Schaum im Alltag

Was Politiker und Cappuccino gemeinsam haben

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Löschschaum erstickt die Flammen. © picture alliance / dpa / Maksim Bogodvid
Von Axel Schröder · 14.10.2014
Ob auf den Wellen, aus dem Feuerlöscher, im Haar oder in der Tasse, Schaum kommt überall vor. Dabei gilt: Jeder Schaum ist anders - und kann je nach Konsistenz auch unterschiedliche Bedeutungen haben.
Die Nordseebrandung schäumt die See auf. Mit jeder brechenden Welle schießen die weißen, fragilen Teppiche über den Strand. Ziehen sich fast genauso schnell wieder zurück. Der Schaum zerfällt, um Neuem Platz zu machen.
Schon ist man mittendrin im Philosophischen, bei Peter Sloterdijk und seinen Schäumen, in seinen „Spannungskulturen aus Filmhäuten“ mit ihrer, so der Philosoph, „tragischen Geometrie“. Der Vergänglichkeit des Schaums, der Abhängigkeiten seiner kleinsten Einheiten, der Blasen, voneinander. Zerplatzt die eine, folgt schnell die nächste. Es geht aber auch handfester.
Ein stillgelegtes Flughafengelände. Der Brandmeister hält in der Linken den schweren, knallroten Feuerlöscher, in der Rechten den Löschschlauch. Der Schaum schießt heraus, erstickt die züngelnden Flammen. Das Holzscheit ist in Sicherheit.
"Wenn ich Schaummittel habe als Additiv, erhöhe ich meine Eindringtiefe des Wassers. Und dementsprechend ist das großflächiger und kommt es nicht schnell zu einer Rückzündung."
Vom Feuerlöscher zum Frisiersalon
Die Kursteilnehmer nicken, können es gar nicht erwarten, nun selbst die hervorragende Eindringtiefe von Schaum in das glühende Holzscheit zu testen. So genannte Tenside machen es möglich: Sie setzen die Oberflächenflächenspannung herab.
Das weiß man auch im Frisiersalon meines Vertrauens im Hamburger Schanzenviertel. Michael schmiert mit einem breiten Pinsel gerade eine türkisblaue Pampe in die Haare einer Kundin und klärt auf:
"An und für sich muss ein Shampoo gar nicht schäumen. Aber der Schaum suggeriert den Leuten auch, dass es sauber ist. Es gab Zeiten, wo Shampoos auf den Markt kamen ohne Schaum. Und die Leute haben einfach gedacht, ihr Haar wird nicht sauber. Das heißt, wir brauchen den Schaum, um halt so ein Gefühl dafür zu kriegen, dass unser Haar auch sauber ist."
Und wahrscheinlich brauchen wir deshalb auch Politiker im deutschen Bundestag, die nicht nur Politik machen, sondern auch, zumindest ab und zu, anständig Schaum schlagen können, Schaum vor dem Mund haben, die sich echauffieren, über die vielen Ausländer, die unsere Autobahnen kaputtfahren, die endlich zahlen sollen. Um es mit Friseur Michael zu sagen: "Wir brauchen Schaumschläger in den Parlamenten, um halt so ein Gefühl dafür zu kriegen, dass unsere Politiker auch tatsächlich Politik machen."
Shampoos und Politik funktionieren tatsächlich aber auch ganz ohne Schaum und Schäumerei. Wenn sie gut gemacht sind.
Kein Baumschaum auf dem Cappuccino
Was definitiv nicht funktioniert, ist der Cappuccino ohne feste, weiße Haube aus Millionen, mindestens Hunderttausenden feiner Bläschen.
"Er sollte cremig sein! Es sollte kein – man sagt so schön im Fachjargon – Bauschaum sein. Es sollte halt wirklich eine ganz homogene Konsistenz haben!"
Das weiß Imke. Die im „Kaffeekontor“ im Hamburger Schanzenviertel hinterm Tresen steht.
"Und was sind jetzt die entscheidenden Schritte/ Also. Entscheidend ist, dass die Milch kalt ist, keine warme Milch! Also: zur Hälfte einmal in das Milchkännchen gießen. Die Milchdüse kurz in die Milch stecken und aufdrehen!"
"Dann – kurz bevor die Milch richtig heiß wird – steckt man die Düsen nochmal komplett rein und lässt die Milch zirkulieren. Und dann hat man einen schönen glänzenden homogenen Schaum."
Und den gießt Imke mit viel Gefühl auf den schwarzbraunen, dampfenden Espresso. Formt Bäumchen, Lotusblüten oder ein weißes Schaumherz. –
Zehn Minuten später ist das Kunstwerk ausgetrunken, weggelöffelt. Vergänglich wie der Schaum am Nordseestrand, wie so viele Politikerreden, wie das menschliche Sein.