Schlagerstar

Träumen und weinen mit Udo Jürgens

Der 75-jährige österreichische Sänger Udo Jürgens während eines Auftritts in Scheveningen, Holland, am 24.10.2009.
Der Sänger und Komponist Udo Jürgens macht seit mehr als 60 Jahren Musik. © AFP: Valerie Kuypers
Von Laf Überland · 30.09.2014
"Ich war noch niemals in New York" oder "Merci Chérie" – Generationen hat der gebürtige Österreicher Udo Jürgens mit seiner Musik begleitet und begeistert. Manche halten seine Texte für schlichte Wahrheiten. Aber können Millionen von Fans weltweit irren?
Jürgen Udo Bockelmann, geboren in Kärnten, Vater aus Russland, Mutter aus Norddeutschland: ein kränklicher, magerer Junge, aber wenn er mit seinem kleinen Akkordeon Musik machte – auch auf Dorffesten – dann war er der Größte! Das lag auch daran, dass er diesen feinen Sinn für Musik tatsächlich hatte, wohl auch damals schon. Mit 17 gewann er dann einen Komponistenwettbewerb vom Österreichischen Rundfunk, und ab da war er für jede bürgerlich-normale Biografie verloren.
Seinem Vater sagte er: "Ich werde mit meinem Beruf auf- oder untergehen. Das ist auf jeden Fall besser, als in einer Bank zu arbeiten." Und machte sich an die Arbeit.
Und es war – Arbeit: 1951 gründete er eine Band, nahm auch Schallplatten auf – Gebrauchtschlager von anderen ließ seine Plattenfirma ihn singen, bis er frustriert kündigte. Doch Udo Jürgens, wie er sich jetzt nannte, blieb ein Unterhaltungsmusiker, der überall auftrat, wo man ihn singen ließ, und über zehn Jahre passierte nichts (Auch beim Grand Prix Eurovision fiel er zwei mal durch.). Aber dann, 1966 – da war er bereits 32:
Musikeinspieler "Merci Chérie" (Album: Seine größten Erfolge)
Lieder zum Mitschunkeln
Manchmal hat Udo Jürgens Schlager rausgehauen, zum Mitschunkeln, aber meistens hat er die Wahrheit gesungen – oder sagen wir besser: schlichte Wahrheiten – schlicht wie einfach wahr!
Dabei riskierte er durchaus, Fans zu verlieren, wenn er die Verhütungsregeln der katholischen Kirche attackierte, und damit Proteststürme auslöste und einen Boykott-Aufruf; er sang über freundliche Gastarbeiter ("Griechischer Wein"), gegen Spießigkeit und Bigotterie, Wettrüsten und schlechte Drogenpolitik, Neonazis – und sogar gegen die falsche Verteilung der Produktionsmittel, irgendwie...
Musikeinspieler : "Lieb Vaterland" (Single)
"Was gut tut, tut gut!", singt Udo, "frag nicht, was die Leute sagen!", und das Publikum klatscht begeistert mit. Ob Udo Jürgens sich dabei selbst betrügt, diese Frage ist überheblich. Denn zu jedem seiner Lieder sagt irgendwer im Publikum: Ach, das kenne ich, das hatte ich auch mal…
Und der Höhepunkt ist immer, wenn er (mit großem Showorchester – und mit Drive, Tempo und Herz) dieses Lied singt über den Zusammenbruch des bürgerlichen Lebenswillens: Die Geschichte, wie einer sagt. Ich geh mal Zigaretten holen, und dann vom Abhauen träumt: New York! Aber wie er dann doch wieder zurückgeht. In den spießigen Flur, der nach Bohnerwachs riecht. Zu seiner Frau. An seinen Platz mitten in diesem beschwerlichen Leben ...
Musikeinspieler : "Ich war noch niemals in New York" (Album: Best Of Live Vol.1)
Banal und kitschig
Natürlich wimmelt es von Klischees und banalem Kitsch in den Geschichten, die er sich schreiben lässt, wenn er eine Idee hat. Aber: Das wirkliche Leben ist meist schrecklich banal. Und Udo blättert durch die Illustrierte des alltäglichen Lebens diesseits der Träume und Versuchungen... Was bei allen Beklemmungen immer übrig bleibt, ist – die Liebe!
Musikeinspieler "Merci Chérie" (Album: Seine größten Erfolge)
Und vielleicht hat er ja deshalb diesen Schlag bei Frauen. "Udo Jürgens liebt die Frauen bis heute, und die Frauen lieben ihn", sagt sein Sohn. Nörgler mutmaßten, das liege an dem weißen Bademantel, in dem er immer die Zugaben singt. Der berühmte Sexualforscher Günter Hunold hingegen erläuterte mal ganz ernsthaft: "Die erotische Dynamik der stilbildenden Triolen des Udo Jürgens vermittelt den weiblichen Zuhörern einen pausenlosen Orgasmus..".
Nun ja...
Musikeinspieler : "Mitten im Leben" (Album: Mitten im Leben)
Mehr zum Thema