Schauspielhaus Bochum

Leistungswahn und Sendungsbewusstsein

Das Foto zeigt den Schauspieler Matthias Eberle am Schauspielhaus Bochum in der Rolle des Boris im Tück "Raus aus dem Swimmingpool, rein in mein Haifischbecken" von Laura Naumann.
© Schauspielhaus Bochum / Diana Küster
Von Stefan Keim · 13.03.2014
Erst in der vergangenen Saison hat sich Laura Naumann mit ihrem kraftvollen und abgründigen Stil einen Namen gemacht. In ihrem neuen Stück, das Malte C. Lehmann in Bochum auf die Bühne bringt, geht es um Lebensentwürfe junger Leute, wobei Komik und Tragik eng beisammen liegen.
Die 23jährige Laura Naumann gehört zu den shooting stars der letzten Jahre. Ihr Stück „Demut vor deinen Taten, Baby“ wird nach der Uraufführung in Bielefeld an vielen Bühnen nachgespielt. Nun zeigt das Bochumer Schauspielhaus ihr neues Stück "Raus aus dem Swimmingpool, rein ins Haifischbecken".
Moana ist ein williges Rädchen im System des Turbokapitalismus. Und in einer Unternehmensberatung Karriere zu machen, tut sie alles. Ständig setzt sie sich unter Druck und fühlt sich beobachtet. Am schlimmsten ist es im Fahrstuhl. Im Monolog hören wir Moanas Gedanken: "Sie können meine Kleidung überprüfen. Sie können, wenn ich zu breit lächle, sehen, ob ich was zwischen meinen Zähnen vergessen habe. Ich spreche im Fahrstuhl nie, ich lächle nur sparsam, ich mach den Mund nicht auf."
Möglichst geschmeidig mitschwimmen
Komik und Tragik liegen eng beisammen in Laura Naumanns „Raus aus dem Swimmingpool, rein ins Haifischbecken.“ Wie schon in früheren Stücken zeigt die Autorin ein gnadenloses, unsentimentales Bild der Zwanzigjährigen. Moana ist knallhart, gegen sich selbst, gegen ihren Freund, gegen ihre Mutter. Mit beiden wohnt sie zusammen. Mama Christiane ist Nachrichtensprecherin beim Fernsehen. Sie hält ihren Job für Aufklärung, Moana bezeichnet ihn als "Hauptsätze vorlesen".
Plötzlich packt Christiane während einer Sendung ihr Sendungsbewusstsein. Sie ruft zum radikalen Nachdenken auf, zu einer Umgestaltung der verkrusteten Gesellschaft. Dafür fliegt sie nicht nur aus dem Sender, die Medien entfachen eine Hetzkampagne. Christiane hat es gewagt, ein Störfaktor im System zu sein. Was Tochter Moana ihr sehr übel nimmt, denn sie will nichts anderes als möglichst geschmeidig mitzuschwimmen.
Überraschende Wendungen
Laura Naumann wechselt zwischen erzählenden Monologen und explosiven Ensembleszenen. Da knallen Lebensentwürfe und Weltsichten aufeinander. Manche Wendungen kommen überraschend. Ein Fremder rettet Moana vor einem heran rasenden Auto. Bei dieser Aktion bricht sie sich beide Arme, er bringt sie nach Hause und bleibt dort einige Wochen lang. Der Fremde ist ein Phantom, eine Projektionsfläche, man weiß nicht einmal, ob er Mann oder Frau ist. Alle wollen mit ihm zusammen sein, da verschwindet er plötzlich und lässt nichts als Leere zurück.
Malte C. Lachmann inszeniert das abwechslungsreiche Stück präzise und textkonzentriert. Die Schauspieler schieben drei Kästen auf Rollen herum, die vom Fernsehstudio übers Büro bis zur Badewanne die unterschiedlichen Handlungsorte darstellen. Einige überraschende Lichtwechsel bringen das Publikum ins Spiel, ohne dass es zu einer Mitmachperformance kommen würde, wie sie Laura Naumann als Mitglied des Kollektivs machina eX entwickelt. Das Bochumer Ensemble agiert vielschichtig und präzise, besonders begeistert Sarah Grunert als selbstzerstörerische, ganz versteckt nach Zuneigung schreiende Moana.

Weitere Infos zum Stück: www.schauspielhausbochum.de