"Schenk mir dein Herz"

Gesehen von Hans-Ulrich Pönack · 11.05.2011
Nach einem Herzinfarkt wird Schagerstar Alexander Ludwig in eine Klinik beordert. Im Reha-Zentrum lernt er den über 80-jährigen Bar-Pianisten Heinrich kennen - und entdeckt sich und seine Liebe zur Musik neu.
Dass bei uns die Grenzen zwischen TV- + Kinofilm fließend sind, ist bekannt. Siehe beispielsweise TV-Kino-Hits wie "Männer" von Doris Dörrie einst (1985) oder "Alles auf Zucker" von Dany Levi (2004). Jetzt startet im Kino wieder so was Tolles durch.

"Schenk mir dein Herz" hatte im Vorjahr seine Uraufführung beim "Hamburger Filmfest" unter dem Titel "Etwas Besseres als den Tod" und fand viel Zuspruch. Bekam dort den Produzentenpreis zugesprochen. Und tourt jetzt mit kleiner Kopienanzahl durch die Republik.

In der Zusammenarbeit von Drehbuch-Autorin Ruth Thoma ("Solino") und (TV-)Regisseurin Nicole Weegmann ("Ihr könnt Euch niemals sicher sein") entstand ein richtig emotional schöner Schatz von augenzwinkerndem deutschem Unterhaltungs-Movie, bei dem der "merkwürdige" Star Alexander Ludwig (Peter Lohmeyer) den Schlagerton angibt. Vor allem mit seinem Rumpelpumpel-Erfolgshit "Schenk mir dein Herz".

Merkwürdig deshalb, weil er im Moment nicht ganz dicht ist, sprich nach einem groben Herzinfarkt unter massiven Gedächtnisstörungen leidet. Also wird er in eine Klinik beordert. Was ihm natürlich überhaupt nicht behagt. Von wegen "Blöd-Hotel". "Ohne Minibar". Und mit diesen komischen ollen Leuten. Wie Heinrich. Heinrich Mutesius (unvergleichlich: Paul Kuhn)- einem Bar-/Jazz-Pianisten, in dessen Gesicht sich viele Konsum-Stunden von Alkohol und Entspannung ablesen lassen. Und der sich hier nicht mehr die Butter vom Brot nehmen lässt: "Ich bin über 80 und habe keine Lust, meine Zeit mit irgendeinem Entspannungstraining zu verplempern".

Stattdessen spielt er viel lieber und andauernd Klavier mit einigen Gleichgesinnten. Alle wissen: "Alt-Werden ist scheiße". Also soll musikalisch noch mal so richtig die Post abgehen. Am besten mit Alexander Ludwig.

Der aber benötigt einige Zeit, um alles mitzukriegen. Weil es auch in seinem Privatleben reichlich grummelt. Stichwort: Aktuelle Sänger-Frau (Mina Tander) in Simone Thomalla-Sexy-Pose) gegen Ex-Frau (Catrin Striebeck). Mit inzwischen halbwüchsigem Sohn Jan (Lohmeyers Sohn Louis Klammroth; "Das Wunder von Bern"). Wie soll man was halbwegs überschaubar sortieren, wenn man so wenig richtig mitbekommt? "Wer war ich eigentlich früher?", fragt er seinen Manager, der ihm natürlich zu einem richtigen Schlager-Comeback rät und nicht zu diesem "blödsinnigen" und kontraproduktiven Jazz-Combo-Experiment. Aber dann entsteht er doch der REHA-Blues.

Die Alten sind auf dem Vormarsch- auf der Leinwand wie auf der Bühne: Und das ist ein neues Belegstück für diesen Trend. Ein Juwel von kleinem, feinem deutschen Film. Fantastisch unangestrengt. Leicht, aber nie seicht. Mit zwei wunderbar dominanten wie clever lächelnden Hauptakteuren: Peter Lohmeyer habe ich seit Sönke Wortmanns Endspiel-Komödie "Das Wunder von Bern" (2003) nicht mehr so sanft-präsent erlebt. Mit einer tragikomisch passenden wie packenden Körpersprache. In seinen vielen Irrungen und Wirrungen.

Die Sensation aber ist zweifellos der 82-jährige Paul Kuhn. Mit zerfurchtem Gesicht, aber voller lakonischem Optimismus, mimt Paul seinen swingenden Heinrich und überzeugt mit seinem grandiosen wie garantiert ungelifteten Poker-Altface. Zuletzt war er übrigens 1959 auf der Leinwand zu sehen, und zwar als "Sänger" in einer Nebenrolle beim dreifachen Heinz Erhardt-Jux "Drillinge an Bord.

Deutschland 2010, Regie: Nicole Weegmann, Darsteller: Peter Lohmeyer, Paul Kuhn, Mina Tander, Catrin Striebeck, u.a., FSK: Ohne Altersbeschränkung, Länge: 92 Minuten

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