Schauspiel

"Ich gelte als der Typ, der permanent Nein sagt"

Von Julia Eikmann  · 08.05.2014
Als junger Mann war die Schauspielerei seine Rettung: Sebastian Blomberg ist begehrt bei Theater und Film. Im Eröffnungsstück "Zement" des Berliner Theatertreffens spielte er die Hauptrolle. Mit seinen grauen Schläfen hätte er Chancen, ein deutscher George Clooney zu werden.
Russland 1921. Nach drei Jahren Revolution und Bürgerkrieg kehrt Regimentskommandeur Gleb Tschumalow in seine Heimat zurück wie in eine fremde Welt. Die Zementfabrik scheint dem Verfall preisgegeben. Und die revolutionären Träume und Visionen zerrinnen im Kampf um das alltägliche Überleben.
Als Heiner Müller "Zement" schreibt, 1972, wird der Schauspieler Sebastian Blomberg in Bergisch Gladbach geboren. Der Regisseur Dimiter Gotscheff dagegen hat die Hoffnungen und das Scheitern der Revolution noch selbst erlebt:
"Natürlich ist das interessant, dass das ein Stück ist, das an die Ursprünge und Wurzeln geht, auch an seine Wurzeln geht. Und das war insofern natürlich eine tolle, irgendwie ganz ruhige, innige Arbeit, weil Mitko so hatte man das Gefühl, so ganz bei sich ist."
Berlin. Wahlheimat des gebürtigen Westfalen. Seit 15 Jahren hat er seine Single-Wohnung an der Neuköllner Sonnenallee. Schmutzige Fassaden, brausender Verkehr, ein raues Pflaster.
"Irgendwann musst du in dem Beruf auch die Entscheidung treffen, finde ich, wo du jetzt hin gehörst. Dann will man doch wissen, wohin man zurückkehrt, und wo der Ort der Freunde ist und der erweiterten Familie, zu der man zurückkehren kann, weil man sich sonst doch so ein bisschen auflöst in allem."
Nichts mehr zu spüren von Schüchternheit
Unter dem Dach des Mietshauses idyllischer Altbaucharme. Vor dem großen Dachfenster wechselt die Kulisse zwischen kobaltblauem Himmel und Wolkenbruch. Die Sirenen der Notarztwagen dringen nur von Ferne in das einladende Durcheinander. Neben den Resten eines späten Frühstücks, Schinken, Tomate-Mozarella, liegen Skripte, Notizen, Drehbücher. An den Wänden Filmplakate, Skizzen und Familienfotos: Aus glücklichen Kindertagen mit den beiden großen Schwestern und dem älteren Bruder. Aufwachsen in einem musikvernarrten Haushalt. Familienorchester inklusive.
"Aber hallo! Ja, na! Haydn, Haydn-Quartett. Ich natürlich als Spätgeborener hatte das Schicksal, dass ich mir ein Instrument aussuchen musste, das noch nicht vorkam im Heimorchester. Und dann ist es die Querflöte geworden."
Mit der Schauspielerei ist Sebastian Blomberg erst später in Berührung gekommen. Während seiner Internatszeit auf Schloss Salem am Bodensee.
"Und das war für mich eigentlich die Rettung, weil ich eine Flasche war in der Schule und das auch gehasst habe, und mir damit einen Raum erobern konnte, in dem ich frei agieren konnte, in dem ich meine Erfolgserlebnisse hatte, blablabla."
Von da an kam eins zum anderen: Den Schauspielunterricht am Max-Reinhardt-Seminar in Wien hat der schlanke Mann mit den markanten Augenbrauen vorzeitig abgebrochen. Weil ein Engagement in das nächste über ging:
"Also, die Dinge kamen so zusammen, ehrlich gesagt. Ich habe das nie... Natürlich hatte ich Wünsche, ich hab mich 'ne Zeit lang danach verzehrt, an die Volksbühne zu kommen. Aber ich bin dem nie nach gegangen.War ich viel zu schüchtern für. Und hatte auch so ein, wie soll man sagen, Gottvertrauen, dass eins zu dem anderen kommt. Und hab mich deswegen auch früh getraut, frei zu arbeiten."
Von einstiger Schüchternheit ist nicht mehr viel zu spüren. Selbstbewusst, die graue Weste sitzt perfekt über dem dezent verknautschten Hemd, zündet sich Sebastian Blomberg eine Zigarette an. Selbstbewusst, aber unprätentiös. Das "von" in seinem Namen hat er eigenmächtig abgelegt. Und obwohl der Akteur mit den grauen Schläfen, die sich langsam in das braune Haar vorarbeiten, mühelos ein deutscher George Clooney sein könnte: Darauf hat er es nie abgesehen.
"Ich war ja jetzt nie ein Kassenknüller, weißt du, jemand, der besetzt wird, weil die Leute deswegen ins Kino rennen."
Das könnte an der Auswahl seiner Stoffe liegen. Derzeit steht der 41-Jährige in Stuttgart als Gefängnisseelsorger vor der Kamera. In einem Kinofilm über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche.
Eine Inszenierung, ein Film steht immer auf der Agenda. Mindestens. Keinem Genre gibt der Schauspieler den Vorzug. Es scheint, als könne er nicht Nein sagen.
"Nein, ganz im Gegenteil, ich gelte als der Typ, der permanent Nein sagt. Film noch viel mehr als Theater ist ein einziger Parcours der Kompromisse. Du bist die ganze Zeit dabei, die Kompromisse abzuklatschen und zu sagen, hey, komm her, is' klar, dich nehm ich auch noch mit! Das will die Redaktion so. Oder, da haben wir jetzt gerade nicht das Geld. Oder die Zeit oder whatever."
Nur konsequent, dass Sebastian Blomberg derzeit – neben den ganzen anderen Projekten – auch an einem eigenen Film arbeitet. Das Treatment ist geschrieben. Jetzt geht es an die Finanzierung. Und zwischen München, Stuttgart und Berlin heißt es dann: Keine Kompromisse mehr.
"Weil ich auch für eine Art von Unbedingtheit kämpfe und weil ich finde, dass zu viel so gemacht wird, weil man es halt so machen kann."
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