Schöner wohnen im Kirchenstaat

Von Thomas Migge · 22.12.2012
Sie sind für den Blumenschmuck zuständig und stellen für die wöchentliche Audienz Tausende von Stühlen auf dem Petersplatz auf: die im Vatikan beschäftigten Mitarbeiter in der "Floriere". Ihr Chef, der päpstliche Raumausstatter, ist auch für die sechs Quadratmeter große Krippe in den privaten Papstgemächern zuständig.
"Wir erhalten rund einhundert Telefonate am Tag. Jeder will was von uns. Und es ist wirklich nicht einfach, alle zufrieden zu stellen. Leider fühlen sich hier alle ganz wichtig."

Paolo Sagretti blickt hilfesuchend zur hohen Decke seines Büros.

"Ich versuche es immer wieder mit Diplomatie. Ich verweise auf die Warteliste, auf Personen, die eher Anfragen gestellt haben, auf Dringlichkeitsfälle et cetera. Das verstehen aber viele nicht. Sie rufen andauernd an, schon nach drei Tagen und tun so, als ob zwei Monaten vergangen sind."

Sagretti schüttelt seinen Kopf und lächelt. Manchmal, meint er, sei das schon ein harter Job, denn viele kirchliche Würdenträger würden ihn ganz schön auf die Palme bringen:

"Viele dieser Personen verkehren untereinander. Da kommt es dann schon mal vor, dass jemand den Salon eines anderen besucht und dort ein Sofa sieht, dass schöner als seines ist. Und dann ruft man uns hier an und beschwert sich. Wir müssen also auch aufpassen, wem wir was zuteilen. Es ist überall das Gleiche, auch hier im Vatikan."

Der in einen dunklen eleganten Zweireiher gekleidete Paolo Sagretti, ein Mittfünfziger, ist für die Ausstattung aller Büros und Privatwohnungen des Kirchenstaates verantwortlich. Für Sofas und Betten, für Küchen und Esstische, für Madonnenbilder, Kruzifixe und Kunstwerke aus den eigenen Beständen. Er muss sich um tausende von Stühlen für Papstmessen auf dem Petersplatz und die mit Samt bezogenen Sessel bei diplomatischen Empfängen im Papstpalast kümmern, um Tischdecken und die Pflege hunderter von Kilometer Gardinen, um zahllose alte Gobelins, um Altargeschirr und Weihrauchgefäße sowie um den gesamten Hausrat des apostolischen Palastes, bis hin zum Bleistiftanspitzer für den Schreibtisch von Papst Benedikt XVI.

Sagretti ist der so genannte Floriere des Vatikans. Er leitet die apostolische Floreria. Ihr Sitz ist im Damasushof, direkt beim Papstpalast. Dort hat Sagretti auch sein Büro:

"Wir sind hier in der Floreria. Die ist Teil der Behörde für Dienstleistungen im Kirchenstaat. Früher kümmerte sich die Floreria vielleicht auch um den Blumenschmuck, wie der Name ja suggeriert. Es gab die Figur des Floriere schon lange, er hatte sich um die Zeremonien der Päpste zu kümmern. Aber viel ist über die Geschichte dieser Behörde nicht bekannt."

Kirchenhistorikern zufolge geht der Ursprung der Apostolischen Floreria auf das 14. Jahrhundert zurück. Die älteste dokumentarische Erwähnung eines "magister floreriae apostolicae" findet sich im Jahr 1391. Er hatte sich um die festliche Ausschmückung der päpstlichen Kapelle im Vatikanpalast zu kümmern, er war also auch für den Blumenschmuck verantwortlich. In einer in der Vatikanbibliothek aufbewahrten Handschrift aus der Zeit Papst Alexander V., 1409 bis 1410, heißt es, dass der magister floreriae Anspruch auf die Hilfe "zweier jugendlicher, starker, geeigneter und tüchtiger Diener" habe.

