Schön war die Zeit

08.11.2010
Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai debütiert auf dem Buchmarkt mit der Geschichte ihrer deutsch-iranischen Familie - und lässt einige Fragen offen.
24 Jahre ist es nun her, dass Jasmin Tabatabai das letzte Mal im Iran war. Zur Beerdigung ihres Vaters. Er lebte damals in Teheran, zu einer Zeit, als seine deutsche Frau und die Kinder längst nach Deutschland gegangen waren, denn ein Leben im Iran des Ayatollah Chomeini war für sie undenkbar.

Der Schah hatte, so sahen sie es, immerhin für eine gewisse innere Liberalität gestanden. Die islamische Revolution fegte die Freiheiten hinweg. Durch die Familie Tabatabai ging nun ein Riss. Cousinen und Cousins, Onkel, Tanten – einige begrüßten die neue Zeit, andere rannten davon, in den Westen. Bis dahin, so bezeichnet es Jasmin Tabatabai in ihrem Buch, verbrachte sie "Rosenjahre" im Land – eine schöne Zeit in einer gastfreundlichen, warmherzigen Großfamilie.

Ihre deutsche Mutter Rose hatte ihren persischen Vater Taba im München der 50er Jahre kennengelernt und ging mit ihm in den Iran – damals eine radikale Entscheidung für eine junge Frau in einer politisch gespaltenen Welt. Der Iran war weit weg – kulturell und geografisch. Sie musste dort zwei Dinge lernen: Man war nie allein. Immer waren Gäste da, die Privatsphäre zählte wenig.

Und: So modern auch immer sich viele gaben – Männer galten mehr als Frauen. Vater Tabatabai gehörte dabei noch zu einer liberalen, wohlhabenden Teheraner Schicht, in der Frauen vergleichsweise viele Freiheiten hatten. Als aber als sein erster Sohn geboren wurde, galt dieser als Stammhalter doch mehr als die Töchter, darunter eben Jasmin Tabatabai.

Zunächst lebte die Familie auf dem Land, auf einer großen Farm, später zog sie nach Teheran. Dort verbrachte Jasmin Tabatabai ihre Kindheit, vor allem mit Streichen, die sie mit ihrem Bruder ausheckte. Das Handfeste, das die Schauspielerin heute noch auszeichnet – damals war es ihr Credo. Nur nicht Mädchen sein.

Das Buch bricht leider ab, als die Mutter mit den Kindern 1978 den Iran verlässt. Die "Rosenjahre" sind beendet und damit leider auch die Erzähllust der Buch-Debütantin. Sie vollzieht auf über 280 Seiten die Geschichte ihrer deutsch-persischen Familie nach, erzählt viele Details, von Kochrezepten über die Schönheiten der nordiranischen Gebirgslandschaft bis hin zu den herrschenden Hochzeitsritualen. Aber innere Motive, Gefühle, Zweifel – darüber erfährt man zu wenig.

Jasmin Tabatabai unternimmt leider kaum Versuche, eine bestimmte Erzählperspektive einzunehmen, eine Haltung zur Geschichte zu entwickeln. Man hätte gern mehr erfahren – nicht zuletzt, wie sie selbst ihr Leben in zwei Kulturen empfindet, welche Kontakte sie heute in den Iran hält. Letztlich will man auch wissen, welche Rolle ihre Herkunft heute noch spielt, inwieweit sie die Integrationsdebatte interessiert, was ihre eigene Familie zu alldem meint. Jasmin Tabatabai lässt uns trotz der spannenden Familiengeschichten oft im Unklaren – und nutzt ihre Chance damit nicht voll aus.

Besprochen von Vladimir Balzer

Jasmin Tabatabai: Rosenjahre. Meine Familie zwischen Persien und Deutschland
Ullstein Verlag, Berlin 2010
288 Seiten, 19,95 Euro