Schauspiel Stuttgart

Hesse auf der Theaterbühne

Staatstheater Stuttgart
Das Stück ist am Staatstheater Stuttgart zu sehen. © dpa / picture alliance / Wolfram Kastl
Von Rainer Zerbst · 11.07.2015
In Stuttgart bringt Regisseur Frank Abt die Erzählung "Unterm Rad" von Hermann Hesse auf die Bühne. Die komödiantische Leistung der Schauspieler ist grandios, meint unser Kritiker Rainer Zerbst. Das eigentliche Thema aber bleibt auf der Strecke.
Es geht um unterschiedliche Lebensformen. Auf der einen Seite Hans Giebenrath, braver Sohn eines strengen, amusischen Vaters, der es durch Fleiß und Drill zum begehrten Stipendium am Seminar in Maulbronn schaffte. Auf der anderen der musische, zum Dichten begabte, unkonventionelle Hermann Heilner, der gleichfalls in Maulbronn sich auf den Lehr- oder Predigerberuf vorbereitet. Heilner wird von der Schulleitung abgewiesen, Giebenrath zerbricht an der Strenge der Ausbildung und an den Ansprüchen, die die Gesellschaft - und er selbst - an ihn stellt.
Schauspieler ohne klare Rollen
Frank Abt hat Hesses Erzählung drastisch gekürzt und darauf verzichtet, ein realistisches Bühnensetting zu erfinden. Er verzichtet sogar darauf, Schauspielern Rollen zu geben. Bei ihm können alle fünf Akteure mal den Vater spielen, mal den Sohn, mal im Chor die Lehrer. Alles ist austauschbar, und somit geht das Problem der Handlung alle an. Das ist ein raffinierter Schachzug. Und damit gar nicht erst die Ahnung eines Rollenspiels aufkommt, hat er alle Schauspieler in Clownskostüme gesteckt und den Boden der Bühne mit Wasser bedeckt.
Das Wasser steht symbolisch für den Tod des Helden, der im Fluss ertrinkt. Doch die Clownskostüme mindern den Ernst des Themas, geht es doch um Überforderung durch die Gesellschaft, um Burn-Out selbst schon bei Schülern. Abt gelingen eindringliche Szenen von poetischer Kraft, etwa wenn einer der Schüler weint und ein Kommilitone mit dem Finger entdeckt, dass die Tränen echt sind. Es ist zudem ein Abend grandioser komödiantischer Ausdruckskraft aller Schauspieler, doch das eigentliche Thema bleibt auf der Strecke.
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