Der amtierende Floriere von Benedikt XVI. hat rund 40 Mitarbeiter, die rund um die Uhr alle Hände voll zu tun haben:

"Wir erfüllen Aufgaben für die Präfektur des päpstlichen Haushalts, für das Zeremonienbüro und für das Staatssekretariat. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, päpstliche Zeremonien zu organisieren."

Und das heißt, jeden Dienstag tausende von Stühlen auf dem Petersplatz aufzustellen für die traditionelle Generalaudienz, die immer Mittwochs stattfindet, wenn der Papst in Rom weilt. Oder, bei schlechtem Wetter, die Audienzhalle für tausende von Besuchern fit zu machen. Auch für das jährliche "Urbi et orbi" am ersten Weihnachtstag oder zu Ostern, wenn Benedikt XVI. Rom und den Erdkreis von der Benediktionsloggia des Petersdoms aus grüßt und segnet, muss der Platz vorbereitet werden. Wie auch die Benediktionsloggia mit dem Sessel für den Papst. Sagretti ist auch für elektrische Heizgeräte zuständig, die immer dann neben dem Papstsessel aufgestellt werden, wenn es besonders kalt ist.

Der Begriff des "Floriere", des Chefs der Floreria, taucht erst unter Papst Urban VIII. auf, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Während des prunkliebenden Barock hatten die Amtsinhaber der Floreria ständig alle Hände voll zu tun. In den wirtschaftlich schwierigeren Zeiten während des Pontifikats von Pius VII. in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Floreria auf eine "Garderobe" mit nur wenig Personal reduziert. 1815 entstand die Behörde in heutigen Form. Seit 1929 unterstehen Paolo Sagretti und seine Mitarbeiter dem vatikanischen Governatorat, dem logistischen Herz des Zwergstaates.

Sagretti ist ein Mann, der die Dinge beim Namen nennt. Er spricht ganz offen von der Eitelkeit vieler Geistlicher im Papststaat, denn er hat auch die Aufgabe, sich um ihre Unterkünfte zu kümmern:

"Eine weitere aufwändige Aufgabe ist die Einrichtung aller vatikanischen Wohnungen. Von der päpstlichen bis zur Wohnung eines x-beliebigen Monsignore."

In dutzenden von Magazinen, die mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen aller Art und aus verschiedenen Jahrhunderten vollgestopft sind, werden die Bestände der Floreria gelagert. Sie sind alle computertechnisch erfasst, denn, so Paolo Sagretti, nach dem Tod eines kirchlichen Würdenträgers lassen dessen Verwandte gern die kostbarsten Stücke mitgehen. In diesem Fall schickt der Floriere seine Mitarbeiter aus, ausgerüstet mit Fotografien der vatikaneigenen Bestände, um diese wieder zurückzuholen.
In der Vorweihnachtszeit kümmert sich die Floreria auch um die Krippe in der Privatwohnung des Papstes. Keine x-beliebige Krippe, erklärt Sagretti:

"Das ist jedes Jahr eine andere Krippe. Wir richten uns immer nach dem Geschmack des Heiligen Vaters oder seiner Vorgaben. Im vergangenen Jahr hatten wir in der Papstwohnung den Spazierweg des Papstes, den er bei gutem Wetter in den Vatikangärten abgeht, rekonstruiert. Der Papst war sehr zufrieden und hatte sich alle Einzelheiten der Krippe genau angeschaut."

In der Regel ist die päpstliche Privatkrippe sechs Quadratmeter groß. Welche Motive sie in diesem Jahr zeigen wird? Auf diese Frage schweigt der Floriere von Benedikt XVI. Das sei geheim, sagt er, jedenfalls bis Weihnachten. Dann nämlich druckt die vatikanische Tageszeitung "Osservatore Romano" auf der Titelseite ein Foto der aktuellen Krippe. Aber bis dahin ist Stillschweigen angesagt, und Paolo Sagretti lächelt nur höflich, ohne ein einziges Wort zu verraten.
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