Schreckensherrschaft

Von Barbara Geschwinde · 07.01.2009
Sie befreiten das Land vom Regime der Roten Khmer. Deren Führer Pol Pot floh mit einem Militärhubschrauber nach China. In seiner Heimat ließ er mindestens zwei Millionen Tote und etwa vier Millionen hungernde Menschen zurück.
Zitat "Durch die Stille der Nacht" von Daran Kravanh: "Da die Roten Khmer ihr oberstes Ziel darin sahen, Kambodscha zu seinen Wurzeln zurückzuführen und wieder in einen Agrarstaat zu verwandeln, richtete sich die Arbeit überwiegend an diesem Bestreben aus. Obwohl wir dank der Fronarbeit Reis in großer Menge erzeugten, wurde dieses Grundnahrungsmittel in Säcke verpackt und auf Lastwagen abtransportiert, wohin auch immer. Man sagte uns nicht, für wen er bestimmt war, und wir fragten nicht. Wir erhielten nur eine einzige Schale Reis am Tag, manchmal sogar weniger. Wir alle wurden dünn, klapperig und schwach."

Der kambodschanische Augenzeuge und Autor Daran Kravanh beschreibt in seiner Autobiographie "Durch die Stille der Nacht" die vierjährige Schreckensherrschaft der Roten Khmer unter Pol Pot. Er musste mit ansehen, wie viele seine Wegbegleiter verhungerten, an Erschöpfung starben oder vor seinen Augen brutal getötet wurden. Er selbst überlebte nur, weil sein Talent, Akkordeon zu spielen, ihn rettete. Pol Pot hatte versucht, Kambodscha in einen kommunistisch-maoistischen Bauernstaat zu verwandeln. Intellektuelle, vor allem die bildungsnahen Schichten der Städte, wurden verfolgt; Familien auseinander gerissen und Frauen und Männer zwangsverheiratet, um Kinder zu "produzieren".

Ende 1978 marschierten die Vietnamesen in Kambodscha ein, um das Pol Pot Regime zu stürzen und eine pro-vietnamesische Regierung zu installieren. Am 7. Januar 1979 erreichten sie die Hauptstadt Phnom Penh. Der Politikwissenschaftler Oliver Hensengerth:

Oliver Hensengerth: "Dieser Einmarsch, der Ende Dezember dann stattfand, hat am 7. Januar sozusagen seinen Höhepunkt gefunden, in dem man eben Phnom Penh eingenommen hat und das Pol Pot Regime von dort verdrängt hat, Pol Pot ist dann mit seinen Mannen an die thailändische Grenze geflohen, hat dort sein Lager aufgeschlagen und von da an entfesselte sich eigentlich ein kompletter Bürgerkrieg in Kambodscha, den das abgesetzte Regime gegen die neue vietnamtreue Regierung führte."

Der Einmarsch vietnamesischer Truppen und der Sturz Pol Pots brachten nicht den ersehnten Frieden für das südostasiatische Land. Die Vietnamesen installierten eine neue Regierung und gründeten die so genannte "Volksrepublik Kampuchea". Zahlreiche frühere Mitglieder der Roten Khmer, die nach Vietnam ins Exil geflüchtet waren, kamen nun an die Macht. Der Einmarsch der Vietnamesen war in der Exil-Szene der kambodschanischen Kommunisten in Vietnam vorbereitet worden:

Oliver Hensengerth: "Die Vietnamesen haben aus den Exil-Kommunisten eine Partei gegründet, in der zumeist die versammelt waren, die 1978 vor den Nachstellungen Pol Pots nach Vietnam geflohen sind, unter anderem der heutige Premierminister Hun Sen, und diese Partei ist dann eben 1979 auch tatsächlich an die Macht gekommen, und das Interessante ist, dass Hun Sen damals Außenminister wurde und sich über sämtliche Kriegsauswirkungen, die UNO-Mission und ein Putsch-Versuch 1998 tatsächlich bis heute an der Macht halten konnte."

Nach der Befreiung von den Roten Khmer ließen bürgerkriegsähnliche Zustände das Land beinahe zwei Jahrzehnte lang nicht zur Ruhe kommen. Noch heute leben die meisten Menschen in Armut und kämpfen tagtäglich um ihr Überleben. Die Pol Pot Zeit ist als Trauma im Bewusstsein der Menschen, die nicht darüber sprechen wollen. Der Diktator hatte mindestens zwei Millionen Tote und etwa vier Millionen hungernde Menschen zurückgelassen.

Im vergangenen Sommer hat das von den Vereinten Nationen geführte Völkermord-Tribunal seine Arbeit aufgenommen. Darin müssen sich fünf ehemalige Rote Khmer-Führer verantworten. Mit diesem Prozess werden sich viele wieder an die Schrecken der Vergangenheit erinnern und eine Aufarbeitung könnte beginnen. Die Beraterin der kambodschanischen Regierung für die Durchführung des Völkermord-Tribunals Helen Jarvis:

Jarvis: "Etwa ein Drittel der Bevölkerung des Landes wurde während der Herrschaft der Roten Khmer ausgelöscht. Und das bedeutet, fast jede Familie hat den Verlust von Angehörigen zu beklagen. Es gab grausame öffentliche Folterungen. Die Menschen wurden physisch und psychisch zerstört. Eine ganze Generation wurde ausgelöscht und mit ihr die Weisheit der Älteren und die ganze Infrastruktur des Landes. Also man kann sagen, jeder Kambodschaner kann als Opfer betrachtet werden."