Schlagzeugerin Eva Klesse

Keine Angst vor schönen Melodien

Die Schlagzeugerin Eva Klesse
Eva Klesse ist eine der wenigen hauptberuflichen Schlagzeugerinnen, die zudem als Komponistin und Bandleaderin Erfolg hat. © Sally Lazic
Von Johannes Kaiser · 28.11.2016
Ihre Song-Ideen singt Eva Klesse schon mal auf der Straße in ihr Smartphone. Es kann dann einige Wochen dauern, bis daraus fertige Stücke werden. Die sind jetzt auf dem Album "Oberland" zu hören, das die Schlagzeugerin mit ihrer Band eingespielt hat.
Mit elf bekam die Leipziger Musikerin Eva Klesse ihr erstes Schlagzeug. Das fand sie so cool, dass sie dabei geblieben ist. Inzwischen ist sie 30 und hauptberuflich Schlagzeugerin - eine der wenigen in ihrem Genre, die zudem als Komponistin und Bandleaderin reüssiert haben. Fast wäre es nicht dazu gekommen, denn sie fürchtete sich vor der Aufnahmeprüfung der Musikhochschule so sehr, dass sie lieber erst einmal anfing, Medizin zu studieren. Doch dann nahm sie irgendwann all ihren Mut zusammen - und bewarb sich doch zum Musikstudium:
"Witzigerweise finde ich ja ehrlich gesagt das Musikstudium viel härter, weil da ist man sein eigener Chef. In Medizin kriegt man ein Buch, lernt es auswendig bis nächste Woche. Das konnte ich immer gut, das war nie schwierig und in der Musik: Also ich meine, während des Studiums und auch jetzt, mir sagt ja keiner, was ich jetzt tun soll. Ich stehe morgens auf und entscheide, was ich jetzt mache und muss mir alles selber machen. Man ist ja so Einzelkämpfer, macht ganz viel alleine. Ich finde, das ehrlich gesagt, viel schwieriger."

Auf die Bandkollegen ist Verlass

Das stimmt sicherlich, wenn es ans Komponieren geht, ansonsten jedoch ist Eva Klesse inzwischen in mehrere Projekte eingebunden und hat ihre eigene Band, mit der sie seit Jahren zusammenspielt. Sie kann sich darauf verlassen, dass Saxofonist Evgeny Ring, der Bassist Robert Lucaciu und der Pianist Philip Frischkorn genau wissen, was sie erreichen möchte:
"Es gibt Stücke, die sind darauf ausgelegt, dass damit ganz viel passieren darf und es gibt aber auch Passagen in den Stücken, wo ich sage, das möchte ich gerne so haben. Aber mittlerweile ist es sowieso so, dass wir uns so gut kennen. Also ich hab's vom letzten Mal in Erinnerung, wo wir mal geprobt haben und ich zwei neue Stücke mitgebracht habe.
Ich habe die denen hingelegt, die haben wir zweimal gespielt und das war's. Also die wussten sofort, was gemeint ist. Ich brauche auch nichts groß erklären, ehrlich gesagt. Eine Stimmung von so einem Stück gebe ich schon vor, aber eigentlich wissen die schon sehr gut, was ich meine."
"Klabautermann" hat Eva Klesse dieses Stück betitelt und das aus gutem Grund:
"Da war es so, dass ich an meinem Klavier so eine Melodie gefunden hatte und als ich sie mir dann selber noch mal vorgespielt habe, musste ich lachen, weil es klang so wie ein Seemannslied. Wie wenn so dicke, bärtige, betrunkene Seemänner dasitzen und singen. Und das fand ich irgendwie lustig und dann habe ich das so weitergesponnen.
Und es gibt ja diese Figur des Klabautermanns in ganz vielen Schiffsgeschichten. Das ist ein schlechtes Omen ist, wenn man den sieht. Und ich hab mir den so vorgestellt als so ein kleines grünes Wesen oben auf dem Mast und dann habe ich eben versucht, zu dem Klabautermann noch was weiterzuschreiben. Und ich glaub, ja, man wird ganz gut in dem Stück, wo der dann auftaucht, und dass das Schiff dann meistens doch auch wirklich untergeht."

Die Instrumente der Mitspieler im Hinterkopf

Ihre Stücke komponiert die Eva Klesse am Klavier, benutzt weder Keyboard noch Computer. Manchmal fällt ihr unterwegs auf der Straße eine Melodie ein. Die singt sie dann in ihr Smartphone, um sie nicht zu vergessen, und versucht anschließend am Klavier, die richtigen Noten dazu zu finden. Es dauert manchmal Wochen, bis sie ein Stück ausgearbeitet hat. Dabei denkt sie zuerst einmal an ihre Mitspieler, hat deren Instrumente im Hinterkopf, schreibt für sie.
Ihr Schlagzeugspiel kommt erst an letzter Stelle, sozusagen nachträglich und spontan:
"Ich glaube, ich bin ein großer Fan von Melodien. Das wird uns ja auch immer mal gesagt mit der Band, dass wir keine Angst vor Melodien haben oder auch. Manchmal habe ich Stücke, bei denen ich denke, da brauche ich gar nicht mitspielen. Eigentlich wäre es viel schöner ohne Schlagzeug."
Eva Klesse hat bei keinem der Stücke auf ihr Schlagzeug verzichtet. Und das ist gut so, denn ihr Spiel mit Trommeln und Becken ist subtil und dynamisch, oftmals sogar echte Handarbeit, denn bisweilen trommelt oder streichelt Eva Klesse auch mit den Händen über die Felle, bevor sie zu Besen oder in den heftigeren Passagen zu den Schlagstöcken greift.
So ausdrucksstark ihr Spiel und ihre Stücke jetzt schon sind – Eva Klesse will noch viel lernen. Dabei hat sie schon viel vorzuweisen. Ob ihre eigenen Stücke oder die ihrer Mitspieler – das Album macht einen geschlossenen Eindruck, überzeugt durch eingängige Melodien und schön ausgearbeitete Improvisationen, ist einfach ein gelungenes, leicht melancholisch angehauchtes Hörvergnügen.
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