Schreiben als Boxkampf

Von Brigitte Neumann · 14.03.2011
Tino Hanekamp gibt gerne den jugendlichen Dandy und Clubkönig mit Stil. Der 31-jährige Musikveranstalter hat nun mit "So was von da" einen Roman über die Hamburger Musikszene geschrieben.
Dunkler Anzug, rabenschwarzes Haar, aufmerksamer Blick. Und noch schnell eine Zigarette. Tino Hanekamp gibt die ersten Interviews zu seinem ersten Roman. Titel: "So was von da".

"Es war das Schlimmste, was ich je gemacht hab. Ich hatte auch eine Kindbettdepression kann man das glaub ich nennen. Die letzten drei Monate und dann als ich fertig war, hab ichs gehasst."

"So was von da" ist ein fliegenbeinleicht getexteter Schlüsselroman rund um die Macher der Hamburger "Weltbühne", einem legendären Musik-Club auf der Reeperbahn, den es nicht mehr gibt. Die "Weltbühne" war das Wohnzimmer der Hamburger Indie-Szene: puff-rotes Ambiente, Stehlampen, winzig kleine Bühne. Die Bands Kettcar oder Die Sterne traten dort auf, aber auch krude Redner mit Themen wie "Die Poplinke versus Bushido".

Im Zentrum des Romans von Tino Hanekamp steht ein kräftig schlingerndes Kerlchen namens Oskar Wrobel. Er ist 20 und pleite, aber er liebt Mathilda, Tequila, Baudelaire und seinen Club, die "Weltbühne". Oskar Wrobel trägt unverkennbar die Züge Tino Hanekamps, der tatsächlich 2004 die "Weltbühne", Untertitel: "die Bar für den kulturell aufgeschlossenen Trinker", an der Reeperbahn eröffnete. Hanekamp denkt an die Zeit zurück:

"Einen kleinen unkommerziellen Club in einem stillgelegten Krankenhaus zu machen, ist ja eine fixe Idee. Das ist ja Quatsch, das führt ja zu nichts. Man schafft einfach nur einen kleinen Raum, wo Leute ihrerseits ihre fixen Ideen ausleben können, die alle nicht auf Verwertbarkeit hin gerichtet sind."

Schutzraum, Mikrokosmos, Labor für Daseinsexperimente nennt der 31-Jährige den Club, greift zu einer Zigarette und streckt sich. Vielleicht spürt er eine Reststeife aus der Zeit monatelanger Schreibfron. Was für ihn hieß: Immer wieder anfangen, verwerfen und es neu versuchen.

"Ich hab mich jedes Mal tatsächlich gefühlt, als würde ich in einen Boxring steigen. Und nicht wissen, ob ich zwei Stunden später auf den Brettern liege oder mich noch einigermaßen in den Seilen halten kann."
Aber Tino Hanekamp lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Das hat er von zu - Hause gelernt.

"Mein Vater hat mir eigentlich immer nur gesagt, dass ich keine Ahnung hab und dass ich nichts weiß und so. ( ... ) Nichts gegen meine Eltern. Das hat sicherlich auch was Positives gebracht, dass ich immer das Gefühl hatte, ich muss mich gegen alle selber beweisen. Ich hab dabei immer gedacht, ich kann das nicht. Aber ich zeig's euch trotzdem. Es war ja so eine Trotzreaktion, würd ich sagen."

Literatur ist ihm eine Art Zuflucht daheim. Sein Vater – ein Lehrer – hat keine schlechte Bibliothek. Aus der Literatur hat Hanekamp auch seine Vorliebe für Sonderlinge, bunte Vögel und Gegen-den-Strom-Schwimmer: für Künstler.

"Kunst ist so wichtig für uns alle. Sie hilft uns, unser normales Leben zu leben. Dafür ziehen die Leute jeden Tag wieder raus in die Schlacht gegen sich selbst."

In Hamburg arbeitet Hanekamp zuerst als Musikjournalist, hat aber die Kritikerattituden bald satt, und wird stattdessen Musikveranstalter. Sein erster Club, die "Weltbühne" im Stadtteil St Pauli, muss nach nur eineinhalb Jahren schließen, weil ein Investor auf dem Gelände eine Privatklinik eröffnen will. Mit einem Freund gründet Hanekamp 2005 den nächsten, einen weitaus größeren Club, das "Uebel & Gefährlich" im Hamburger Karolinenviertel.

"Das ist ein großer Glücksfall. Wir sind in einem Hochbunker mit vier bis fünf Meter dicken Stahlbetonwänden. Den kann man einfach nicht abreißen. Wohnungen kann man hier auch nicht so richtig machen. Deswegen sind wir hier ziemlich sicher in unserer Trutzburg."

Aber zehn Jahre lang Party machen, Gastgeber, Ermöglicher, Musikveranstalter und gewissermaßen auch Energiespender sein, das schlaucht, behauptet Hanekamp jedenfalls. Dabei sieht er aus, als hätte er eine Woche Schlafkur hinter sich.

Mit 16 hat er sich noch im sächsischen Kaff Wippra, seinem Heimatort, mit Neonazis geprügelt. Jetzt wohnt er in einem Hamburger Szeneviertel zwischen portugiesischen Cafés und türkischen Teestuben, nicht weit von seinem Club entfernt.

"Ich würde mich fast als Soziopath bezeichnen, was völlig übertrieben ist. Aber mich stresst das total, mit Menschen zusammen zu sein. Weil ich nicht auf einer oberflächlichen Art mit Menschen zusammen sein will, sondern eng und tief, nä, was selten gelingt in dem ganzen Wahnsinn, in dem man sich immer befindet."

Tino Hanekamp spielt mit dem Gedanken, woanders neu anzufangen.

"Ich will ja einfach hier nur noch weg."

Der Grund: Hamburg-Überdruss! Die Stadt ist ihm zu sauber und ordentlich geworden. Genau wie das Szenepublikum.

"Mit Anfang 20 sollte man doch mal an das Limit gehen, um zu gucken, wo das Limit ist. Aber trotzdem hat man das Gefühl, unsere Generation ist von Angst getrieben. Und traut sich nicht hoch und traut sich nicht raus."

Deshalb hat Tino Hanekamp Ende letzten Jahres eine weitere Spielwiese für die Szene eröffnet, das "Golem" am Hafenrand – eine puffrotes Etablissement, so winzig und so heimelig wie weiland die "Weltbühne". Aber: Wieso macht einer eine Bar auf, wenn er doch wegwill? Vielleicht heißt das ja: Wenn Hamburg Glück hat, dann bleibt Tino Hanekamp da.

Service:
Tino Hanekamp geht mit seinem neuen Buch auf Lesereise durch Deutschland.

Tino Hanekamp: So was von da, Roman
Kiepenheuer und Witsch
Erscheinungsdatum: 14. März 2011
288 Seiten, Broschur
14,95 Euro