Schauspiel-Premieren

Psychodrama und schräge Comedy

"Quietly" Ruhrfestspiele
Szene aus dem Theaterstück "Quietly" bei den Ruhrfestspielen © Ruhrfestspiele / Anthony Woods
Von Stefan Keim · 12.05.2014
"Inselreiche" lautet das wie immer weit gefasste Motto der Ruhrfestspiele. Zwei Premieren an einem Abend zeigen die Bandbreite des Festivals: Das Abbey Theatre aus Dublin zeigt ein ruhiges Polit-Psychodrama, das Theater Gütersloh eine Komödie im Monty-Python-Stil über Island.
Ein ganz realistischer Pub. Im (unsichtbaren) Fernseher läuft ein Qualifikationsspiel für die Fußball-WM. Nordirland gegen Polen. Das hat besonderen Reiz, denn der Barkeeper ist ein polnischer Einwanderer. Doch der Pintzapfer gerät bald in den Hintergrund. Denn in der Kneipe treffen sich zwei Männer Anfang 50, die etwas aufzuarbeiten haben. Einen Abend vor 26 Jahren, der ihr Leben verändert hat.
Ian hat damals eine Bombe in den Pub geworfen. Sechs Menschen starben, darunter Jimmys Vater. Nun sehen sich die Männer zum ersten Mal seit der Tat. Damals waren sie beide 16 Jahre alt, die Zeit der Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten ist erst einmal vorbei. Es dauert, bis sie anfangen, ihre Geschichten zu erzählen. "Quietly" heißt das Stück des Dramatikers Owen McCafferty. Die Gefühle liegen in den Pausen zwischen den Worten, das Ungesagte dominiert den Dialog.
Es ist ein ruhiges, vorhersehbares Kammerspiel ohne überraschende Wendungen. Die wären auch in diesem Rahmen nicht besonders sinnvoll. Vielmehr erzählt die Aufführung mit präzise eingesetzten schauspielerischen Mitteln, wie zwei Männer langsam ihren Panzer fallen lassen. Das ist packend und trägt in jeder Sekunde politische Brisanz in sich. Am Ende steht ein kurzer Handschlag und der Wunsch, sich niemals wieder zu sehen. Sie haben geredet und den anderen verstanden. Mehr ist nicht möglich.
Jimmy Fay inszeniert das 75 Minuten kurze Stück mit perfektem Gespür für Timing. "Quietly" ist einer der selten gewordenen Theaterabende, in denen man das Gefühl hat, einen Blick ins Leben zu werfen. Ohne Verfremdungen, Überspitzungen, Stilisierungen. Dennoch weist die Aufführung über ihr Thema hinaus. Denn wie Opfer und Täter zu einem Dialog finden, ist ein globales Thema. Hier geschieht es karg, zurückhaltend, ehrlich.
Owen McCafferty und Schauspieler Patrick O´Kane haben beim Edinburgh Festival im vergangenen Jahr Preise gewonnen. Das ist ein Sprungbrett für internationale Festivaleinladungen.
Szene aus "Island One Way"
Szene aus "Island One Way" mit Svavar Knútur, Christine Diensberg, Fabian Baumgarten© Ruhrfestspiele / Volker Zimmermann
Doch die Ruhrfestspiele arbeiten auch mit Bühnen aus der Region zusammen. "Island One Way", die zweite Premiere des Abends, ist eine Koproduktion mit dem Theater Gütersloh. Das ist eigentlich eine Bespielbühne ohne eigenes Ensemble und ohne Werkstätten. Durch die Ruhrfestspiele wird erstmals eine Eigenproduktion möglich.
Island-Klischees und "Ein bisschen Frieden"
Christian Schäfer, neuer künstlerischer Leiter in Gütersloh, ist von Haus aus Regisseur und kennt den isländischen Liedermacher Svavar Knútur. Mit Fink Kleidheu haben sie ein angenehm durchgeknalltes Drei-Personen-Stück entwickelt. Ein junges deutsches Paar reist ins Land der Grotten und Geysire, um die eingerostete Partnerschaft wieder in Schwung zu bringen. Sie begegnen einer Menge seltsamer Isländer, einem verführerischen Masseur, einem gestört schauenden Hotelportier, einem bärigen Kapitän. Alle haben das Gesicht von Svavar Knútur, auch in Filmeinspielungen ist der Musiker zu sehen. Die Szenen sind grotesk und albtraumhaft, als sei ganz Island ein Film von David Lynch, der ein Drehbuch von Monty Python als Grundlage hat.
Christine Diensberg und Fabian Baumgarten spielen auf der Kippe zwischen Komödie und Glaubwürdigkeit das deutsche Paar, das kein Island-Klischee unerwähnt lässt. Die Isländer zahlen es ihnen heim, indem sie den Schlager "Ein bisschen Frieden" in allen möglichen Varianten grölen. Das also wissen sie von Deutschland. "Island One Way" ist ein unterhaltendes, witziges Spiel mit Vorurteilen. Wenn Svavar Knútur singt, geben die Lieder dem komödiantischen Abend einen leichten philosophischen Überbau. Die Ruhrfestspiele sind um zwei überzeugende Abende reicher.
Homepage der Ruhrfestspiele
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