Schauer: "Der Gallische Krieg"

Propaganda eines grausamen Feldherrn

Bronze-Statue des römischen Staatsmannes Gaius Iulius Caesar, 100 - 44 v. Chr., im Trajansforum in Rom
Bronze-Statue des römischen Staatsmannes Gaius Iulius Caesar, 100 - 44 v. Chr., im Trajansforum in Rom © imago / UIG
Markus Schauer im Gespräch mit Florian Felix Weyh · 07.05.2016
"Gallia est omnis divisa in partes tres" – diese Worte stehen am Anfang des Buches "Der Gallische Krieg", mit dem sich der römische Politiker und Feldherr Caesar als Eroberer Galliens inszenierte. Der Altphilologe Markus Schauer hat eine brillante Analyse des Textes vorgelegt.
"Gallia est omnis divisa in partes tres" – früher kannte so gut wie jeder Gymnasiast diese Worte. Was aber steckt dahinter, wenn Autor Julius Caesar sein siebenbändiges Werk so und nicht anders eröffnet? "In der Antike war es üblich, Bücher nicht nach Buchtiteln zu benennen, sondern nach den Buchanfängen", sagt der Bamberger Altphilologe Markus Schauer. "Wenn Caesar sein Werk mit Gallia begann, stellte er mit einem einfachen Kunstgriff sicher, dass das von ihm eroberte Gallien immer mit seinem Namen verbunden wurde."
Ein propagandistischer Trick also, und das schon mit dem ersten Wort. Wenn man dazu den schülerfreundlichen Wortschatz von gerade mal 2600 lateinischen Vokabeln in Rechnung stellt (von denen fast die Hälfte häufiger vorkommt), scheint "De bello Gallico" geradezu auf die Nachwelt hingeschrieben worden zu sein. Eine Nachwelt, die Latein nicht unbedingt mehr beherrscht, dieses aber mit Hilfe des klassischen, entschlackten Stils des Imperators leicht zu lernen vermag.
Politische Propaganda für die Zeitgenossen
Falsch, sagt der Altphilologe, Caesars Commentarii über die eigenen Heldentaten richteten sich an die Zeitgenossen, als politisch-propagandistische Stellungnahme im Kampf um die Macht im Staate. Wie raffiniert Caesar – sprachlich und strukturell – dabei vorging, zeigt der Altphilologe anhand seiner sorgfältigen Textanalyse. Dass dabei der historische Quellenwert von Caesars Kriegsberichterstattung merklich schrumpft, liegt auf der Hand. Erstens berichtet nur der Sieger, die Besiegten haben nicht zu sagen. Auch neutrale Zeugen fehlen. Zweitens verrät schon Caesars Sprache viel von dem, was er verschweigt. "Typische Wörter des Alltags, wie ihn auch Soldaten erleben, fehlen völlig, z.B. mensa (Tisch), vestis (Kleidung), medicus (Arzt), incola (Einwohner), gaudium (Freude), dormire (schlafen), edere (essen), aegrotus (krank), fessus (müde). Die Darstellung dieser Situationen und Lebensbereiche bleibt ausgespart."
Sein Bezugsrahmen war der römische Adel
Wo niemand schläft, müde oder krank wird, nichts isst und auch keine Freude kennt, kann die Überlieferung kaum vollständig und auch nicht lebensnah sein. Darum ging es dem Feldherren auch nicht, sondern wie bei all seinem politischen Handeln, "vor allem um Würde (dignitas), Ruhm (gloria) und Macht (potestas) seiner Person und seiner Familie (gens)." Er lebt in einer Welt der römischen Oberschicht, die uns heute sehr fremd geworden ist, weswegen auch alle Demokratieanalogien auf die römische Republik schief angewendet sind; nicht grundlos ging die Epoche mit Caesar zuende. "Sein Adel war eine starke Triebfeder seines Tuns", konstatiert Markus Schauer.
Über Jahrtausende überliefert und bis heute von konservativen Bildungsphilistern gern verwendet, existiert das Bild eines überragenden Staatsmannes und Feldherren, das gleichwohl als Blaupause für Autokraten jedweder Couleur taugt, auch der übleren Sorte. Denn schon die Zeitgenossen wussten um Caesars Skrupellosigkeit: "Lieber mit Cato im Gefängnis als mit Caesar im Senat" hieß es angesichts seiner Unberechenbarkeit als Bundesgenosse. Und kann ein Feldherr sympathisch sein, von dem sein Biograf Sueton Folgendes berichtet: "So soll Caesar in Tränen ausgebrochen sein, als er in Spanien eine Statue Alexanders des Großen sah, weil dieser in seinem Alter schon die ganze Welt unterworfen, er aber noch nichts Denkwürdiges geleistet habe."
Markus Schauer: Der Gallische Krieg 
Markus Schauer: Der Gallische Krieg © C.H. Beck
Überragender Feldherr oder Massenmörder?
Das Denkwürdige bestand später dann in einem Massaker an den beiden germanischen Stämmen Usipeter und Tencterer, "nach seinen eigenen Angaben etwa 400.000 Menschen einschließlich Frauen und Kindern. Dieser Völkermord in Verbindung mit dem Bruch des Gesandtenrechts war auch für römische Verhältnisse jenseits des im Kriege Üblichen oder Akzeptablen."
Geschadet hat der unverhohlene publizistische Umgang mit derartigen Grausamkeiten Caeser weder bei den Zeitgenossen, noch bei der Nachwelt. Dazu trug auch der rhetorische Kniff bei, zwar ausschließlich subjektiv von den eigenen Heldentaten zu erzählen, dies aber in der dritten Person zu tun: "Der politische Selbstdarsteller Caesar verbirgt sich hinter einer bescheidenen Er-Erzählung, die übrigens in dieser Konstellation einzigartig in der antiken Literatur ist. Der Eindruck eines objektiven Tatsachenberichts wird dadurch noch mehr verstärkt."
Freilich, ohne genaue Kenntnisse römischer Verhältnisse dieser Zeit sind Caesars Motive und Winkelzüge kaum verstehbar, weswegen Markus Schauer gut eine Drittel des Buches auf die Vorgeschichte verwendet. Selbst altsprachlich erzogene Gymnasiasten dürften diese Epoche kaum noch präsent haben. Schließlich resümiert der Philologe: "Bevor Caesar nach Gallien aufbrach, war der berühmteste Feldherr Roms nicht er, sondern Pompeius. Das änderte sich mit dem Gallischen Krieg grundlegend – wozu seine Darstellung dieses Krieges nicht wenig beitrug. Denn Caesar tritt in seinen Büchern nicht als Politiker, sondern als Feldherr in Erscheinung, und als solcher hat er sich so überzeugend in Szene gesetzt, ja erfunden, dass er bis heute neben Alexander dem Großen und Napoleon als einer der herausragenden Feldherren der Weltgeschichte gilt."
Dies vermutlich zu Unrecht. Und beim Wettstreit um den Titel des größten Barbaren in den gallischen Kriegen dürfte Caesar einen prominenten Rang einnehmen.

Markus Schauer: Der Gallische Krieg - Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk
C.H. Beck Verlag 2016, 272 Seiten