Schneller ballern in Köln

Thomas von Treichel im Gespräch mit Joachim Scholl · 07.11.2008
Die besten Computerzocker treffen sich zurzeit in Köln: Bei der Weltmeisterschaft im Computerspiel treten die Teams aus aller Welt in 14 verschiedenen Computerspielen wie "Need for Speed" oder "FIFA" gegeneinander an. Das deutsche Nationalteam hat gute Chancen, in einigen Disziplinen Gold zu holen, so Teamchef Thomas von Treichel.
Joachim Scholl: Eindrücke von den World Cyber Games, der Weltmeisterschaft im Computerspielen in Köln. Am Telefon begrüße ich jetzt Thomas von Treichel, Mitveranstalter und zugleich als Teamchef der deutschen Nationalmannschaft aktiv. Hallo, guten Tag!

Thomas von Treichel: Schönen guten Tag!

Scholl: Es gibt einen zweiten Platz im WM-Ranking zu verteidigen, wie man hört. Schlägt sich die deutsche Equipe ganz passabel? Wie ist der Stand?

von Treichel: Eigentlich geht es nicht darum, den zweiten Platz zu verteidigen, natürlich wollen wir den ersten Platz erobern und hier ganz klar als Meister nach Hause marschieren. Die Deutschen sind da auf einem guten Weg im Moment. Wir haben heute und gestern ja die Gruppenphase, ähnlich wie bei der Fußballweltmeisterschaft auch, bevor es dann morgen in die Knock-Out-Turniere geht, und derzeit haben wir mehr Überraschungsspieler, die weitergekommen sind als Überraschungsspieler, die ausgeschieden sind. Insofern stehen wir sehr gut da.

Scholl: Welche Spiele werden denn da gespielt?

von Treichel: Wir haben dieses Jahr 14 verschiedene Titel im Angebot, das sind PC-Titel, Klassiker wie "Warcraft" oder "Starcraft", aber auch "Need for Speed" oder "FIFA". Wir haben aber auch neue Plattformen, neue Spielkonzepte, wir haben zum Beispiel "Asphalt 4" auf dem Handy, das ist dieses Jahr das erste Mal die Möglichkeit, dass auch ein Handyspieler Weltmeister werden kann, und wir haben zum Beispiel auf der XBox 360 "Guitar Hero".

Scholl: Genau, da habe ich gerade hingehört, denn da hat es Schwierigkeiten gegeben, das hat Christian Fischer ja gerade berichtet. Ich habe gelesen "Legends of Rock Guitar Hero 3", also die Version 3 - was ist denn das für ein Spiel? Muss man da Gitarre spielen können wie Jimi Hendrix?

von Treichel: Man muss nicht genau wie Jimi Hendrix spielen können, aber im Prinzip ist es schon so, dass man mit einem Plastik-Gitarrencontroller vor dem Fernseher steht und Noten nachspielen muss, die auf dem Bildschirm angezeigt werden. Das ist schon ein sehr musikalisches Spiel, mit Sicherheit was, was man sich vor drei Jahren auch noch niemals als E-Sport-Titel gedacht hätte und was aber unheimlich populär ist und jetzt auch in Kürze mit einem Nachfolger kommt, der sogar noch ein Schlagzeug und ein Mikrofon enthält, wo man dann eine ganze Band nachspielen kann im Wohnzimmer.

Scholl: Die Luftgitarre hat sich sozusagen professionalisiert. Klingt es denn wirklich so wie ein richtiger Guitar Hero?

von Treichel: Es klingt nur dann wie ein Guitar Hero, wenn man die Noten trifft. Im Endeffekt hat man die Originalsongs in diesem Spiel mit drin. Wenn man die Noten trifft, klingt es wie der Originalsong, wenn man die Noten nicht trifft, dann klingt es halt eher so, als würde man das Konzert verlassen wollen.

Scholl: Das klingt ja mal nach einem schönen Spiel, bei dem es einem nicht ganz so graust wie zum Beispiel bei "Counterstrike". Ich höre, dass die deutsche Mannschaft da ausgeschieden ist, also im Ballern sind wir anscheinend nicht mehr so gut.

von Treichel: Im Ballern sind wir schon noch gut, aber das Problem am Ende ist einfach: Die anderen sind besser. Das ist natürlich im Sport immer so. Dazu muss man aber vielleicht eins noch mal sagen, weil das gerade kommt, wo es einem graust: Ich denke nicht, dass "Counterstrike" ein Spiel ist, wo es einem grausen sollte. "Counterstrike" ist ein Spiel, das zehn Jahre alt ist, das entsprechend grafisch weit, weit zurückliegt, und ich glaube, da gibt es heute ganz andere Titel, vor denen es einem mehr grausen sollte.

