Schnipo Schranke

Zwei Frauen singen derb und finden's cool

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Volle Kanne Hamburg: "Schnipo Schranke" sind in der Hansestadt zuhause © Promo / Jenny Schaefer
Von Christoph Reimann · 03.09.2015
Sie haben sich auf einer Musikhochschule kennengelernt, doch das wurde ihnen schnell zu öde. Schnipo Schranke sind zwei Hamburger Frauen, die nun ihr erstes Album herausgebracht haben. Ihr Markenzeichen: Ihre derbe Sprache.
"Gibt es ein Leben nach dem Kindergarten? Kann man im Sitzen Karriere starten? Warum schreibt Dumbledore mir nicht? Und wer sind wir eigentlich?"
"Wir sind Schnipo Schranke. Und ich bin Daniela ... und ich bin Fritzi."
Daniela Reis und Friederike Ernst sind der neue Pop-Hype aus Hamburg. Zwei Frauen Mitte 20, die kein Blatt vor den Mund nehmen. In keinem der zwölf Songs ihrer Debüt-Platte.
"Die Liebe, die macht blind, bitte sag mir, wenn das stimmt, warum schmeckt's, wenn ich die küsse, unten rum nach Pisse?"
Die beiden Frauen lernen sich an der Frankfurter Musikhochschule kennen. Anfangs sieht alles noch so bürgerlich aus. Daniela studiert Cello, Friederike Blockflöte. Aber ihre Zukunft sehen sie immer weniger in der klassischen Musik. Denn die beiden haben sich in den Kopf gesetzt, berühmt zu werden. Und mit Blockflöte komme man da nicht weit, meint Friederike Ernst:
"Selbst Blockflötisten, die in der Blockflötenszene bekannt sind, kennt ja trotzdem kein Mensch. Es ist ja nicht wirklich Fame. Und es ist ja auch so, dass wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich bekannt dafür bin, dass ich ganz toll Blockflöte spielen kann, finde ich das wahnsinnig unbefriedigend, weil ich das unglaublich scheiße finde."
Also machen sich die beiden auf in die Hauptstadt deutschsprachiger Popmusik, nach Hamburg, und sie satteln um: auf Schlagzeug, Keyboard und schrägen Gesang. Sehr eigen ist der Sound – wahrscheinlich sogar zu sehr, um damit wirklich den Massengeschmack zu treffen und berühmt zu werden.
"Und ich habe seit drei Tagen nicht gegessen. Mir ist schon ganz flau. Du hast mich hier im Schrank vergessen. Wenn wir uns in der Sonne sehen, wirst du dich dann erinnern? Rufst du trotz all der Damen dort oben meinen Namen?"
Keine traditionellen Liebeslieder
Es sind Liebeslieder, die Schnipo Schranke jetzt auf ihrem Debüt mit dem Namen "Satt" singen – allerdings nicht im traditionellen Sinne. Keine Songs über Märchenprinzen und die ewige Treue, dafür über einen üblen Lover, der seine Partnerin im Schrank einsperrt. Jeder Song beruhe auf einer wahren Geschichte, erzählt Daniela Reis:
"Bei 'Schrank' zum Beispiel, da habe ich mich halt wochenlang richtig schön verarschen lassen und mich richtig schön unterlegen gefühlt. Ich war zwar nirgendwo eingesperrt, aber damit meine ich so das Gefängnis, das man sich selber baut, das emotionale."
"Die Sonne hängt jetzt tief wie dein weiches Prachtgemächt. Verbindlichkeit und Ruhe klingt plötzlich nicht mal schlecht."
Schnipo Schranke bürsten die Liebe gegen den Strich. In der Hamburger Musikszene kam das bereits gut an. Die Sterne etwa ließen die beiden Frauen auf ihrer aktuellen Platte im Hintergrund singen. Und vielleicht fühlen sich die Hamburger-Schule-Alumni bei Schnipo Schranke auch an alte Bekannte erinnert. Denn mit ihren Kinderliedermelodien zu größtenteils lustigen Texten klingen Schnipo Schranke entfernt nach den Lassie Singers aus den 90er-Jahren.
"Statt xx seid ihr xy, bitte macht was draus, männliche Mitmenschen..."
Franziska Ernst: "Ich finde es halt sehr altbacken und vorsichtig, was die da gemacht haben. Aber trotzdem, für die Zeit total in Ordnung. Und finde es ganz schön, dass sich da so Brücken bauen lassen über die Jahrzehnte."
Mit ihren Obszönitäten-Chansons wollen Schnipo Schranke aber etwas Eigenes schaffen. Deshalb singen sie auch von einer neuen Schule.
"Das ist die neue Schule, das ist Schnipo Schranke, ne Kurze und ne Kranke, zwei Emos ein Gedanke. Wir schreiben Zeile für Zeile, aus purer Langeweile."
Die derbe Sprache, die die beiden benutzen, soll dabei mehr sein als bloße Provokation:
Daniela Reis: "Es ist ja so, dass eigentlich, wenn man mal ehrlich ist, die meisten Leute so reden, privat. Und wir halt auch. Und wir vielleicht ein bisschen mehr als andere das tun, aber es ist einfach die Sprache, die wir benutzen. Und wir benutzen die halt auch in unseren Liedern. Das ist halt offensichtlich ungewöhnlich für Leute."
"Du und ich für immer vereint, oh Baby, küss mich da, wo die Sonne nie schei-ei-ei-ei-eieieint."
Beide haben kein feministisches Anliegen
Wenn Musikerinnen selbstbewusst über Sexualität und Liebe singen, wird ihnen schnell ein feministisches Anliegen attestiert. Das aber hätten sie beim Schreiben der Songs nicht gehabt, sagen die beiden. Vielmehr verstehen sie die monothematische Auseinandersetzung mit der Liebe als Spiegel ihrer Generation, für die es ja sonst keine größeren Probleme gäbe.
Daniela Reis: "Wenn uns nichts anderes mehr beschäftigt als unsere große Liebe und wo finde ich den nächsten, warum soll ich dann so tun, als würde ich mich für Politik interessieren?"
Dieser kritische Ansatz geht unter den vielen Obszönitäten leider etwas unter, zumal die auf Albumlänge schnell langweilig werden. Das ist schade, weil es ja bei Schnipo Schranke vordergründig um die Texte und weniger um die Musik geht. In ihren besten Momenten stecken die beiden Hamburgerinnen aber voller Witz und kleiner Weisheiten.
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