"Schlossbusters" in Berlin

Stadtschloss-Diskurs als Vergnügungspark

Szenenbild aus "Schlossbusters" - einem Projekt der Berliner Theatergruppe "copy & waste" im Ballhaus Ost im Prenzlauer Berg
Szenenbild aus "Schlossbusters" © MACCS / Roman Hagenbrock
Von Laf Überland · 24.03.2016
Mit ihrem neuen Projekt jagt die Berliner Theatergruppe "copy & waste" die Gespenster der Berliner Baupolitik rund um den Neubau des Stadtschlosses. Und sie setzt dem öffentlichen Diskurs eine geballte Ladung Kreativität entgegen.
Im Foyer des alten Berliner Ballhauses Ost warten wir, während im Raum eine Art Hörspiel losgeht. Auf einem Bildschirm nimmt die Sekretärin der Film-Ghostbusters pausenlos Telefonate entgegen, dann geht die Tür auf, und als erstes erblickt der Besucher im Saal den Rohbau des alt-neuen Stadtschlosses - und den wieder aufgebauten, goldfenstrigen Palast der Republik. Naja, begehbare Papp-Häuser sind das, aber man weiß, worum es sich ab jetzt dreht in diesem Themenpark, wie die Macher es nennen.
"Jedes Thema ist ja auch irgendwie ein Gespenst, das zu eine gewissen Zeit zurückkommt, und so beschäftigen wir uns auf verschiedenen Ebenen – zum Beispiel noch mal mit dem Gespenst des Kommunismus/Sozialismus, mit dem Gespenst des deutschen Kolonialismus und der Preussen."

Witzchen über die Stadt, die sich neu erfinden will

Jörg Albrecht schreibt schräge Theaterstücke und Romane, und zusammen mit Regisseur und Schauspieler Steffen Klewar hat er 2007 das Kollektiv "copy & waste" gegründet. Als sie anfingen, als Neuberliner, tauchten sie ein in den permanenten Diskurs über Bauvorhaben und wie die Stadt Berlin sich neu erfinden wollte. Sie machten ihre Witzchen darüber – und irgendwann wurden aus den Witzchen dann multimediale Theaterstücke.
"Schlossbusters" ist jetzt der letzte Teil einer Theater-Performance-Trilogie zur Stadtentwicklung. Dabei geht es um Repräsentationsformen moderner Demokratie, Philosophie, den Alltag – und um Politik. Statt Paartherapie gibt’s in der Berliner Republik Parteitherapie! Hier ein Hörspiel-Ausschnitt:
"Wir reden darüber, ob es überhaupt möglich ist, eine Dimension unseres körperlichen Lebens in die Öffentlichkeit zu zerren und eine andere oder alle anderen in die Unsichtbarkeit zu verbannen? Wie kann ich nur halb erscheinen? Und wer hilft mir? – Who ya gonna call?"
Szenenbild aus "Schlossbusters" - einem Projekt der Berliner Theatergruppe "copy & waste" im Ballhaus Ost im Prenzlauer Berg
Szenenbild aus "Schlossbusters"© MACCS / Roman Hagenbrock

Kunstvoll eingesetztes Licht bringt den Raum zum Agieren

Wie in einem begehbaren Comic wechseln die Texte und die Haltungen in rasendem Tempo: Im Hörspiel, das als Rahmen über dem Abend liegt, vermischen sich ständig die Ebenen, überall im Raum läuft Videokunst, und die Farbspiele des kunstvoll eingesetzten Lichts bringen den Raum förmlich zum Agieren, während die acht Performer die Besucher bespaßen.
Irgendwann läuft der Eisbär Knut durch die Menge und setzt sich an die Bar, wo man mit ihm zusammen Slime Shots trinken kann – Schutzgebräu vorm Schleimgespenst, aus Wodka und Waldmeister gemischt. Steffen Klewar:
"Da ist man dann eben auch entweder gerade oder eben nicht – also so funktioniert der Abend auch. Das heißt, man bekommt nicht unbedingt alles mit, das ist aber eben auch überhaupt nicht schlimm."
Wer trotzdem alles mitmachen will, was an den Stationen des Themenparks angeboten wird, muß sich ranhalten: Von der Station, an der man seine eigenen Geister scannen lassen kann, über den Videovortrag von Slimer aus den Ghostbusters-Filmen zügig hinunter in den Keller unter dem neuen Scheinschloß: Dort kann man, in der Hall of Shame, nur bei Schwarzlicht die schlimmen Gespenster der deutschen Geschichte erkennen: vom Dreißigjährigen Krieg über Auschwitz bis nach Clausnitz.
Über der Bar läuft währenddessen die selbstproduzierte und extrem lustige Talkshow "Normal" – zwar stumm, aber komplett untertitelt.

Schlingensief und Bowie kickern gegen Friedrich I. und Wilhelm II.

Und ein Stück weiter wird gekickert – mit Prominenten-Püppchen: Preussen gegen verstorbene Künstler und Intellektuelle der letzten Jahrzehnte, Schlingensief und David Bowie gegen Friedrich I. und Wilhelm II. Noch ein Ausschnitt aus dem Hörspiel:
"Ich denke, wenn ich an nichts denken will, immer an das Schloß. – Wir sind das Schloß! Wir sind das Schloß!"
Zwischen feiner Ironie und intellektuellem Flicflac, zwischen Kalauern und Analyse hat "copy & waste" ein sehr eigenes Format entwickelt, das pausenlos zwischen Performance, Installation, Ausstellung und Hörspiel changiert, mit popkulturellen Zitaten und Elementen aus den Ghostbusters-Filmen lustvoll durcheinandergewirbelt. Steffen Klewar:
"Aber trotz allem gibt es eben einen klaren Diskurs, den wir führen wollen. Es ist nicht nur Vergnügen, aber es ist – vielleicht das Vergnügen am Diskurs!"
Ein etwas verwirrendes Vergnügen bieten die Schlossbusters, aber den Reim darauf muss man sich auch in diesem Freizeitpark selbst machen.
Mehr zum Thema