Schluss mit gekauftem Sex!

Von Margit Hillmann · 05.11.2013
Die Prostitution ist in Frankreich nicht verboten, wohl aber Bordelle und Zuhälterei. Den Gegnern im Land reicht das nicht, sie fordern ein generelles Verbot und Strafen für Freier. Dem Kampf von Frauen und Feministinnen gegen den käuflichen Sex haben sich auch Männer angeschlossen: die "Zeromachos".
Noch ist das Vereinsbüro von Zeromacho eher improvisiert. Im Saal eines Pariser Kulturzentrums liegt Werkzeug auf dem Boden. Jemand schlägt dicke Nägel in einen selbstgebauten Holztresen. Patric Jean und Frederic Robert - kurz Fred - stört das nicht.

Die beiden Mittvierziger kümmern sich um die Öffentlichkeitsarbeit von Zeromacho: die sozialen Netzwerke, Termine vereinbaren, Pressemitteilungen schreiben. Fred schiebt ein eng bedrucktes DIN-A-4-Blatt über den Tisch. Ein Manifest gegen käuflichen Sex, Überschrift: "Männer sagen Nein zur Prostitution!". Deswegen der Vereinsname: Zero, also Null-Macho.

Frederic: "Unserem Verein geht es darum, der Mehrheit der Männer, die - wie wir - nicht zu Prostituierten geht, eine Stimme zu geben. Wir finden es schockierend, dass Männer sich gegen Geld sexuell befriedigen lassen, sie das Elend anderer ausnutzen, nämlich der Prostituierten. Deswegen sind wir gegen das System der Prostitution."

Freier gehören bestraft
Sein Tischnachbar Patrick Jean verzieht verächtlich den Mund. Männer, die Sex von Prostituierten oder Strichern kaufen, gehören für ihn bestraft. Wie in Schweden. Davon wollen die Zeromacho-Männer die Franzosen und ihre Politiker überzeugen.

"Wir organisieren Kurse für unsere Mitglieder. Und wir leisten Lobby-Arbeit, versuchen, so oft es geht unsere Positionen als Männer und Prostitutionsgegner in den Medien zu äußern. Wir fordern - wie die Feministinnen - ein Gesetz, das den Kauf sexueller Akte in Frankreich verbietet. Ein totales Verbot, also das Abschaffen der Prostitution."

Patric Jean ist Filmemacher von Beruf, dreht auch Spots gegen die Prostitution. Sie sind im Internet zu sehen. Er legt sein Smartphone auf den Tisch.

Der Spot zeigt einen jungen Mann und eine biedere ältere Frau. Sie legt Geld auf den Tisch, wirft sich rücklings aufs Bett, spreizt ihre Beine. Er kniet nieder.

Patric Jean: ""Der Mann prostituiert sich, hat eine Kundin nach der anderen - wir drehen den Spieß um."

Fred holt seine Jacke. Er muss einen Brief abschicken. Er bahnt sich einen Weg durch die bunte Menschenmenge, die am Vormittag auf dem Boulevard Saint Denis unterwegs ist. An einer Querstraße bleibt Fred plötzlich stehen. Eine enge Gasse mit Kopfsteinpflaster. Zwei grellgeschminkte Frauen stehen in einem Hauseingang, Mitte bis Ende 50, tief dekolletierte hautenge Minikleider.

Hier beginnt das alte Rotlichtviertel: Prostituierte aus Nordafrika und ältere Französinnen, erklärt er nüchtern, oft im Rentenalter.

Die meisten Prostituierten sind illegal
Ungefähr 20.000 bis 40.0000 Prostituierte soll es in Frankreich geben. Fred zuckt mit den Schultern, so genau weiß das keiner. Sie arbeiten versteckt, aufgrund der strengen Gesetze. Die meisten sind von der Mafia illegal eingeschleust, haben keine Papiere.

"Am Pariser Ring arbeiten junge Straßenprostituierte aus Osteuropa. Sie sehen aus wie Minderjährige, sind blass, sehr mager und oft übersät von blauen Flecken. Dort geht es wahrscheinlich noch sehr viel brutaler zu."

50 Meter weiter stoppt er wieder. Diesmal vor einem großen Supermarkt, vor dem mehrere unauffällig gekleidete Chinesinnen stehen.

"Sie nehmen 30 Euro, Oralsex 5 Euro. Weil sie kein Französisch sprechen, schreiben sie sich die Preise in die Hand. Sie gehen mit ihren Kunden in Hauseingänge oder öffentliche Toilettenkabinen. Um nicht von der Polizei beim Sex erwischt zu werden, tarnen sie sich als normale Hausfrauen. Sehen sie die Plastiktüten, die sie tragen? Sie sehen wirklich aus, als würden sie ihre Einkäufe erledigen."

Der Kampf dagegen ist für Fred als Pro-Feminist Ehrensache. Er lockert seinen grauen Wollschal. Ob Zwangsprostitution oder die - er zeichnet imaginäre Anführungszeichen in die Luft - frei gewählte Prostitution.

"Frauen, die aus der Prostitution ausgestiegen sind, sind sehr viel radikaler als wir. Ich habe auf Versammlungen gehört, dass sie Prostitutionskunden grundsätzlich ins Gefängnis stecken wollen. Immer weniger Leute sind heute noch bereit, die sexuelle Ausbeutung zu tolerieren."

An der nächsten Hausecke holt Fred das Schreiben aus seinem tarngrünen Rucksack, wirft es in den Briefkasten. Dass die französische Sexarbeiterorganisation STRASS die Zeromacho-Männer als "selbst ernannte weiße Ritter" kritisiert, lockt ihm nur ein müdes Lächeln hervor. Für ihn sind sie ferngesteuert von der Sexmafia, nicht aufrichtig mit sich selbst. Fred setzt lieber auf einen Kurswechsel in der Politik. Mit Frankreichs Sozialisten an der Regierung könnte es endlich klappen, freut sich der Zeromacho-Mann.

"Als Präsidentschaftskandidat hat sich Francois Hollande ganz klar zu unserer Idee bekannt. Seine Frauenministerin, Najat Belkacem, spricht von der Verantwortung der Prostitutionskunden. Wer weiß, manchmal gibt es ja auch erfreuliche Überraschungen."
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