Schavan fordert Länder auf, sich über Bildungsrat zu einigen

Annette Schavan im Gespräch mit Marietta Schwarz · 11.05.2012
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sieht ihre geplante Kooperation zwischen Bund und Ländern in der Schul- und Hochschulbildung nicht als reine Eliten-Förderung. Sie wies den entsprechenden Vorwurf von Renate Künast (Grüne) zurück. "Es geht um die Stärkung der Hochschulen insgesamt", sagte Schavan.
Marietta Schwarz: Bundesbildungsministerin Schavan würde gerne noch in dieser Legislaturperiode das Grundgesetz ändern, um wissenschaftliche Einrichtungen besser fördern zu können. Der Bund hat bei der Bildung ja so gut wie nichts mitzureden, und eigentlich sind sich Regierung und Opposition einig, dass man das ändern sollte, dass man mehr zusammenarbeiten sollte, gerade weil die Finanzlage der Länder so klamm ist. Doch beim Wie scheiden sich mal wieder die Geister. Konkret geht es um eine Ergänzung des Grundgesetzes, das dem Bund erlaubt, nicht nur Vorhaben, sondern auch Einrichtungen an Hochschulen und in der Wissenschaft zu fördern. Den Grünen geht das nicht weit genug: Sie streben eine Zusammenarbeit bei der Hochschul- und Schulpolitik an, fordern eine komplette Abschaffung des Kooperationsverbots. Dazu die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast gestern im Deutschlandradio Kultur:

Renate Künast: "Unser Vorschlag sagt: Wir brauchen eine Grundgesetzänderung, die sicherstellt, dass Bund und Länder mal zusammenarbeiten können, um ein leistungsfähiges Bildungswesen zu haben, um diese Breite zu finanzieren. Für mich ist es nicht akzeptabel, dass Schavan so tut, als würde sie den Ländern bei der Bildung helfen, aber tatsächlich macht sie einen Vorschlag, der Rosinenpickerei bedeutet. Das soll am Ende bei ihr die Fortsetzung der Elite-Initiativen sein, aber in der Breite der Wissenschaft nutzt das nichts."

Schwarz: So weit also die Meinung Renate Künasts. Vor der Sendung sprach ich mit Bundesbildungsministerin Schavan und fragte sie zunächst, was sie den Vorwürfen der grünen Fraktionsvorsitzenden entgegenzuhalten hat.

Annette Schavan: Die Fortsetzung der Elite-Initiative würde ja viel zu kurz greifen. Es geht um die Stärkung der Hochschulen insgesamt. Heute können wir nur zusammenarbeiten bei zeitlich befristeten Projekten. Es muss aber auch möglich sein, bei Einrichtungen in der Hochschule dauerhaft zusammenzuarbeiten. Das ist für die Hochschule wichtig, das ist für die Studenten wichtig, das ist nicht Rosinenpickerei, das geht in die Breite. Und ich mache keinen Vorschlag, der nur heißt, wir gehen hinter die Föderalismusreform zurück, sondern: Was da möglich werden soll, das hat es noch nicht gegeben. Das kann zusammenhängen mit der Definition von Forschungsschwerpunkten, dass also Bund und Länder sagen: Es gibt bestimmte Forschungsschwerpunkte in dieser oder jener Universität, die sind uns so wichtig, die sind von nationaler Bedeutung, dass sie stabile Finanzperspektiven brauchen, die ein Land alleine nicht tragen kann. Natürlich geht es auch um die dauerhafte Förderung dessen, was im Kontext der Exzellenzinitiative über einige Jahre gefördert wurde, aber das ist nur ein Teil, und die Zahl der Hochschulen, die profitieren kann, wird deutlich höher sein, weil nicht es um ganze Universitäten geht, eben nicht um Bundesuniversitäten, sondern um Stärkung von Forschung und Lehre an Hochschulen.

Schwarz: Die Opposition fordert ja, dass am besten gleich das gesamte Kooperationsverbot gekippt wird. Was spricht dagegen?

