Schauspieler Ben Foster über Lance Armstrong

"Nicht nur ein Lügner und Doper"

epa04954914 US actor Ben Foster arrives on the green carpet for the screening of the movie 'The Program' at the Zurich Film Festival (ZFF), in Zurich, Switzerland, 28 September 2015. The festival runs from 24 September to 04 October.
Ben Foster verkörpert Lance Armstrong im Film "Das Programm" von Stephen Frears © dpa / picture alliance / Dominic Steinmann
Von Jörg Taszman · 08.10.2015
Im neuen Film "Das Programm" von Stephen Frears verkörpert Ben Foster das einstige Radsportidol Lance Armstrong. Doch Regisseur und Hauptdarsteller haben höchst unterschiedliche Ansichten zu diesem Doping-Fall, berichtet Jörg Taszman von der Filmpremiere.
Er ist sichtlich gut gelaunt. Immer wieder fallen bei Stephen Frears die Vokabeln "spectacular", "fantastic" und "crime". Erst durch die Medien erfuhr der Brite über diesen etwas anderen Kriminalfall um den siebenmaligen Tour de France Gewinner Lance Armstrong.
In einem schicken Hotelzimmer im teuren Zürich lässt der Brite seine ironischen Kurzkommentare zu den modernen Verbrechern, Lügnern und Betrügern ab. Sein Film, der in Europa erstmals auf dem Filmfest Zürich präsentiert wurde, hat durch die Skandale um Sepp Blatter und Volkswagen ja auch an unverhoffter Aktualität gewonnen. Stephen Frears amüsiert sich köstlich und sagt:
"Wenn Sie Deutscher sind, muss ich dann auf Ihre Frage noch antworten: Nein. Nein. Einen VW Skandal hat es nie gegeben. Die VW's sind alle perfekt. Aber die Enthüllungen um Volkswagen und Sepp Blatter kamen ja beide aus den USA. Das ist schon sehr bezeichnend, dass auch die Blatter Affäre durch die Amerikaner ins Rollen kam. Und nun müssen auch die Schweizer ermitteln, wohl weil es einfach zu peinlich geworden ist."
Die Blatter Story wäre ja ein Kammerspiel, meint Frears mit einer gewissen Schadenfreude. Verfilmen würde er diese Geschichte jedoch nicht. Ein Film zum Thema Korruption und Betrug reicht ihm. Es war vor allem das Buch des unbestechlichen, britischen Sportjournalisten David Walsh, das ihn inspirierte. Am Privatleben von Lance Armstrong war Stephen Frears nicht interessiert. So tauchen andere Promis wie Sheryl Crow, die mit dem Radsport-Star zusammen war, nicht auf. Er wollte keine Lebensgeschichte von Armstrong verfilmen, also kein Biopic, betont Frears süffisant. Ihm ging es nur um den Kriminalfall.
Ben Foster: "Er war unser Jesus auf dem Fahrrad"
Im Spielfilm wird Lance Armstrong von Ben Foster verkörpert. Der Amerikaner hat durchaus Unterschiede in Europa und in den USA ausgemacht – es wird unterschiedlich auf Lance Armstong reagiert. Ben Foster meint:
"Er war unser Jesus auf dem Fahrrad. Als junger Mann blickte er dem Tod ins Auge, und dann kam er wieder zurück und rettet die Kranken. Aber dann fanden wir heraus, dass sein Mythos eben nur ein Mythos war. Und nun bestrafen wir ihn. Und das können wir in Nordamerika richtig gut. Wir schaffen uns Götter, die wir dann stürzen. Und nun möchten wir, dass er winselt. Aber Lance Armstrong entschuldigt sich nicht so, wie wir es gerne hätten. Also werden wir ihn wohl noch eine Weile weiter quälen."
Stephen Frears mag den Filmtitel "Der dumme Amerikaner"
Als Schauspieler muss er die Figuren, die er spielt, auch verteidigen, betont Ben Foster. So kann er die harsche Kritik seines Regisseurs an dem einstigen Radsportidol nicht immer teilen. Er sieht Lance Armstrong ambivalenter:
"Stephen Frears meinte immer lachend: Ich möchte den Film 'Der dumme Amerikaner' betiteln. Das ist kein sehr netter Titel, und wir haben da unterschiedliche Ansichten. Ich hoffe, das überträgt sich dann auch auf den Film und die Zuschauer. So das man sieht, er ist nicht nur ein Lügner und Doper. Er hat auch eine halbe Milliarde Dollar an Geldern für Krebsforschung gesammelt.
Er gewann die Tour de France sieben Mal. Nicht weil er dopte, denn alle haben gedopt, sondern weil er es einfach besser tat. Er professionalisierte den Radsport und tat auch viel Gutes. So konnte er viele Leben retten. Ja, er griff alle Leute an, die sein Königreich bedrohten. Aber dieses Königreich rettete auch Leben...Wenn man ihn jetzt also nur einen Gangster oder einen Bad Guy, einen Bösen nennt, ist man einfach nur schlecht informiert."
Vor dem Film gab es kein Interesse für den Radsport
Ben Foster reagiert auch deshalb so emotional, weil es in seiner eigenen Familie Krebs gibt. Einig sind sich Stephen Frears und sein Hauptdarsteller nur darin, sich beide vor und nach dem Film weder für Radsport noch die Tour de France interessiert haben. Dennoch haben sich beide professionell vorbereitet. Ben Foster absolvierte ein intensives Trainingsprogramm. Unter ärztlicher Aufsicht nahm er sogar Dopingmittel. Sein trockener Kommentar lautet: Drogen helfen, aber so gut nun auch wieder nicht.
Das Training war einfach zu hart und die Resultate blieben bescheiden, fügt Foster lachend hinzu. So schnell wird er auf kein Fahrrad mehr steigen. Und doch haben die Radsportmuffel Frears und Foster einen ebenso packenden wie sehenswerten Film über ein umstrittenes Idol gedreht. Die so aktuellen Themen Doping und Betrug werden uns auch dank dieses Films in all ihrer Widersprüchlichkeit noch länger beschäftigen.
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