Satire

So einfach geht korrupt!

Mehrere Euro-Banknoten liegen auf einem Tisch.
Herzerfrischend sind Spitzlingers und Draxlers Lektionen in Korruption © dpa / picture alliance / Jan Woitas
Von Pieke Biermann · 04.12.2014
Schluss mit der Schmähung, Bestechung ist super - und ganz leicht! Diese Idee verbreiten Roland Spitzlinger und Julia Draxler in ihrem amüsanten Buch "Probier's mal mit der Korruption". Ein nicht ganz ernst gemeinter Ratgeber für alle, die vorankommen wollen.
Kürzlich hat sich Berlins künftiger Ex-Bürgermeister Wowereit im Bundesrat mit einem Dank an seine Sponsoren verabschiedet. Er meinte weder Hollywood-Tycoons noch "Landschaftspfleger" aus der Wirtschaft. Der Dank ging an Seehofer, Bouffier und Kretschmann, an Gönner, die der Hauptstadt gezwungenermaßen etwas zustecken. Das heißt Länderfinanzausgleich und ist keine Korruption nach Definition von Transparency International: kein "Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil".
300 Seiten Realsatire
Korruption gehört zu den regelmäßig durchs Mediendorf getriebenen Säuen. Neu ist sie nicht, früher hieß sie Vetterleswirtschaft oder Amigo-System, heute eher Schmier- und Schwarzgeldskandal oder Lobbyismus. Sie garantiert schöne Verkäufe dank moralischer Entrüstung der Medienkonsumenten, allerdings auch deren nachhaltige Taubheit. Das wollten Roland Spitzlinger und Julia Draxler ändern. Per Crowdfunding haben sie zunächst das Wiener "Institut für angewandte Korruption" (IfaK) gegründet und veranstalten Stadtrundfahrten zu beispielhaften Stätten. Straßentheater mit Dada-Agitprop-Anmutung.
Jetzt legen sie ein Buch vor, das über die österreichischen Modelle hinaus auch deutsche und EU-weite Möglichkeiten aufzeigt. Gut 300 Seiten Realsatire: komplett mit augenzwinkerndem Köder – das Lesezeichen ist ein 500-Euro-Schein, in Farbe und Format nicht ganz korrekt und auch nur auf einer Pappseite geldwert bedruckt – und 1032 durchnummerierten Quellen, zumeist WWW-Adressen. Ein amüsantes Pastiche aus Wissenschafts-, Werbe- und Ratgeber-Sprech. Leitmotiv: Korruption kann jede/r! Schluss mit der undemokratischen Verteilung von Reibach auf die happy few!
Nützliche Tipps für alle Lebenslagen
Herzerfrischend sind die Lektionen, die man, falls man sie vergessen hat, von Kindern neu lernen kann: Wie passiert man die Schulklippen – Zensuren, Mobbing, Prügeleien –, wenn man weder Klassenprimus noch Sport-Ass ist? Nun, mit just den Verhaltensmustern, die im späteren Leben Nepotismus, Patronage, Bestechung, Opportunismus heißen. Ein genauer Blick auf die jeweilige juristische Umgebung, vor allem Gesetzeslücken, gibt probate Mittel fürs Fortkommen an die Hand, anschaulich per Multiple-Choice-Tests: "Was ist hier korrupt – a, b oder c?"
Es folgen Tipps zum Geld- und wechselseitigem Händewaschen am Beispiel der vorbildlichen Branchen: Bau- und Finanzwirtschaft, Pharma- und Rüstungsindustrie, Fußball. Dann praktisches Coaching samt Business-Plan: "Wie gründe ich eine Briefkastenfirma?" Schließlich Strategien für eventuelle Untersuchungsausschüsse oder Prozesse: den Spieß umdrehen, der Zweck heiligt die Mittel, es gilt die Unschuldsvermutung!
Roland Spitzlinger, der wissenschaftlicher Referent bei den Wiener Grünen war und Wikipedia-Artikel zu Korruption verfasst, und Julia Draxler, die gelernte Künstlerin und Kunstvermittlerin, verspotten intelligent und fröhlich alles, was an wohlfeilem Moralisieren um Korruption herum wuchert. Wie ernst man was daran nimmt – das darf jede/r selbst entscheiden: lachend!

Probier's doch mal mit Korruption! - Die Erfolgsgeheimnisse der Vettern, Freunderln und Amigos
Riemann Verlag (Random House), München 2014
320 Seiten, 14,99 Euro in Deutschland / 15,50 Euro in Österreich

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