Schnappschüsse fürs Gemälde

Von Vera Block · 15.09.2011
Nina und Torsten Römer sind ein Ehepaar - und als Touristen gerne mit der Fotokamera in der ganzen Welt unterwegs. Das ist erst mal nichts Besonderes. Nina und Torsten Römer aber benutzen diese Schnappschüsse als Vorlagen für Gemälde - und wurden nun mit dem Internationalen Lucas-Cranach-Preis der Stadt Kronach ausgezeichnet.
Nina: "In den Pausen, wenn wir malen, trinken wir Tee und dann spielen wir Back Gammon. Und dann gibt es immer ein Strich pro Spiel ... wir machen vielleicht so zwei Teepausen zwischendurch und man sieht, wie viele Strichlein wir schon gemacht haben, dass wir ganz fleißig waren."

Nina und Torsten Römer arbeiten gerade an einer Serie über Israel. An der Wand in ihrem Kreuzberger Atelier hängen sechs verschieden große Bilder nebeneinander. Davor haben Torsten und Nina ein ganzes Konvolut an Sitzgelegenheiten aufgestellt - Zwei Barhocker, zwei Plastiksessel, zwei Klappstühle. Denn Römer und Römer malen gemeinsam. Nebeneinander. Harmonisch und gleichberechtigt.

Nina: "Eigentlich haben wir keine Rollenaufteilung. Manchmal ist da das Chaotische dran, dass man wieder aufs Neue diskutieren muss ..."

Torsten: "Wir unterhalten uns die meiste Zeit und manchmal hören wir Musik. Ne, die meiste Zeit unterhalten wir uns eigentlich."

Aus der Nähe betrachtet sehen die Bilder von Römer und Römer wie ein Kuddelmuddel von Farbklecksen aus.

Torsten: "Man sieht hier diesen Grauton, das war eine der ersten Flächen, dann hier großes Blau und wo die nächste Grauschicht drüber kommt."

Nina: "Hier sieht man, dass die schwarze Fläche zuerst gemalt ist, sodass diese Acrylschicht matt bleibt und die Ölfarben die drüber aufgetragen werden, glänzend sind."

Aus ein paar Schritten Entfernung ergibt das Wirrwarr der Pinselstriche ein Bild, ganz plastisch und bis in die Unschärfe hinein fotorealistisch. Soldatinnen in Tarnanzügen sitzen lachend beisammen. Junge Frauen mit Automatikgewehren und Handtaschen.

Nina: "Bei Israel-Motiven haben wir Motive ausgesucht, wo man diesen Zustand von Israel zu spüren bekommt, dass es so eine ganz alltägliche Situation ist und nicht wertend ist: wer ist gut, wer ist böse, wie auch immer."

Nina ist 32. Torsten zehn Jahre älter. Sie ist brünett, er blond. Sie ist Moskauerin, klein und quirlig. Er stammt aus Aachen, ist groß und zurückhaltend.

Nina: "Ich war öfters in der Mensa, und ein Mal begegnete ich Torsten, und da sagte ich mir - oh! Der hübscheste Mann der Kunstakademie."

Torsten: "Damals ich habe ziemlich konstruktivistische abstrakte Malerei gemacht und Nina hat damals figürliche, surreal anmutende Bilder gemalt ... total unterschiedlich eigentlich."

Sie waren Meisterschüler in der Malereiklasse von A. R. Penck. Gefunkt hat es zwischen den Beiden während der traditionellen Jahresausstellung der Düsseldorfer Kunstakademie.

Torsten: "Eigentlich das war lustig, dass Nina erstmal so provokant fragte, ich sollte ihr mal meine Bilder erklären und dann meinte ich, da müsste sie halt einen toten Hasen mitbringen, dass ich das wie Beuys ..."
Nina: "Tatsächlich, ich konnte sie zu dem Zeitpunkt nicht verstehen ... und dann sagte Torsten, so nach Beuys ... hol mal einen Hasen und dann werde ich dir die Bilder erklären ..."
Torsten: "Dann kam sie eine Stunde später mit einem gefrorenen Hühnchen, aus einer Installation von einem Künstler, dann haben wir dem toten Hühnchen die Bilder erklärt."

Nina: "Und alle fanden es interessant ... und dann haben wir das als unsere erste Performance aufgefasst."

Seit über zehn Jahren arbeiten Nina und Torsten nun zusammen. Ihre Hochzeit war natürlich auch eine Art Performance und erst recht die Knutschaktion am Alexanderplatz – ein Küsswettbewerb als Parodie auf deutsch-russische Beziehungen.

Sie mögen die einsamen Menschen auf den stillen, lichtdurchströmten Bildern von Vermeer und Edward Hopper, malen selbst aber am liebsten Menschenmengen – feiernde Gesellschaften, Rush Hour in den Großstädten, Volksfeste und Demonstrationen.

Torsten: "Die Demos, die wir gemalt haben, da sind wir auch mitgegangen - wir würden gar nicht zu Demos gehen, wo wir politisch gar nicht dahinter stehen können. Oder dass wir sie malen."
Sie wollen keine Ideen in die Welt bringen, sagen Römer und Römer. Sie seien nicht mal Kommentatoren. Vielleicht Sympathisanten. Aber eigentlich nur neugierige Beobachter.

Nina: "Wir lassen uns von verschiedensten Situationen inspirieren, und versuchen Momente zu fangen, die nicht wertend sind und zugleich eine gewisse Bedeutung rübertragen."

Torsten: "Wir wollen keine surreale Welt bauen. Wir filtern das natürlich, was da für uns interessant ist."
Nina: "Es ist für uns nicht eine Aussage, die wir transportieren wollen, sondern eher das Gefühl für dieses Leben, was wir nicht kennen ... ."

Sie experimentieren mit Fotografie, Pinselführung und digitaler Bildverarbeitung: Römer und Römer sind produktive Künstler. In den letzten sechs Jahren haben sie über zwei Hundert Bilder gemalt. Und einige verkauft.

Torsten: "Bisher haben wir kein Bild im Museumsbesitz. Aber in guten Privatsammlungen sind wir schon vertreten. Wie zum Beispiel ein Rechtsanwalt, der ein Bild von dem schwarzen Block bei der Demonstration gekauft hat, dass bei ihm in der Kanzlei hinterm Schreibtisch hängt. Dass ist schon lustig, sich vorzustellen, dass die Klienten dahin kommen und dann diese Revolutionsszene vor sich haben."