Sanktionen gegen Russland

Eine Frage der Kalibrierung

Großbritanniens Premierminister David Cameron, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Rumäniens Präsident Traian Basescu und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso im Gespräch
Bundeskanzlerin Angel Merkel beim EU-Sondergipfel zur Krim-Krise in Brüssel © dpa / Olivier Hoslet
Von Annette Riedel, Büro Brüssel · 06.03.2014
Zu viel Sanktionen zu früh gegen Russland sind destruktiv - zu wenig Sanktionen zu spät sind sinnlos. Die EU zeigt sich mit ihren ersten Schritten handlungsfähig und lässt trotzdem Raum für Verhandlungen.
Ein Geist geht um. Der Geist heißt "Kalter Krieg". Der Geist heißt Ost-West-Teilung. Vielleicht war er nie wirklich verschwunden, ist man in diesen Tagen fast geneigt zu argwöhnen. Vielleicht war er nur zeitweise vergessen. Jetzt lauert er jedenfalls wieder an mancher Ecke. Bis hinein in die Europäische Union, scheint es bisweilen.
Einig sind sich alle in der EU, einig ist sich die EU mit der Ukraine, dass Putin ein unberechenbarer, ein gefährlicher, ein mit dem Feuer spielender Despot ist, dem es um alles Erdenkliche geht, aber nicht um die friedliche Koexistenz mit Nachbarstaaten, die einmal zum Sowjetreich gehörten und heute souveräne Staaten sein wollen.
Die Meinungen, wie man mit ihm umgeht, sind geteilt. Davon zeugt auch die Tatsache, dass der Sondergipfel zur Ukraine einige Stunden länger gedauert hat als geplant.
Im kollektiven Bewusstsein der östlichen Staaten der EU, die einmal zum Sowjetreich oder zum Ostblock gehörten, ist die Abneigung gegenüber Moskau fest verankert. Sie fürchten begründet mit historischen Erfahrungen, dass zwar nicht die Russen, aber ein Russe vom Kaliber eines Putin, eine Bedrohung ihrer unabhängigen Existenz ist. Sie vor allem wollten, dass Putin mit "robusten" Maßnahmen die Stirn geboten wird. Sie haben ja Recht. Und sie haben doch auch Unrecht.
Konfrontation verläuft mitten durch die Ukraine
Der beeindruckende ukrainische Übergangs-Regierungschef Jazenjuk hat es heute in Brüssel trefflich formuliert: Wir sind nicht anti-russisch. Wir sind pro-ukrainisch. Das muss das Denken der EU sein. Das muss das Handeln der EU prägen. Jazenjuk hat sehr deutlich gemacht, dass seiner Regierung am Ende des Tages an einer politischen Verständigung mit Russland gelegen ist, gelegen sein muss.
Eine neue Ost-West-Konfrontation verläuft − oder sagen wir es eine Spur optimistischer: verliefe − mitten durch das eigene Land. Deshalb geht es ihm nicht darum, dass die EU alles tut, was Russland schadet. Sondern dass sie alles tut, was der Ukraine nutzt. Zum Beispiel sie bei guter Regierungsführung schnell und für die Menschen spürbar finanziell zu unterstützen. Zum Beispiel alles zu tun, dass man mit Moskau trotz allem im Gespräch bleibt.
Dieser Maxime geschuldet ist der Ansatz richtig, ein Sanktionsregime auf den Weg zu bringen, das die Daumenschrauben gegenüber Putin in drei Stufen sukzessive anzieht, sollte er sich nicht in den kommenden Tagen gesprächsbereit zeigen oder gar weiter eskalieren. Die EU zeigt sich mit ersten Sanktionen handlungsfähig und lässt trotzdem Raum für Verhandlungen.
Wie sagte es heute ein deutscher Diplomat: Es ist eine Frage der Kalibrierung. Da hat er recht: Zu viel Sanktionen zu früh sind destruktiv. Zu wenig Sanktionen zu spät sind sinnlos. An dieser Kalibrierung, an der Frage des Was, Wann und daran, wie die richtige Mélange von Drohungen und Diplomatie auszusehen hat, haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs heute abgearbeitet. Und sie haben sich schlussendlich geeinigt.
Der Geist eines Ost-West-Konflikts mitten in der Europäischen Union ist für dieses Mal wieder in der Flasche. Hoffentlich ist der Ukraine damit geholfen.
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