Scholl: Ja, das stimmt, aber "Counterstrike" war, glaube ich, so ein bisschen der Nom de Plume, das Wort, das bei allen Pädagogen sofort irgendwie Kopfschütteln auslöst. Wir haben diese Debatten gehabt über Amokläufe. Wir kommen noch drauf, aber erst mal die Frage: Mir war gar nicht so plausibel oder gar nicht bewusst, dass es eine deutsche Nationalmannschaft in dieser Art überhaupt gibt. Ich meine - sind das professionelle Spieler, die da mitmachen, oder wie muss man sich das vorstellen?

von Treichel: Da ist natürlich die klassische Frage, wie definiert man professionell? Wenn man professionell da ansetzt, wo man sagt, die Leute können davon leben, dass sie dies tun, dann sind wir in Deutschland leider noch nicht so weit. Es ist aber schon so, dass es Spieler gibt, die das sehr intensiv spielen, die das sehr professionell trainieren, die sich Trainingspläne aufsetzen, die eben auf bestimmte Turniere fahren und die zum Beispiel auch heute noch eine Version eines Spiels spielen, wo es schon längst Nachfolger gibt. Wie zum Beispiel "FIFA" - die neue Version steht schon im Laden, hier wird noch die alte Version gespielt, einfach als Abschluss quasi der Saison. Alle Freunde spielen schon die neue Version, weil sie Spaß am Spielen haben, unsere Sportler müssen noch die alte spielen und damit die Saison beenden. Insofern wird es schon sehr professionell betrieben, aber man kann eben noch nicht davon leben.

Scholl: Kommen wir noch mal auf das gesellschaftliche Ressentiment. Ich meine, man muss nicht darum herum reden, Computerspiele haben keinen sonderlich guten Ruf. Sie machen blöd, süchtig und asozial. Was entgegnen Sie denn auf solche Vorurteile? Man zögert ja eigentlich, junge Menschen dazu zu animieren, Computerspielsport zu betreiben, oder?

von Treichel: Klassischerweise kommen diese Vorurteile natürlich immer von den Leuten, die sich nie mit Gaming beschäftigt haben. Jeder, der heute hier durch die Kölner Messehalle gehen würde, würde bestätigen, dass Gaming weder einsam noch blöd noch sonst irgendwas macht, sondern dass Gaming eigentlich das Kommunikativste ist, was man überhaupt machen kann. Und das ist einfach etwas, was viele Leute nicht sehen. Gamer kommunizieren heute viel mehr, als die Menschen das vorher getan haben. Sie tun es nur anders. Gamer von heute haben Headsets auf, sprechen mit der ganzen Welt, Gamer von heute kommunizieren über SMS, über MMS, über die ganzen Instant Messenger, was es so gibt für den PC, das heißt, das ist visuell nicht direkt sichtbar, weil man sich nicht im selben Zimmer befinden muss, aber man kommuniziert.

Scholl: Die Inszenierung dieser Weltmeisterschaft, Herr von Treichel, orientiert sich so ein bisschen an Olympia, habe ich den Eindruck. Bei der Eröffnung waren die Teams mit Fahnen ihrer Nation eingezogen, es gibt ein Rahmenprogramm mit Ausstellungen, Vorträgen, Musik. Ist das auch so ein bisschen der Versuch, die gesellschaftliche Akzeptanz herzustellen, also über das Vorurteil hinaus?

von Treichel: Definitiv sehen wir die World Cyber Games auch als ein sehr schönes Mittel, um Leuten zu zeigen, dass Gaming viel breiter ist und viel, viel mehr Facetten bietet, als sich die meisten Leute das vorstellen. Und eigentlich orientieren wir uns nicht nur an den Olympischen Spielen, sondern wir bezeichnen uns auch selber als die Olympischen Spiele der Computer- und Videospiele, das heißt, wir haben eine ganze Menge Parallelen. Es gibt bei uns zum Beispiel auch ein virtuelles Feuer, was am Mittwoch entzündet wurde, was am Sonntag wieder verlöschen wird und ab nächstem Jahr auch wieder über die Webseiten der 80 Nationen wandern wird. Wir haben da schon sehr, sehr viele Parallelen, um einfach das Interesse von Leuten zu erwecken, die vielleicht das klassische Computerspielen gar nicht so interessant finden, aber dann sagen, Mensch, was da drum herum passiert ist doch ganz interessant.

Scholl: Die Weltmeisterschaften im Computerspielen in Köln, noch bis Sonntag. Wir bedanken uns bei Thomas von Treichel, Veranstalter und einer der Teamchefs der deutschen Nationalelf.