurastudium, das er dann mit Hilfe eines Stipendiums in Paris beendete. Neben seiner Arbeit in einem französischen Wirtschaftskonzern begann er zu schreiben und erhielt 1998 für sein Debüt den "Grand prix littéraire d’Afrique noir".
Mit seinem neuesten Roman "Morgen werde ich zwanzig" führt uns Alain Mabanckou in seine Heimat nach Pointe-Noire, der zweitgrößten Stadt in der Republik Kongo, Ende der 70er-Jahre. Sein Protagonist Michel ist zehn Jahre alt. Mit ihm und aus seiner Perspektive erfahren wir alles über die Gedanken und Nöte des Zehnjährigen, sowie über seine Familie, Freunde und Nachbarn.
Aber Michel lässt uns auch teilhaben an seiner Sicht des Landes und der großen Weltpolitik, die mit Hilfe eines Radios zu seiner Familie gelangt und von Papa Roger für seine Frau und seinen Sohn erklärt wird. Da gibt es so manche Ungereimtheiten: Warum will sich niemand um den gestürzten, kranken Schah von Persien kümmern, wo doch der verjagte Diktator Idi Amin in Saudi Arabien sein Auskommen gefunden hat? Wenn die Vietnamesen über die Grenze gehen, um die Roten Khmer zu vertreiben, können dann die Nachbarn auch einfach in die kleine Republik Kongo einfallen?
Der Schlüssel zum Bauch der Mutter
Doch viel mehr muss sich Michel Gedanken über seine gleichaltrige Freundin Caroline machen. Nachdem die beiden sich schon für verheiratet erklärt haben, beschließt Caroline plötzlich, dass sie sich viel stärker für den zwei Jahre älteren Fußballspieler Mabélé interessiert. Da helfen nur noch Gedichte für die Angebetete. In seiner Not nimmt Michel heimlich Zuflucht bei den Büchern seines Vaters und bittet den französischen Lyriker Arthur Rimbaud um Hilfe.
Alain Mabanckou nutzt die direkte Sprache und Perspektive des Zehnjährigen, um offen und gnadenlos ehrlich die Politik seines Landes und die Sitten und Gebräuche darzustellen und zu hinterfragen. Er beschreibt überaus lebendig die Widersprüche in der sozialistischen Volkrepublik Kongo, den Einfluss des allmächtigen Präsidenten und die Träume von Freiheit und Entwicklung. Zudem schlägt er einen überaus kritischen Bogen zurück zum kolonialen Erbe. Notfalls muss Papa Roger mit Erklärungen aushelfen, wenn Michel die Welt nicht mehr versteht. Über seine Mama Pauline, kommen die Themen Polygamie, Kindersterblichkeit und der Einfluss der Fetischeure in die Geschichte. So soll Michel den Schlüssel für den Bauch seiner Mutter versteckt haben und damit der Grund sein, dass sie keine weiteren Kinder bekommt.
Mit diesem Entwicklungsroman gelingt es Alain Mabanckou ein vergnügliches und abgerundetes Bild seiner Heimat Ende der 70er-Jahre zu zeichnen und gleichzeitig Denkanstöße zu geben, wie weit sich die Welt in dem letzten 35 Jahren verändert hat – nicht nur im Kongo.
Alain Mabanckou: Morgen werde ich zwanzig
Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2015
368 Seiten, 22,00 Euro

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