Schavan: Dagegen spricht, dass jetzt nur getan werden kann, worüber es zwischen Bund und den 16 Ländern Konsens gibt. Über die Frage, wie soll Zusammenarbeit im Bildungsbereich aussehen, gegenüber dem jetzigen Zustand, gibt es schon unter den 16 Ländern überhaupt keinen Konsens. Wir haben gestern im Deutschen Bundestag über einen Antrag der Grünen diskutiert, das wird zum Beispiel vorgeschlagen, dass Vereinbarungen der Länder mit dem Bund nicht mehr einstimmig, sondern mit einer Dreiviertel-Mehrheit zustande kommen sollten. Ich weiß genau, dass das im Kreis der Länder überhaupt nicht zustimmungsfähig ist, und deshalb sage ich: Lasst uns jetzt die Änderungen vornehmen, über die wir Konsens haben, und dann ist es völlig offen, das, was noch nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann, zu diskutieren. Die CDU hat schon auf ihrem Bundesparteitag verabschiedet den Vorschlag, einen Bildungsrat analog zum Wissenschaftsrat einzurichten. Da kann über solche Fragen diskutiert werden, dann schließe ich nicht aus, dass es auch hier zu anderen Möglichkeiten kommt als bislang. Aber man soll nicht immer an die Adresse des Bundes reden, wenn man genau weiß: Die 16 Länder haben darüber keinen Konsens. Der einzige Konsens, den sie haben, ist: Der Bund soll Geld geben und sich im Übrigen raushalten. Das ist nicht meine Vorstellung von Kooperation.

Schwarz: Aber dass der Bund Geld geben muss, ist ja nachvollziehbar, wenn die Länder kein Geld mehr haben und es dringend für Bildung brauchen.

Schavan: Tut er ja auch, deshalb hat der Bund in der letzten Legislaturperiode plus sechs Milliarden und jetzt plus zwölf Milliarden in Bildung und Forschung zusätzlich investiert. Von diesem Geld profitieren die Länder zu 100 Prozent, damit sind eine Menge Bildungsprojekte auf den Weg gebracht worden. Und dann gibt es eine Reihe von Erwartungen der Öffentlichkeit, denken Sie an die Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen, von Bildungsstandards, die Möglichkeit der Mobilität für Lehrerinnen und Lehrer - das sind keine Fragen von Geld, sondern von politischem Konsens unter den Ländern. Sie täten also gut daran, in den Fragen, die gar nicht mit Geld zu tun haben, schon mal zu einem Konsens zu kommen, um deutlich zu machen: Das, worüber alle reden, sind wir auch in der Lage, zu tun.

Schwarz: Nun wird ja so eine Grundgesetzänderung nicht jeden Tag gemacht, das ist eine größere Sache und das sieht man ja jetzt auch schon, dass an diesem relativ kleinen Vorstoß von Ihnen sich die Kritik entzündet. Also ist nicht die Befürchtung begründet, dass, wenn es einmal diese Grundgesetzänderung gab, danach nichts mehr passieren wird?

Schavan: Nein, diese Befürchtung ist überhaupt nicht begründet. Wer jetzt anfängt, zu diskutieren über ein großes Paket, wohl wissend, dass es dazu unter den Ländern keinen Konsens gibt, der riskiert, dass das, was für das Wissenschaftssystem jetzt wichtig ist, nicht getan werden kann. Das schadet den Hochschulen, das schadet den Studierenden und das schadet dem Wissenschaftssystem insgesamt. Und deshalb bleibe ich dabei: Jetzt tun, was möglich und in Konsens ist, und dann einen Weg finden, wie über die strittigen Fragen im Blick auf das Bildungssystem diskutiert wird, und das bedeutet zunächst einmal eine Diskussion unter den Ländern, um Eckdaten zu haben, über die Konsens besteht.

Schwarz: Die Grünen schlagen ja auch einen sogenannten Reformkonvent vor, in dem Lösungen breit erarbeitet und dann auch getragen werden. Das ist doch eigentlich mal ein vernünftiger Vorschlag, über die Parteigrenzen hinauszudenken.

Schavan: Deshalb habe ich gestern im Parlament ja auch gesagt: Ob das Reformkonvent oder Bildungsrat heißt, ist mir egal. Ein Prozedere zu entwickeln, ist richtig, und wenn wir uns die Erfahrung mit dem Wissenschaftsrat vor Augen führen, dann ist der beste Weg, einen Bildungsrat zu gründen. Interessanterweise waren aber die Länder die ersten, die diesen Vorschlag zur Einrichtung eines Bildungsrates beim Bundespräsidenten abgelehnt haben. Wenn es ihnen also ernst ist, dann sollten sie untereinander einen Konsens herbeiführen, dass ihnen das wichtig ist, dass sie das für ein mögliches Prozedere halten. Wer einen Bildungsrat ablehnt, lehnt auch einen Reformkonvent ab.

Schwarz: Bundesbildungsministerin Annette Schavan zu ihrem Vorhaben, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern zu lockern. Frau Schavan, vielen Dank für das Gespräch!

Schavan: Bitte schön!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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